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läßt man seine Träume in verlockende, nebelhafte Wunschund Zauberreiche schweifen, erforscht erotische Abgründe mit prickelndem Schauder und ist von seiner eigenen komplexen Kühnheit begeistert. Dann gehen die häßlichen Mädchen den letzten, entscheidenden Schritt. Sie laden ihre angehenden Liebhaber zu sich, lassen sie flüchtig die Ärmlichkeit der elterlichen Wohnung sehen und führen sie dann in die klösterliche Mädchenkammer zu ihrem Violinspiel. Der ganze Kontrast zwischen ihrer armen verhinderten Äußerlichkeit und dem inneren Reichtum ihrer schwärmerischen Seele kommt in diesem Violinspiel zum bezwingenden Ausdruck. Der Liebhaber des häßlichen Mädchens kann sich nicht mehr lösen davon. Im dunklen Zimmer liegt er auf dem Sofa, sieht nur die verschwimmenden Umrisse ihrer Gestalt und die schulterlangen wilden Haare ohne die Flecken des Gesichts, und hört ihr Spiel. Es flutet über ihn, es fesselt ihn mit tiefer, melancholischer Macht. Tränen steigen ihm in die Augen. Und Traumgestalten tauchen auf aus der jahrelang schmachtenden Sehnsucht des hungernden Bluts. Weiche, sanfte Königinnenhände streichen über sein Haar, kühlen die Wangen. Das Spiel ist verstummt, aber Lippen senken sich auf ihn, zärtlich kosende Lippen all der schönen, aufreizenden, unerreichbaren Göttinnen, denen er sein Leben lang auf den Straßen nachgeblickt. Weiche, glatte, geschmeidige Glieder schließen ihn ein, und behende Finger spielen aufreizend mit seiner Lust. Süße, raffinierte Worte, die ihn außer sich bringen vor rasendem Männerstolz, werden ihm ins Ohr geflüstert. Und da packt er die erträumte Herrliche, hält sie dicht an seinen Leib gepreßt, ringt mit ihr, überwindet sie, bis ihr beider heiseres Lachen in einem einzigen erstickt. Die langen, wirren, schuppigen Strähnen begraben sein Gesicht. Die häßlichen Mädchen sind auch viel geschickter als die Schöneren, die Geschicklichkeit nicht nötig haben. Sie wissen von der kranken, zehrenden Ungeduld im Herzen ihrer Liebhaber und wie schnell diese satt werden jeder Freude und jeden Glücks. Sie wissen auch, wie spärlich die Reize sind, die sie auf direktem Weg bieten können. Die häßlichen Mädchen sind scharfe Beobachter ihrer Wirkungen und machen sich auch gar nichts vor. Wollen sie ihr Glück erhalten, darf der immer lauernde Überdruß im Herzen ihrer Liebhaber durch nichts erweckt werden. Sie durchschauen, wo der Brand verlöschen könnte, und fachen ihn mit ausgesuchter Geschicklichkeit immer von neuem an. Ihr Rechenspiel ist meisterhaft. Kein einziger Moment der Langeweile, nicht das geringste Gefühl der Leere darf aufkommen. Erfinderisch streuen sie beständig neue Attraktionen in das Beisammensein mit ihren Liebhabern. Deren Nerven müssen dauernd gespannt sein, ihr Interesse, ihr Geist in dauernder Erregung erhalten werden. Abende gibt es, da man im Gespräch alles Täglich-Nüchterne vergißt und gemeinsam sich in bodenlosen Tiefen der Seele verliert. Kein Wort fällt von Küche, Hut- und Kleiderpreisen oder gar von Kinderwagen. Die häßlichen Mädchen sind ihren Liebhabern ideale Gefährten, unendlich fern aller alltäglichen Kleinlichkeit, die ermüden könnte. Und was die Traurigkeit betrifft, die ihre Liebhaber so oft grundlos überfällt, kennen die häßlichen Mädchen sie ja so gut. Sie, die in weichen, weißen Märchenkleidern beim offenen Fenster auf den Traumprinzen geharrt, sie sind vertraut mit dieser Trauer, sie wissen ihr zu begegnen. Die häßlichen Mädchen sind wahrhafte Zauberinnen im Verschönern, im Vergolden der Schwermut. Mit leiser, werbender Stimme lesen sie Dichterverse vor oder spielen