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Brüder spielten gut; man lud sie zu zu Tanzabenden, Hochzeiten, Volksmusikkonzerten ein und bezahlte dafür. Unter den Volksmusikanten waren sie bald ein Begriff, Konkurrenz für die musizierende Zigeunerfamilie, die seit Generationen in der Gegend ansässig war. Im Jahre 1941 fiel die deutsche Armee in die Bukowina ein. Die Russen flüchteten Hals über Kopf, Jakob und sein Bruder mit ihnen. Unterwegs trafen sie eine Gruppe ukrainischer Nationalisten, Akademiker, Gefangene, die ins Landesinnere verlegt werden hätten sollen. Doch die Bewacher waren verschwunden. Dieser Gruppe schlossen sich Jakob und Hermann an. Die Leute, älter und erfahrener als die Brüder, nahmen sich ihrer an, teilten mit ihnen das Brot, bis sie eines Morgens, als sie auf freiem Feld kampierten, von deutschen Soldaten aufgespürt wurden. Alle mußten ihre Papiere zeigen, und so stellte sich heraus, daß die Brüder Juden waren. Das Wohlwollen der Ukrainer schlug in Haß um. Den Deutschen erzählten sie, daß die Brüder zwei gefährliche Spione für die Russen seien, die es die ganze Zeit darauf angelegt hätten, von ihnen Informationen zu erhalten. Nach dem Verhör wurde Hermann abgeführt und nie wieder gesehen. Jakob wurde als Angeklagter zurück nach Czernowitz gebracht. In Czernowitz war inzwischen die Hölle los. Es waren die ersten Tage, ersten Wochen des Krieges. Die Deutschen, mit Unterstützung des rumänischen Militärs und der Bevölkerung, mordeten und plünderten. Die Juden versuchten sich zu verstecken. Meine Schwester und ihr Mann wohnten mit noch einigen jüdischen Familien auf der dritten Etage eines Hauses im Zentrum. Der erste und zweite Stock waren für Büros der rumänischen Polizei beschlagnahmt. Die jüdischen Mieter einigten sich mit dem Polizeichef (für viel Geld) darauf, daß man den Mörderbanden bei einer Razzia sagen solle, das ganze Haus sei von der Polizei besetzt, keine Juden mehr da. Hierher war auch mein Mann geflüchtet; er wohnte bei meiner Schwester. Die Juden im Haus durften sich so wenig wie möglich zeigen, doch mußte man sie mit dem Nötigsten versorgen. Das war meine Mission. Ich war bei meinen Eltern geblieben. Meine Mutter bereitete etwas Eßbares (es war nicht viel), und ich bereitete mich vor, damit zu meiner Schwester zu gehen. Ich wählte ein hübsches Kleid und Schuhe mit hohen Absätzen, um nicht als Jüdin erkannt zu werden. Ich war schon in der Nähe der Wohnung meiner Schwester, als mir eine Gruppe von Juden unter schwerer Bewachung entgegenkam. Ich wollte zuerst umkehren, aber fürchtete aufzufallen. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder wurde diese Gruppe zu Aufräumungsarbeiten gebracht, oder zum Fluß, zum Pruth, um dort erschossen zu werden, nachdem sie sich selbst das Grab ausgehoben hatten. Als ich schon ganz nahe war, kam die Gruppe zum Stehen. (Ich glaube, einer der Gendarmen ging in ein Geschäft, sich Zigaretten zu kaufen.) Plötzlich hörte ich meinen Namen. Ich glaubte, mich verhört zu haben, doch ein Mann rief hinter vorgehaltener Hand meinen Namen. Ich sah verstohlen hin und konnte niemanden erkennen. Der Mann war für mich ein Unbekannter. Ich wollte mich schon umdrehen und weitergehen, da hörte ich: „Ich bin es, Jakob.