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Hans Grafinger Gedenktafel unter Ausschluß der Öffentlichkeit 1868-75 wurde unter Baumeister Friedrich von Schmidt die Kirche „Maria vom Siege“ im heutigen 15. Wiener Gemeindebezirk errichtet. Der Bau wurde von den Seidenfabrikanten Anton und Jakob Lang, die nach Angaben eines Nachfahren hauptsächlich durch Geschäfte mit ungarischen Juden zu Wohlstand gekommen waren, durch Grundkauf und -widmung ermöglicht. Zeitgleich damit und unweit davon wurde Anfang der 1870er Jahre auf Initiative der für den Bezirk Sechshaus konstituierten Israelitischen Gemeindeorganisation auf der heutigen Liegenschaft Turnergasse 22 ein imposanter Tempelbau im Renaissancestil nach Plänen von Professor Carl König als Synagoge aufgeführt. Dieses Gebäude, mit einem auffallend schönen und weithin sichtbaren Glockenturm und Raum für 496 Männersitze und 333 Plätze für Frauen, wurde in der sogenannten Reichskristallnacht am 9.11. 1938 von fanatischen Anhängern des Hitlerregimes niedergebrannt und zerstört; anschließend wurde es abgerissen. Als Gemeinderabbiner wirkten bedeutende Persönlichkeiten wie Dr. Adolf Schmidel (1821-1914), Dr. Israel Taglicht (1862-1943) und Dr. Max Grünwald (1879-1953). Heute steht an dieser Stelle eine 1976-79 errichtete Wohnhausanlage der Stadt Wien mit einer neun Meter vom Gehsteig der Turnergasse entfernten, am Haus angebrachten Gedenktafel mit der Inschrift: „An dieser Stelle befand sich eine Synagoge. Sie wurde in der ,Reichskristallnacht’ am 9. November 1938 von fanatischen Anhängern des Hitlerregimes niedergebrannt und zerstört. Niemals vergessen!“ Die Gedenktafel ist durch einen sieben Meter vom Gehsteig und zwei Meter vor der Gedenktafel befindlichen, zwei Meter hohen, parallel zum Gehsteig verlaufenden Zaun aus Eisenstäben mit einer abgesperrten Tür unzugänglich und verdeckt, besser versteckt. Wirft man einen Blick in das Grundbuch zu dieser Liegenschaft EZ 174 KG Fünfhaus, so ergibt sich aus dem B-Blatt, daß das Eigentumsrecht jedenfalls seit 10.1. 1909 für die Israelitische Kultusgemeinde einverleibt war und mit Kaufvertrag vom 3. bzw. 28.5. 1940 die Liegenschaft an den Transportunternehmer Leopold Hölzl, Gebrüder-LangGasse 15, gelangte, wobei der Kaufpreis von 38.500 RM (Reichsmark) laut Bescheid des Reichsstatthalters in Wien vom 24.7. 1940 teils zur Verrechnung der Gebühren und Abgaben, teils zur Zahlung von Speditionskosten, Eisenbahnfahrkarten, Schiffs- und Flugkarten und der Einreisevisa „Verwen50 dung finden konnte“, der Restkaufpreis auf ein auf den Namen des Verkäufers lautendes, gemäß § 59 ff DevisenG gesperrtes, mit der Bezeichnung „ENTJ UDUNGSERLÖS“ versehenes Konto bei einer in der Ostmark geführten Devisenbank zu bezahlen war, über das nur mit Genehmigung der Devisenstelle Wien, Überwachungsabteilung, verfügt werden durfte. Am 8.11. 1947 wurde zufolge des Beschlusses der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vom 5.11. 1947, 59 RK 770/47-2, gemäß $ 24 des Dritten Rückstellungsgesetzes vom 6.2. 1947, BGBl. Nr. 54, die Einleitung des Rückstellungsverfahrens angemerkt, welche am 6.12. 1951 zufolge des Beschlusses vom 3.12. 1951, 59 RK 770/47-23, gelöscht wurde. Am 18.11. 1965 wurde das Eigentumsrecht an der Liegenschaft aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 26.8. 1963 zur Hälfte für Olga Hölzl und zu je einem Viertel für Ingeborg Hussmann und Marlene Weber einverleibt, am 26.2. 1973 schließlich aufgrund eines notariellen Leibrentenvertrages vom 24.9. 1970, des Kaufvertrages vom 31.12. 1970 und des Kaufvertrages vom 5. und 22.12. 1972 bis heute unverändert für die Stadt Wien. Weshalb der zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und Leopold Hölzl am 3. bzw. 28.5. 1940 unter dem Druck der politischen Verfolgung der Verkäuferseite geschlossenen Kaufvertrag nicht gemäß $ 3(1) des Rückstellungsgesetzes als nichtige Vermögensentziehung mit der Konsequenz der Rückstellung der Liegenschaft beurteilt wurde, blieb bis jetzt unerfindlich. Nach einer schriftlichen Mitteilung der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 27.11. 1998 bestehe zwischen dem Kaufvertrag aus dem Jahre 1940, d.h. dem Erwerb der Liegenschaft der Israelitischen Kultusgemeinde durch Leopold Hölzl, und dem Eigentumserwerb durch die Stadt Wien im Jahre 1972 kein wie immer gearteter Zusammenhang. Die Stadt Wien stehe zur Vollziehung des Rückstellungsgesetzes in keinerlei Konnex und habe bei der Vollziehung dieses Bundesgesetzes keine Einflußmöglichkeiten gehabt. Nach dem Wissensstand der Magistratsdirektion sei zwischen dem damaligen Liegenschaftseigentümer und der Israelitischen Kultusgemeinde ein Gerichtsvergleich über eine Entschädigungszahlung abgeschlossen worden und in weiterer Folge zweifellos eine Leistung erfolgt, weil die Anmerkung des Rückstellungsverfahrens im Grundbuch letztlich auch gelöscht wurde. Nach Mitteilung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien seien die bezüglichen Akten skartiert worden. Nachdem ich 1998 selbst erstmals durch den Stadtplan „Jüdisches Wien - einst und jetzt“ des Jüdischen Museums Wien auf die verborgenen Gedenktafel aufmerksam geworden war, trug ich mein Anliegen, eine für den Passanten sicht- und lesbare Gedenktafel im Gehsteigbereich vor dem Haus Turnergasse