die Violine. Ihre Liebhaber bergen den Kopf in ihrem Schoß und dürfen sich ungehindert ihren Träumen hingeben. Dann, wenn es dunkel geworden und sie die kleine, dicke Gestalt und das entstellte Gesicht nicht mehr sehen können, tritt die schönste der Feen über sie, quält sie zärtlich, die wildeste Wollust erregend mit ihrem erfindungsreichen, süß-marternden Fingerspiel. Wenn sie tags ausgehen mit den häßlichen Mädchen, ins Kino, Theater, Cafe, brauchen sie keine der galanten Rücksichten zu üben. Es ist gleichgültig, auf welcher Seite des Gehsteigs sie gehen, und die häßlichen Mädchen ziehen sich die Lederjacken ganz allein aus, ohne auf galante Hilfeleistung zu warten. Da man mit ihnen nur in ärmliche, schäbige Cafes geht, muß man sich auch vor den Kellnern nicht genieren. Niemand beobachtet einen abschätzend, und deshalb muß man dem Kellner auch nicht vor Verlegenheit auf die Zehen treten und sich dabei gründlich verachten. Mit den häßlichen Mädchen kann man sich so geben, wie man gerade fühlt, und kann von dem sprechen, was einem gerade brennend am Herzen liegt. So wären die Liebhaber häßlicher Mädchen eigentlich gar nicht so schlimm daran, ja oft könnten sie ganz glücklich sein, wenn eben nicht die Anderen wären, die Anderen, die glücklicheren und einfacheren Männer, die mit herrlichen Damen an ihnen und ihren kleinen, unscheinbaren Lederjackenmädeln vorbeischreiten. Wie elend fühlen sie sich da, wie geschlagen und lächerlich. Auch wenn sie im Theater ganz rückwärts auf den billigsten Plätzen stehen und in den Logen unten die Pracht jener gertenschlanken, halbnackten Frauenkörper mit verstohlener Gier hastig in sich einsaugen, wenn sie in den Pausen im Foyer von dem Glanz der unbeschwerten, reichen, schönen Paare geblendet werden, wenn ein bemitleidender Blick auf die arme Kleine neben ihnen fällt dann beginnen sie, ihrem Schicksal zu fluchen und die Kleine, Häßliche neben sich zu hassen. Schamgespeiste Wut bäumt sich in ihnen auf, und keiner Verführungskunst der häßlichen Mädchen wird es in den folgenden Nächten gelingen, sie hinzureißen. Zu wund an ihrer Schmach, bleiben sie kalt und fern. Dies, das ahnen die häßlichen Mädchen, ist ein böses Zeichen. Wenn ihre Liebhaber vom Sofa aufstehen und sich früh in der Nacht mit Müdigkeit entschuldigen und nach Hause gehen, dann erkennen sie mit eisigem Schrecken, daß ihre Herrschaft bloßer Schein gewesen, daß es trotz der fast übermenschlichen Geschicklichkeit, die sie seit dem Fensterstehen ihrer Kindheit her gelernt, keine wirkliche Erlösung von dem Fluch ihrer Häßlichkeit geben kann. Eine schleierleichte, hauchhafte Traumbrücke, die sie sich zum Leben hingebaut, bricht zusammen. Von da an werden ihre Künste verzweifelt und tyrannisch. Sie enthüllen jetzt ihren grimmigen Ehrgeiz, ihre unersättliche Gier zu halten, was sie sich unter so blutigem Aufwand von Geist und Kunst erobert. Sie sind ja nicht wie die anderen, die glücklichen, wohlgeratenen Mädchen, die nur aufzufangen brauchen, was ihnen in den Schoß fällt. Ihre Liebe ist nichts Mühelos-Natürliches, dem man sich leicht und lächelnd hingibt. Sie haben sie gebaut mit einer ungeheuren Energie, mit kluger Einfühlung, dauernd tätigem Verstand und ringender Sehnsucht. Sie haben komponiert an ihrer Liebe, sie lieben diese Liebe wie ein Kunstwerk, wie alles Unglaubliche, kaum Erhoffbare, das Wirklichkeit geworden ist. Nun kämpfen sie mit jeder Waffe, die ihnen nur einfallen kann — und ihre Erfindungsgabe ist ja ungeheuer —, um dieses Kunstwerk, daß es nicht zertrümmert werde. Natürlich siegen sie, ihr zäh verbissener Kampf kann nur im Triumph oder Tod enden. 23