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gessen zu bewahren. Eine seiner Initiativen bestand in der Gründung des „Museums und Archivs für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald‘ in Wiener Neustadt, das er heute noch leitet. Adolf Kothbauer, Ludwig Mayer aus Sankt Pölten und andere —- mögen mir jene verzeihen, die ich hier momentan vergessen habe. Beeindruckende Kameraden waren auch Erich Fein, der im Krankenrevier arbeitete und dem ich so manches vielleicht lebensrettende Medikament verdankte, mit dem ich meinerseits anderen, vorzüglich französischen Kameraden Hilfe leisten konnte. Als eine hervorragende Figur erschien mir der junge Franz Leitner, der Blockältester eines Blockes war, in dem sich nur Kinder befanden. Leitner hat viel Kraft, aber auch List aufgewandt, um diese Kinder, vor allem Russen, Ukrainer, Juden und Zigeuner, dem Zugriff der SS zu entreißen, die immer wieder Opfer suchten, um die Todesmaschinerie von Auschwitz zu versorgen. Beeindruckend war auch Gustav Wegerer, der Kapo des Blocks Pathologie, der viele Präparate (Schrumpfköpfe, gegerbte Häute) für die „Hündin von Buchenwald“, die Frau des Lagerführers Koch, herstellen mußte, die daraus für sich und ihre SS-Liebhaber Lampenschirme fertigen ließ. Da Wegerer den SS-Leuten einreden konnte, daß in seinem Block große Ansteckungsgefahr herrsche, kam es nur selten zu SS-Kontrollen, so daß dort illegale Beratungen stattfinden konnten. Aber mehr noch: Mitten in der Hölle von Buchenwald organisierte Wegerer Konzerte eines internationalen Quartetts erstklassiger Künstler in seinem Block. Das Heimgehen aus diesem Block bis zu dem meinen bedeutete allerdings Todesgefahr: Wenn man dabei von einer SS-Streife erwischt wurde, bedeutete dies den sofortigen Tod. Um mir selbst mein Menschsein zu bestätigen, nahm ich die Gefahr auf mich, wie viele andere auch. Zum Beispiel auch die Gefahr, mehrere Wochen lang für französische Kameraden das tägliche Wehrmachtskommuniqué in einer Weise zu übersetzen, die ihnen zeigen sollte, daß es bald zum Ende des Schreckens kommen werde. Am 11. April 1945 kamen unter schweren Gefechten, amerikanische Panzer in Sichtweite des Lagers. An diesem Tag wurde, wie mein Freund Karl Flanner berichtet, um 14 Uhr 30 von der illegalen Militärorganisation der Befehl gegeben, mit den ins Lager geschmuggelten Waffen, die Wachtürme der SS zu stürmen und alle Positionen zu besetzen, die von der SS noch gehalten wurden. Dies ging blitzschnell vor sich. Dafür bin ich Augenzeuge. Da ich selbst nicht militärisch einsatzfähig war, wurde ich an diesem Tag ins Revier geschickt, wo ein Teil der Waffen in unterirdischen Verstecken lagerte. Von dort wurden die Waffen zu den gut organisierten Kampfgruppen (Spanienkämpfer) gebracht. Auf das Revier wurde, und ich war gar nicht weit, geschossen. Am 12. April fand der erste Appell im befreiten Lager statt. Den Gefangenen wurde mitgeteilt, daß das Lager nun befreit sei und das internationale Komitee die Verwaltung übernehme. Während die französischen Kameraden bereits am 11. April zu dem berühmten „Eid von Buchenwald‘ angetreten waren, wurde die offizielle Trauerfeier des ganzen Lagers am 19. April abgehalten, um der rund 56.000 Menschen zu gedenken, die vom Juli 1937 an in Buchenwald ihr Leben verloren hatten. Nach den Evakuierungen, die noch vor Torschluß von den NS-Herrschern durchgeführt worden waren, waren am Tag der Befreiung noch 21.000 im Lager, deren Verpflegung, Gesundheit und Unterkunft gesichert werden mußte. Das Lagerkomitee übernahm diese schwere Aufgabe, wofür die amerikanischen Verbindungsoffiziere nicht immer das notwendige Verständnis