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Palästina/Israel unterscheidet sich gravierend von allen übrigen Ländern, in denen Flüchtlinge aus Hitler-Deutschland Zuflucht fanden. „Erez Israel“, das „Land Israel“, ist untrennbar mit jüdischer Geschichte und Religion verbunden. In den Jahrhunderten der Diaspora, der Zerstreuung der Juden nach der Zerstörung des Tempels von Jerusalem durch die Römer im Jahre 70 n. Chr., richtete sich die Zukunftshoffnung der Juden immer wieder auf eine Rückkehr in das „heilige Land“. Religiös begründet, drückt sich diese Hoffnung jedes Jahr beim Pessachfest — dem Fest zur Erinnerung an den Exodus des Volkes Israel aus Ägypten — aus. Und zwar im Wunsch: „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Die Diaspora wurde vielfach als Exil, als Verbannung (Galut), als Ort der Fremdheit und Nichtzugehörigkeit erlebt, immer wieder bedroht von antisemitischen Anfeindungen, Verfolgungen und Pogromen. Im Zuge der im 19. Jahrhundert entstandenen politischen Bewegung des Zionismus wurden konkrete Schritte unternommen, das „Land Israel“ für das Judentum zurückzugewinnen, und zwar durch diplomatische Verhandlungen mit den Großmächten, Siedlungstätigkeit in Palästina, Erneuerung der hebräischen Sprache etc. Betrachtet man die Situation der jüdischen Einwanderer in Palästina/lIsrael, so relativiert sich der Begriff „Exil“. Der Entschluß zur Einwanderung konnte aus unterschiedlichen Motiven gefaßt werden. Einwanderer, die aufgrund ihrer zionistischen Überzeugung nach Palästina gelangt waren, sahen in ihrem neuen Wirkungsort kein „Exil“, sondern eine „wiedergefundene Heimat“. Andererseits kamen viele der nach 1933 zugewanderten Juden eher zufällig nach Palästina, auf der Suche nach einem Zufluchtsort, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entkommen. Die Problematik des „Exil“-Begriffs wird deutlich, wenn man die zionistische Weltanschauung betrachtet. Jüdische Einwanderer werden als „Olim“ (= Aufsteigende), die Einwanderung selbst als „Alija“ (= Aufstieg) bezeichnet. Im Begriff „Alija“ verbindet sich die religiöse Dimension einer Höherentwicklung der Persönlichkeit mit der politischen Dimension der Immigration nach Palästina/Israel. Andererseits gelten Juden, die aus dem jüdischen Staat auswandern, als „Jordim‘ (= Absteigende). Nach zionistischer Auffassung gilt demnach das jüdische Leben in den Ländern der Diaspora als „Exil“, die Alija hingegen als „Heimkehr“, als Rückkehr in die „altneue‘ „Heimat“ der Juden. Demnach ist es problematisch, von Palästina/lsrael als einem „Exilland“ zu sprechen, vielmehr muß stets die Komplexität, ja Widersprüchlichkeit dieser Begrifflichkeit bedacht und an den jeweiligen Einzelfällen überprüft werden. Im Jahre 1882, als Palästina noch unter osmanischer Verwaltung stand, setzte die zionistische Siedlungstätigkeit ein. Die zionistische Idee entstand nicht, wie manchmal behauptet wird, als eine bloße Abwehrreaktion gegen den Antisemitismus, der sich Ende des 19. Jahrhunderts radikalisiert hatte. Vielmehr verstand sich die zionistische Idee als ein Versuch, den Juden der Diaspora ein neues Selbstbild zu vermitteln. Das eigene „Anderssein“ sollte selbstbewußt, offensiv, auch kämpferisch interpretiert werden. Dem damals weitverbreiteten Assimilationsstreben — das oftmals verbunden war mit dem Verlust jüdischer Identität — wurde das Gegenbild ei24 nes selbstbestimmten Judentums entgegengestellt. Geprägt wurde der Begriff „Zionismus“ von dem österreichisch-jüdischen Publizisten Nathan Birnbaum, vorbereitet wurde die Idee in den Schriften des sozialistischen Theoretikers Moses Hess (Rom und Jerusalem, 1862), des orthodoxen Rabbiners und Talmudgelehrten Hirsch Zwi Kalischer (Drischat Zion = „Sehnsucht nach Zion“, 1862) und des russisch-jüdischen Publizisten Leon Pinsker (Auto-Emanzipation!, 1882). Schwungkraft erhielt die Bewegung durch das Wirken von Theodor Herzl, der 1896 seine wegweisende Broschüre Der Judenstaat veröffentlichte, 1897 den I. Zionistenkongreß in Basel einberief und die organisatorischen Grundlagen der Zionistischen Organisation schuf. Die zionistische Immigration erfolgte in mehreren Einwanderungswellen (Alijot); die jüdische Bevölkerung Palästinas wurde als „Jischuw“ (= Ansiedlung) bezeichnet. Die zionistischen Pioniere (Chaluzim) sahen sich vor große Probleme gestellt. Es galt, Land urbar zu machen, Felder zu entsteinen, malariaverseuchte Sümpfe trockenzulegen und sich mit den im Lande lebenden Arabern zu verständigen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Palästina unter die Mandatsverwaltung Großbritanniens gestellt. Dies weckte zunächst die Hoffnungen der Zionisten, zumal im Jahre 1917 der britische Außenminister Balfour in einem Brief an Lionel Lord Rothschild eine Erklärung zugunsten der Errichtung einer „nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ abgegeben hatte („Balfour-Deklaration‘“). Die Erwartungen wurden jedoch rasch gedämpft, als die britische Verwaltung die jüdischen und arabischen Interessensgegensätze gegeneinander auszuspielen begann und eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgte. Immer wieder wurde das im Aufbau befindliche jüdische Gemeinwesen von arabischen Unruhen erschüttert, besonders heftig in den Jahren 1929 und 1936. Zu weiteren Konflikten, von denen der Jischuw belastet wurde, zählten unter anderem der Antagonismus zwischen orthodoxen und nichtreligiösen Juden, die Spannungen zwischen „europäischen“ und „orientalischen“ Zuwanderern oder die ideologischen Gegensätze zwischen Arbeiterbewegung und bürgerlich-nationalistischen Gruppierungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte die britische Regierung, daß sie ihr vom Völkerbund gegebenes Mandat dessen Nachfolgeorganisation, der UNO, übergeben werde. Diese votierte am 29. November 1947 in ihrer Vollversammlung für eine Resolution, laut der Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat geteilt werden sollte. Am 14. Mai 1948, wenige Stunden, bevor das Mandat der Briten formell beendet wurde, proklamierte David Ben Gurion in Tel Aviv den jüdischen Staat mit dem Namen Israel. Im Zuge der 1933 einsetzenden Masseneinwanderung deutschsprachiger Juden („Fünfte Alija‘“) kamen vorwiegend Flüchtlinge ins Land, die oft nur mangelhafte Hebräischkenntnisse besaßen und wenig über Zionismus und Judentum Bescheid wußten. Die deutschsprachigen Juden wurden von den Ansässigen ironisch „Jeckes“ genannt. Über die Herkunft dieses Spitznamens gibt es unterschiedliche Versionen. Vermutlich leitet sich die Bezeichnung davon her, daß die an korrektes Benehmen gewohnten „Jeckes“ selbst bei den heißen