‘ Mein Cousin Jakob, den wir in Sicherheit, in Rußland, wähnten! Furchtbar sah er aus, abgemagert, unrasiert, unsicher auf den Beinen. Ich wollte ihm zu essen geben, doch die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, er rief mir noch zu, daß er sich auf der Polizei befinde. Bei meiner Schwester erzählte ich von meiner Begegnung. Ich sagte, ich würde morgen zur Polizei gehen, um zu erfahren, ob Jakob noch einmal zurückgebracht worden sei, und wie er dorthin gekommen sei. Proteste von allen Seiten, viel zu gefährlich, ich würde sofort als Jüdin erkannt werden; daß ich zu meiner Schwester durchgekommen sei, bedeute nicht, daß ich wieder so viel Glück haben würde. Ich kam gut nach Hause. In der Nacht konnte ich nicht schlafen. In der Früh beriet ich mich mit meiner Mutter. Sie sagte, man könne die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. Es war Sonntag, in den Kirchen wurden besondere Gottesdienste abgehalten, bei denen die Priester den kommunistischen Geist austrieben und die Bevölkerung gegen die Juden aufhetzten. Die Straßen waren voll von haßerfüllten Menschen, die nach Juden suchten. Ich ging und betete. Ich kam an einer Gruppe jüdischer Frauen vorbei, die auf den Knien mit kleinen Bürsten die Straße schrubbten. Ich kam zur Polizeistation und fand eine lange Reihe Menschen angestellt, die sich nach verschwundenen Angehörigen erkundigen wollten. Mir kam vor, es waren Hunderte. Ich stellte mich in die Reihe und wartete. Plötzlich trat ein junger Mann auf mich zu. Er sah gut aus, trug einen eleganten schwarzen Ledermantel und dazu passende glänzende Lederstiefel. „Was machen Sie hier?“, war seine Frage an mich. Da erkannte ich ihn. Er war ein Kollege von mir, arbeitete in einer kleinen Goldschmiedewerkstatt. Kurz vor Ausbruch des Krieges wurde davon gesprochen, daß er, zusammen mit anderen Jugendlichen, einem bekannt reichen Börsenmakler anonyme Briefe geschickt habe, er würde wegen seiner schwarzen Geschäfte angezeigt, hinterlege er nicht eine große Summe an einem bestimmten Ort. Der Mann tat, als wäre er einverstanden, kam mit der Polizei, die ganze jugendliche Bande wurde verhaftet. Offensichtlich war er ein Spitzel der rumänischen Polizei geworden. Wie und wann er wieder aus dem Gefängnis gekommen war, nach seinem Prozeß, wußte ich nicht, vielleicht aufgrund seiner Minderjährigkeit. Nachdem ich ihm gesagt hatte, warum ich hier sei (nicht gerne, da ich mich an seine Erpressergeschichte erinnerte), wies er mich an: „Verlassen Sie die Reihe und warten Sie in der Nähe auf mich. Ich werde nachsehen, was mit Ihrem Cousin los ist, ob er gestern überhaupt zurückgebracht wurde.“ Ich merkte, daß er mit den Polizisten, die überall herumstanden, gut Freund war, wollte ihm das Essen, das ich für Jakob bei mir hatte, mitgeben. Er nahm es nicht, meinte, er werde ihm aus der Polizeiküche richtiges Essen bringen. Ich blieb voller Zweifel zurück. Nach einer Weile kam er wieder und brachte mir die Nachricht, daß mein Cousin als gefährlicher russischer Spion einer besonderen Behandlung unterzogen werde. Er werde jede Nacht im Keller so lange geprügelt, bis er alles zugebe oder ohnmächtig werde. So ging das Nacht für Nacht, tagsüber lag er halbtot im Gefängnishof und hoffte, abends nicht mehr am Leben zu sein. Ich bat, für einen Moment zu Jakob in den Hof gelassen zu werden, wollte ihn sehen, ein letztes Mal. Auch das tat er für mich, ich kam mit ihm in den Hof und sah Jakob in seinem schrecklichen Zustand. Der Hof war so voll von Menschen, Frauen und Männern, daß man fast auf die Menschen treten mußte, um sich einen Weg zu bahnen. Es schien ihnen wenig auszumachen, sie lagen wie tot. Als sie mich sahen, kam jedoch Leben in sie, fast jeder hatte ein fertiges Zettelchen oder Briefchen bei sich; sie stopften sie mir in die Tasche, 63