OCR
Ich weiß aus vielen Gesprächen, nicht nur mit Luc, daß daran kein Wort wahr ist. Wer hat sich gefreut, als die deportierten slowenischen Familien zurückkamen? Die Deutschkämtner sicher nicht. Die haben noch schnell die slowenischen Bauernhäuser geplündert und die Ernte von den Feldern ihrer Nachbarn geholt. Alle verschleppten Sloweninnen sollen zurückgekehrt sein? Ausnahmslos? Auch die, die im KZ umgebracht wurden? Alle sollen auf „vielfältige Weise materiell entschädigt“ worden sein? Von wem bitte? Vom „Kärntner Heimatbund“ bzw. vom späteren KHD? Vielleicht von den Deutschen aus Südtirol oder aus dem Kanaltal, die auf den slowenischen Höfen angesiedelt wurden? Oder von den Reichsdeutschen, die die Kärntner Nazis zur „ordentlichen Besiedelung“ Südkärntens hergeholt hatten? „Auf vielfältige Weise‘ — durch solche Formulierungen wird lediglich die nationale Neidgesellschaft bedient. Nach den alten antisemitischen Mustern wird vorgegangen und unterstellt, den Sloweninnen ware es ja eh nur ums Geld gegangen. Und sie könnten nie genug davon bekommen. Es wird vorgegaukelt, sie wären alle reich geworden, die Heimgekehrten, weil sie mit „Entschädigungen“ formlich überschüttet wurden. Luc wußte anderes zu erzählen. Er beklagte sich aber nie, er winkte nur ab, wenn ich ihn nach seinen Erlebnissen nach 1945 fragte. Darüber wollte er nicht erzählen. Ich glaube, er schämte sich auch für diese Deutschkärntner Gesellschaft, in der noch so viele Altnazis das Sagen hatten. Im Grunde wiederholte sich nach 1945 die Verächtlichmachung des antifaschistischen Widerstandes der Kärntner Sloweninnen auf Kosten des Eigenlobs „mutiger“ Deutschkärntner, die es später der englischen Besatzungsmacht in die Schuhe schieben werden, daß Sloweninnen noch nach 1945 weiter drangsaliert und diffamiert wurden. Heute braucht man keinen Mut für den Widerstand gegen eine Regierung, die man nicht gewählt hat, die man nicht an der Macht sehen will und von der man nichts Gutes zu erwarten hat; das würde auch Luc gesagt haben, der fürwahr eine andere Regierung erlebt hat. Wo ist aber heute der Widerstand, zu dem es keinen Mut braucht? Was machen wir mit dem Erbe von Luc? Tragen wir es heute auch zu Grabe? Oder halten wir es in Ehren - trotz der Aufforderung des KHD, mit dem Partisanenkult endlich Schluß zu machen? Wer vom Schlußmachen redet, muß auch fragen: Wann wird das Veteranentreffen der ehemaligen SSler am Kärntner Ulrichsberg beendet? Wann werden die Postwurfsendungen des KHD eingestellt und wann wird diese Organisation endlich verboten? Wann werden die zweisprachigen Ortstafeln aufgestellt? Wann wird die gemeinsame zweisprachige Schule wieder hergestellt? Wenn wir Luc ein ehrendes Andenken bewahren wollen, dann kann sich in diesem Andenken doch nur das ausdrücken, was er selbst gelebt hat: der aufrechte Gang und der Widerstand. Daran müssen wir uns orientieren und daran müssen wir wachsen. Janez Wutte-Luc wurde als junger Mann zunächst zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Die Deportation der Kärntner SlowenInnen durch die Nazis und der Wille zur Verteidigung der Heimat führten ihn 1944 zu den Kärntner Partisanen. Er wurde eine der bekanntesten Persönlichkeiten des antifaschistischen Befreiungskampfes in Kärnten. Nach 1945 war er viele Jahre Obmann des Kärntner Partisanenverbandes. Janez WutteLuc starb am 11. April 2002 im 84. Lebensjahr. — Peter Gstettner sprach bei der Verabschiedung für den Verein der Freundinnen des Persmanhofes — Drustvo prijateljev i prijateljic Persmanovega doma. Danielle Spera Fragen Sie mehr über Recha Kohn Am 28.2. 