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Aber für ihre Liebhaber wird das Vergessen ihrer Häßlichkeit immer schwerer. Die Traumbilder, die sie sich zu Hilfe holen, werden immer lästiger und schließlich unerträglich. Sie können das Doppelte und Geteilte einfach nicht mehr auf sich nehmen, in dem sie einst so geschwelgt haben. Es kommen Zeiten, wo sie nur mehr den Mädchen zuliebe die Zärtlichkeiten der Dunkelheit über sich ergehen lassen, wo die verwegenen Strähnen keinen Reiz mehr für sie haben, wo sie schal und leer sich zur Lust zwingen müssen und aufatmen, wenn sie ihrer Geliebten den Abschiedskuß geben dürfen. Sind schon ihre Nächte ein einziges Jammertal geworden, so ist es im Licht noch unzählige Male ärger. Es kommt so weit, daß sie, der Häßlichkeit ihrer Geliebten überbewußt geworden, sich auf der Straße von ihr distanzieren und nicht mit ihr reden, damit man glaubt, sie gehörten nicht zusammen und wären einander Fremde. Denn sie fürchten sich vor dem mitleidigen Blick der Glücklichen. Rasend gemacht von den vielen schönen Frauen, die man auf den Straßen sieht, werden sie schließlich roh und böse zu den häßlichen Mädchen. Sie hoffen, sich damit von ihnen zu befreien, aber sie wissen im voraus, wie vergeblich solche Hoffnungen geworden sind. Sie machen böse Witze über die tränenden Augen ihrer Freundin, lachen ihre kurze, dicke Gestalt aus und nennen sie „du scheußliche Kiste“. So machen sie ihr das Herz schwer, besonders wenn sie sie mit den vielen schönen Frauen vergleichen und ihr ihre Häßlichkeit grausam vorwerfen. Doch fort können sie nicht von ihnen. Immer wieder kommt eine Versöhnung zustande, bei der sie mit echten Tränen um Verzeihung bitten für ihre Roheit. Sie können die häßlichen Mädchen nicht mehr lassen. Sie fühlen, daß ihre Reue sie nach einem solchen Schritt vernichten würde, daß ihre Wehmut nach dieser zärtlichsten und erfinderischsten Liebe, die ihnen jemals zuteil geworden, unerträglich wäre. Und eine eisige Angst steigt auf in ihnen, daß sie dann nie mehr wieder geliebt werden würden. Denn mehr als einmal haben die häßlichen Mädchen ihnen angedeutet, daß sie ihr hübsches, markantes Jüng- lingsantlitz seinerseits häßlich, ja so grauenhaft häßlich und entstellt machen könnten, daß nicht einmal sie sich dann mit einem solchen Scheusal abgeben würden. Sie besitzen kleine, niedliche, aber wirkungsvolle Miniaturflammenwerfer in ihren Schubladen zu Hause. Wenn man die entzündet und richtig schleudert, bleibt nur wenig von dem Gesicht zurück, in das sie zielen. So beugen sich ihre Liebhaber schließlich einer Liebe, die ihre Macht mit solcher Grausamkeit äußert. Sie ergeben sich den Liebkosungen der häßlichen Mädchen, lassen sich im Dunkel Traumbilder vorzaubern von ihnen, und während sie sich von den dicken, unschönen Gliedern umklammern lassen, träumen sie von all den Schönen, Begehrenswerten, Schimmernden, die sie im Laufe des Tags am Arm glücklicherer und einfacherer Männer königlich-herausfordernd an sich vorbeischweben ließen. olivaugen meergrün groß glitzender übermut der wellen sonnensinnlichkeit gefüllt mit glücksschaum olivaugen rindenbraun ruhend im satten laub des herbstes entblättert im sein sanftseptemberwind olivaugen nachtschwarz versunken in feuchtem heidemoor nebelwerfend die krähen schreien im himmelsgrautuch Marion Steinfellner, geboren 1973, Studium Germanistik und Philosophie in Wien; Diplomarbeit über Alice Rühle-Gerstel. Zahlreiche Aufenthalte in Mexiko. 24 in umnachtetes schweigen fallen brüchig geworden die sprache bei den umstürzen hell wird es nicht mehr werden ein schwall sich gesammelt tief in der nabelgrube die verschluckte einsilbigkeit die leere zwischen den sätzen die in der schwebe verwest es brechen die worte hervor loser sinnsprudel aus den spalten des vergessens bestürztes verlangen nach dem grund die verstimmelungen aufheben von dem wortkargen boden sie wachsen nicht in den himmel nicht hier die zerrissenen glieder auflesen zusammenfügen zu einem sprachleib nichts übersehen zurückhalten keine auslassungen alles sagen endlich