aufbrachten. Doch aus den vorliegenden Zeugnissen kann man schließen, das 18 die Aufgabe gemeistert worden ist. Ich führe jetzt nur ein einziges Zeugnis an, das für uns alle hier besonders kostbar ist. Benedikt Kautsky, allen Österreichern gut bekannt, schrieb: ... Das Lager wahrte im allgemeinen Disziplin und ordnete sich freiwillig den deutschen Politischen unter, die in diesen letzten Tagen in meisterhafter Weise, Mut und Klugheit mischend, das Lager geführt und 21.000 Häftlingen das Leben gerettet haben. Ich als Sozialdemokrat lege auf diese Feststellung um so größeren Wert, als es sich in den verantwortlichen Stellen fast ausschließlich um Kommunisten handelte, die in vorbildlicher internationaler Solidarität allen Antifaschisten ohne Unterschied der Partei, Nation oder Konfession ihre Hilfe zuteil werden ließen ... Da die Verbindungen nach Österreich noch sehr prekär schienen, wurde ich von meinen französischen Freunden eingeladen, mit ihnen nach Frankreich heimzukehren. Die erste Wegstrecke fuhren wir in einem mit Planen bedeckten Lastwagen; man konnte nicht hinaussehen. Außerdem war es Nacht. Wir hatten die unangenehme Überraschung — es war Ende April und die Wehrmacht hatte noch nicht kapituliert — von deutschen Flugzeugen bombardiert zu werden; einem meiner Nachbarn kostete der Angriff das Leben. Ich hatte das beklemmende Gefühl, wieder einmal ganz knapp meinem letzten Rendezvous entkommen zu sein. Am 1. Mai kamen wir in Paris an und wurden ins Hotel Lutetia geleitet. Damit schien mein Lagerleben endgültig beendet. All das sind nur Fragmente, und der große Buchenwaldroman aus österreichischer Sicht, als Ergänzung zu jenen George Sempruns aus französisch-spanischer Sicht so dramatisch und eindringlich geschriebenen Romanen, muß und wird noch das Licht der Welt erblicken. In einem hatte ich mich wieder einmal geirrt: Mit Lagern sollte ich in Kürze weiter in Verbindung bleiben — von außen her. Denn kaum war ich von den Toten wieder auferstanden, erhielt ich neue Aufgaben in der Österreichischen Freiheitsfront Paris. Eine dieser Aufgaben bestand darin, eine eigene Zeitschrift für jene zu machen, die sich nun, nach dem Ende der hitlerschen KZs in Lagern befanden: in Kriegsgefangenenlagern! Für die nun hinter Stacheldraht befindlichen Österreicher, denen Verständnis und Liebe zur unabhängigen und demokratischen Republik Österreich nahegebracht werden sollte. Gemeinsam mit Leo Lederer redigierte ich nun Artikel und Nachrichten im Sinne des vorherigen Kampfes: Unabhängigkeit, Demokratie und Besinnung auf Österreich. Als Lederer Ende 1945 verstarb, blieb ich der einzige Redakteur der „Österreichischen Kriegsgefangenen-Post“, wie die Zeitung hieß. Bei der Verbreitung in den Lagern genoß ich die tatkräftige Hilfe von Karl Hartl, damals Attaché an der neuen österreichischen Botschaft, der später im diplomatischen Dienst der Republik Botschafter und Sektionschef werden sollte. Unsere gemeinsame Arbeit wurde dadurch erleichtert, daß alsbald in den Lagern die Österreicher von den Deutschen getrennt und dadurch dem Terror der unheilbaren Nazis entzogen waren. Diese Arbeit stand bis zur Rückführung der letzten österreichischen Kriegsgefangenen unter dem Motto: „Diese Blätter sollen mehr sein als ein einfaches Nachrichtenblatt. Von Österreichern für Österreicher geschrieben, sollen sie ein Bindeglied darstellen zwischen den österreichischen Kriegsgefangenen und Österreich. Sie sollen ihnen helfen, die harte Spanne Zeit der Trennung von der Heimat zu ertragen.“ Bindeglied sein, das ist eine Aufgabe, der ich mich auch weiterhin unterziehen will — trotz aller nun wieder vorhandenen Härten der Zeit.