2002 wurde in den Räumen der ESRA, 1020 Wien, Tempelg.5, eine Ausstellung von Aquarellen und Federzeichnungen von Recha Kohn eröffnet. Die Journalistin Dr. Danielle Spera hielt dabei eine kleine Ansprache. Ich freue mich sehr, daß ich heute mit Ihnen hier sein darf. Es ist mir eine Ehre, ein paar Worte über Leben und Arbeit von Recha Kohn sprechen zu dürfen. Frau Kohn ist die Großmutter eines Kollegen von mir, der mich mit ihrem Werk bekannt gemacht hat. Ich war von Anfang an sehr von den Arbeiten beeindruckt und wollte mehr über sie wissen. Glücklicherweise hat Frau Kohn ihre Lebensgeschichte niedergeschrieben, und so konnte ich ein spannungs- und ereignisreiches Leben nachvollziehen. Recha Kohn (geb. Beer) wurde als Kind polnischer Einwanderer in Frankfurt am Main als Tochter eines Thora-Schreibers und jüngstes von fünf Mädchen geboren. Sie wurde zu Hause und in der Schule orthodox erzogen. 1938 wurde sie zusammen mit ihrer Familie von den Nazis nach Polen abgeschoben. Kurz vor Ausbruch des Krieges gelang die Flucht nach England. In London heiratete sie später den aus Wien stammenden David Kohn, mit dem zusammen sie 1946 nach Österreich ging. Sie ist Mutter dreier Töchter. Von 1956 bis 1960 studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste bei Prof. Gerda MatejkaFelden Kunsterziehung. Ich möchte ihnen jetzt gerne ein paar Passagen aus den Erinnerungen von Recha Kohn vorlesen. Vor dem Krieg, genauer gesagt, bis zum Jahr 1938 zählten die Kohns über hundert Personen zu ihrem engeren Familienkreis ... Als wir — mein Mann und ich — nach dem Krieg im Jahr 1946 nach Osterreich kamen, befanden wir uns allein auf weiter Flur, da außer uns von der Familie meines Mannes niemand mehr in Wien lebte. Soweit ihnen die Flucht vor den Nazis gelang, konnte ein Teil von ihnen glücklicherweise ins Ausland entkommen. Es waren nicht mehr als ein Dutzend Personen, die sich nach Amerika, England, Italien und in die Schweiz gerettet hatten. All die übrigen der zahlreichen Familie hatte das Schicksal von Millionen anderer Juden getroffen, die in den Vernichtungslagern des Dritten Reiches den Tod fanden. Ihr Weg endet im Schatten und der Finsternis einer Zeit, die später die Zeit ohne Gnade genannt werden sollte. Laut Meinung so mancher Zeitgenossen sollte man schon endlich vergessen, was nach Meinung anderer nicht stattgefunden haben soll. Man kann nicht aufjede Meinung hören, wenn man selbst Zeuge des Geschehens gewesen ist und unfreiwillig Opfer. In den vergangenen 50 Jahren versuchte ich trotzdem, was passiert war aus meinem Gedächtnis zu streichen, um so leben zu können, wie die anderen Menschen. „Was willst du? „fragte ich mich, „du hast im Gegensatz zu unzähligen anderen Menschen deiner Generation jene schreckliche Zeit überlebt. Mit dir ist der 'da Oben' gnädig verfahren, indem er dich am Leben ließ. Nicht einmal schlecht ist es dir dabei ergangen. Außerdem erhältst du vom deutschen Staat Wiedergutmachung. Was also kann ein Mensch wie du noch mehr verlangen? Schweig also und sei ruhig, denn du wurdest entschädigt. Doch es geht nicht, man kann keinen entschädigen. Ich habe somit als Letzte die Ehre, den Namen der Familie meines Mannes vertreten zu dürfen. Über ihr vergangenes Leben in dieser Stadt existieren zahlreiche Erinnerungen und Anekdoten, die uns veranschaulichen, welch mustergiiltiges, gottgefälliges Leben sie fiihrten. Ebenso bringen sie uns zum Bewußtsein, welch wundervolle Welt mit ihnen zugrunde gegangen ist. Den Weg in die Emigration nach England konnte Recha Kohn glücklicherweise mit ihrer Mutter antreten, zu der sie eine enge Bindung hatte. Selbst wenn sie schreibt, daß ihre Mutter sie als fünfte Tochter nach ihrer Geburt um ein Haar weggeben hatte wollen. Jedenfalls, besonders in der Entwurzelung der Emigration waren Mutter und Tochter bis zum frühen Tod der Mutter einander sehr nah. Meine Mutter war noch eine jener Frauen, denen Heim und Familie alles bedeutete. Mit ihrer ausgeprägten Rolle im Hause verkörperte sie die Miitterlichkeit in der Weise, wie es im Judentum Erfahrung und Tradition genau festgelegt und in Jahrtausenden sich herauskristallisiert hat. Der Einzug des Schabbath wurde durch das Entzünden der Lichter geheiligt, indem sie die Hände darüber ausbreitete und sie segnete. Sie beging damit nicht allein die Heiligung des SchabbathEinzugs, sie selbst war die Verkörperung dieser Heiligkeit. Im Gegensatz zu der heutigen Auffassung von der Rolle der Mutter, die sich 73