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und rationale Atmosphäre, ein besonderes Aroma, ein besonderes Licht einer Welt, in deren Wäldern uralte Eichen standen, in deren Städten im Herbst das Laub golden von den Bäumen in den Parks fiel, über deren große, breite Flüsse unbekannte Baumeister während Jahrhunderten die gewölbten Brücken mit den schönen Geländern spannten... Es war die erste Liebe, trotz allem, auch wenn unser jüdisches Blut die Pogrome und Verbrennungen und Metzeleien in Erinnerung trug. Wir vergessen dich nicht, nicht die Wunden der Liebe und nicht die Wunden des Hasses vergessen wir. Bis an unseren Tod tragen wir in uns diesen übergroßen Schmerz, der Europa heißt, „euer Europa“, „ihr Europa“ und anscheinend nicht „unser Europa“, selbst wenn wir ihm gehörten, ihm sehr angehörten. Mir ist, die Zeit, sie stände still und die Apfelbäume schlagen wieder aus, oder die Blätter breiten, welk am Grund, wie einst den goldenen Teppich um das Haus. Als wäre nicht zertrümmert unsre Welt, als wüßte unser Herz nicht was es weiß, als stehe unser Haus noch und man hält am Tisch das Mahl auf reinem Blütenweifß. Ach, alles das wir liebten einst, ist hin, vergeht in deinem feuchten Blick. Blick mich nicht an so, es hat keinen Sinn das sogenannt Vergessene zurückzurufen, Vergessenes, das nicht vergessen läßt, all das Verlorene - es hält uns fest. Als die Dichterin ins damalige Palästina kam, das den Juden „Erez Israel“, das „Land Israel“ war, war dieses von einer ganz anderen Beschaffenheit als der heutige Staat Israel. Es war ein Aufbruch in ein Früheres — die Alltagssprache und selbst die Zeitungssprache waren voll biblischer Anklänge und Wortbildungen -, es wurde die Normalisierung der sozioökonomischen Gesellschaftsschichtung angestrebt: wonach, anders als im Exil, Bauern und Handwerker die breite Grundschicht zu bilden hatten wie bei allen anderen Völkern, und auch ein neues, inniges Verhältnis zur Erde sollte geschaffen werden. Bei Lea Goldberg kam dies in ihren Gedichten so zum Ausdruck, daß die einfachen Dinge des Lebens ihr Thema und ihre Bildhaftigkeit wurden, das Primäre und Unscheinbare: So einfach, so einfach und voll wie die grüne Weide, die den verlorenen Pfad umarmt und Tau und Klee und Lamm. Ihr erstes im Land Israel geschriebenes Buch heißt bezeichnenderweise Die Ähre mit dem grünen Auge. „Das Dorf“ wird zur Metapher der Rückkehr zum Boden, zum schlichten Alltag, zum Ursprünglichen, und so erscheint nach der Grünäugigen Ähre ein Bändchen von elf Gedichten: Lied in den Dörfern, das im Ton osteuropäischer Volkslieder gehalten ist. Aber schon der nächste Band mit 23 Gedichten Aus meinem alten Zuhause aus den Jahren 1940-1944 ruft die Orte der Kindheit und Jugend wach in Bildern von herber Schönheit, die dem kleinen Alltag der im Grunde eben doch noch heilen Welt entnommen sind: ein Teetisch auf der Veranda in der Sommerfrische, der Fischmarkt, ein Kinderheim, ein Taubenpaar — wieder in der Übersetzung von Ludwig Strauß, dem wir die kongeniale Übersetzung von 21 Gedichten Lea Goldbergs verdanken.’ Lea Goldberg, israelische Briefmarke Blaf ist die Stunde und vergoldet, kaum mehr wach. Nun faltet auch der letzte Wind sein Segel ein. Da sitzen Tauben, sieh, und rasten auf dem Dach, Die weißen, schmerzlich ewigen, die müden mein. Die Wolken gleiten hin. Tag läßt die Welt und hoch Zu seinem Kloster steigt er, dunkler Bäume Schar. Und nur die Tauben sitzen, Kopf an Köpfchen noch Wie über einem Memoirenbuch ein alternd Paar. Europa, Europa, das einmal war, läßt die Dichterin nicht los. Nach dem, was „Shoah“ genannt wird, sollte es unverständlich sein, und es ist unverständlich. Mit dieser Unverständlichkeit leben viele in Israel, deren Biographie von der Herrschaft des Unmenschen geprägt wurde. Das Gedicht Föhren gibt ihnen Sprache: Föhren Hier hör ich nicht den Kuckuck rufen. Hier tragen Bäume keinen Hut aus Schnee, im Schatten aber dieser Föhren wacht meine ganze Kindheit in mir auf. Die Nadeln läuten leis: Es war einmal — und Heimat nenne ich den weiten Schnee, das Eis, das grün den Bach gefesselt hält, die Sprache des Gedichts in fremdem Land. Zugvögel, sie allein kennen vielleicht — so zwischen Erde und dem Himmel hin — den Schmerz von dem, der doppelt Heimat hat. Zweimalig wurde ich mit euch gepflanzt und mit euch, Föhren, wuchs ich auf und meine Wurzeln treiben hier und dort. Das Gedicht ist ein petrarkisches Sonett. Lea Goldberg war eine der bedeutendsten VerfasserInnen von Sonetten im Hebräischen, einer Form, die es in der hebräischen Dichtung seit Dante gibt, nämlich seit dessen Zeitgenossen Emanuel der Römer. Die geradezu mathematische Schönheit dieser Form „Hohen Stils“, die den Dichter Dichter sein läßt, wenn er im Rahmen einer festgesetzten Silbenzahl mit festgesetztem Reimschema etwas Eigenes, Noch-nicht-so-Gesagtes zur Sprache bringt, entspricht zwar der klaren Diktion dieser Dichterin, ist aber völlig entgegengesetzt dem Themenkreis des „Dorfes“ und des einfachen Lebens, wie auch dem Volkstonhaften anderer ihrer Gedichte. Sie ist sich dessen bewußt und macht eine Adelige, Therese de Mont, zur Sprecherin einer 47