OCR
schen deutschsprachigen Schriftstellern eine Nummer seiner Mnemosyne. Zeitschrift fiir jüdische Kultur und gibt ihnen weiterhin einen breiten Raum in allen folgenden Nummern. Dr. Jens Stüben vom Institut für Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas in Oldenburg veröffentlichte einen eingehenden Artikel über Israelische AutorInnen ostdeutscher und altösterreichischer Herkunft in dem Buch Jüdische Autoren Ostmitteleuropas im 20. Jahrhundert. Auch Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands veröffentlichte in jedem Heft Erzählungen, Rezensionen und Gedichte israelischer Autoren. Shlomo Erel widmete in seinem Buch Kaleidoskop Israel Deutschsprachige Einwanderer erzählen einige Kapitel den deutschsprachigen SchriftstellerInnen und LyrikerInnen mit Erzählungen, Aufzeichnungen und Gedichten. Auch die Zeitschrift Impressum ist zu verzeichnen. Herausgegeben von Paul Tischler, München und gewidmet dem Verband gab sie eine ganze Nummer über deutschsprachige Literatur und Presse in Israel anläßlich des 40jährigen Bestehens von Israel heraus. Themen Armin A. Wallas schrieb in seinem Artikel „Das Gestern liegt in Scherben“ über diese Autoren: „Israel, Ziel der Alija, des ‚Aufstiegs’ ins Land der Väter, jahrhundertelanges Sehnsuchtsland der Juden in der Diaspora, bedeutet für sie einen Ort des Asyls, der Geborgenheit, zugleich lebt in ihnen die unauslöschliche Erinnerung an die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes. Die Erinnerung an Europa gestaltet sich als ein Akt des Rückbesinnens auf Kindheitslandschaften, eine Rückbesinnung allerdings, die gebrochen ist durch die ständige Präsenz des erlittenen Schreckens. Als Opfer und als Zeugen der Shoa beschreiben die Autoren persönlich erlebte Zeitgeschichte. ‚Bewahrung des Gedächtnisses’ — so könnte man die Leitlinie ihres Schreibens benennen. Ihre Versuche zur literarischen Bewältigung des Erlebten und Erlittenen sind häufig gekennzeichnet vom Bemühen, einer dissonanten Welt eine Vision von Humanität entgegenzusetzen, gleichsam einen ‚Humanismus nach Auschwitz’ zu schaffen. Für viele Autoren wurde der Kontakt mit der hebräischen Sprache befruchtend für ihr Schreiben, insbesondere was die Prägnanz des sprachlichen Ausdrucks angelangt.“ Jens Stüben vom Bundesinstitut für ostdeutsche Geschichte und Kultur in Oldenburg schrieb in dem erwähnten Artikel: Diese Literatur „gehört zur jüdischen, zur israelischen und ebenso auch zur deutschen Literatur. Sie kann und soll dennoch nicht als ‚deutsch’ verstanden werden, denn sie weist in Wahl und Ausgestaltung ihrer Themen und Motive und in der literarischen Umsetzung der ,Welterfassung’ der Autoren ,einen unübersehbaren Gleichklang’ mit der hebräischen Literatur auf... Zweitens: Die deutschschreibenden israelischen Autoren haben mit ihren für uns Deutsche, für die Nachwelt so bedeutsamen Schöpfungen den Reichtum der deutschen (im Sinne von deutschsprachigen) Literatur vermehrt.“ Es war ein entlegenes Dorf im Norden der Bukowina, in dem Jakob mit seinen Eltern und vier Geschwistern lebte, die einzige jüdische Familie im Dorf. Jüdische Landwirte waren schon damals, in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, eine Seltenheit. Wie alle im Dorf bebauten sie ihren Boden, hielten Pferde, Kühe und Kleinvieh. Nur gingen ihre Nachbarn am Sonntag in die Dorfkirche, sie hingegen am Samstag und an den Hohen Feiertagen in die Synagoge im Nachbarort. Die Kinder besuchten die Grundschule im Dorf, die drei Buben gingen außerdem zwei, drei Mal die Woche in den Nachbarort zum Melamed, der ihnen jüdisches Wissen beibrachte. In diesem Städtchen mit seiner großen Gemeinde spielte sich das religiöse Leben der Juden der Umgebung ab. Sommer wie Winter kamen die Buben zu Fuß in den Cheder; war das Wetter sehr schlecht, blieben sie über Nacht bei der Großmutter. Dann gesellten auch wir uns, meine Schwester und ich, und noch einige Kinder der Nachbarn zu ihnen. Draußen wütete der Schneesturm, der Frost malte Eisblumen ans Fenster, in der warmen Stube reichte die Großmutter, die Baba, heißen Tee, warme Milch und Hefegebäck, das bei ihr besser als sonst wo schmeckte. Die Buben, einige Jahre älter als wir, hatte eine reiche Phantasie, erzählten uns Märchen von dem, was ihnen auf den Weg zum Cheder oder abends auf dem Nachhauseweg passierte: Geschichten von Toten, die nachts aus ihren Gräbern stiegen 62 (die Jungen mußten an einem Friedhof vorbei), von Menschen, die mit ihnen ein Stück des Weges gingen und sich plötzlich in Nichts auflösten, von Liebenden, die durch bösen Zauber ein schreckliches Ende fanden. Sie steigerten sich in immer extremere Situationen hinein; doch den Ausgang des Abenteuers wollten sie erst beim nächsten Zusammentreffen verraten. Unser Dienstmädchen kam, uns nach Hause zu bringen. Die drei Jungen und ihre zwei älteren Schwestern lebten nicht viel anders als die Dorfjugend, pflegten Freundschaften im Dorf, gingen zu den gleichen Festen, veranstalteten Tanzabende, ein geselliges Leben, wie es junge Menschen überall in der Welt führen. Sie fühlten nicht anders als die nichtjüdischen Jugendlichen, mit denen sie befreundet waren. Das war vor dem Zweiten Weltkrieg. Als die Russen im Jahre 1940 die Nordbukowina besetzten, vermutete diese eine jüdische Familie im Dorf, daß sie von den sowjetischen Behörden nichts zu befürchten hätte. Sicher war man sich nie. Sie waren Kleinbauern, lebten mit den Nachbarn und mit der Dorfgemeinschaft in Frieden. Es war trotzdem eine Überraschung, daß der Sohn Jakob zum Dorfältesten gewählt wurde. Die zwei Schwestern und der ältere Bruder waren damals schon verheiratet und aus dem Haus. Jakob und sein jüngerer Bruder Hermann hatten eine Leidenschaft: die Musik. Jakob spielte Geige, Hermann den Zimbal, sie hatten es sich im Selbstunterricht beigebracht. Die