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darauf beschränkt, im besten Fall für ihre Kinder ein guter Kamerad zu sein oder eine Freundin, war die Rolle meiner Mutter in unserem Haus die Verkörperung der Mütterlichkeit. Das machte sie zur Trägerin einer Kultur. Solch eine Frau war meine Mutter — eine jiddische Mamme. Ein Teil der jüdischen Religion war in ihrer Person ausgeprägt. Nach Kriegsende wollte David Kohn in seine frühere Heimat zurück. In Wien angekommen, fühlte sich Recha Kohn von Anfang an nicht wohl oder gar heimisch. Gerne wollte sie ihren Mann überreden, nach Israel zu gehen, wo eine ihrer Schwestern lebte. Doch er wollte davon nichts wissen und es blieb bei Besuchen in Israel. Mag sein, daß einige an ihr Leben in Wien vor dem Krieg anknüpfen konnten, die Stadt in einem anderen, nostalgischem Licht sahen. Bei mir war solches nicht der Fall. Als absolut Jremdes Terrain sah ich die Dinge anders, vielleicht mit nüchternem und dadurch schärferem Blick. Eine bloße Fahrt mit der Straßenbahn bot ein trauriges Bild einer demoralisierten, verängstigten Herde ohne Leithammel, die sich in dem wackeligen Gefährt zusammendrängte, bereit, alles niederzustampfen, was sich ihr in den Weg stellte. Fast gewann man den Eindruck, daß hier 74 auf diesem kleinen Raum, der Krieg in Europa weiterginge. Woher kamen diese Wutausbrüche, diese wüsten, oft in Tätlichkeiten ausartenden Beschimpfungen und Flüche, deren unfreiwillige Zeugin ich oft werden mußte. Es war Wut und Haß der Betrogenen. Deszö fuhr sehr viel nach Ungarn und Rumänien, sodaß ich mit den Kindern alleine in Wien zurückblieb. Mehr als mir lieb war, denn ich fand während des Alleinseins reichlich Gelegenheit darüber nachzudenken, warum es von allen Plätzen in der Welt mich ausgerechnet nach Grinzing verschlagen mußte. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfiel, war die, daß wir, so wie alle Menschen irgendwo einen Platz haben müßten, auf dem die Kinder beschützt und zu glücklichen, gesunden Menschen heranwachsen könnten. Entsprechend solch simpler Auffassung versuchte ich, Grinzing zu meiner Heimat zu machen. Vorerst fühlte ich mich von der Nachbarschaft mißtrauisch als fremden Eindringling beobachtet und belauscht. Niemals, daß wir von jemandem auch nur gegrüßt wurden in dieser Gegend, in der die Gemütlichkeit angeblich zu Hause ist. So jovial sich die Betreiber der Heurigen-Lokale sonst auch geben, in denen eine gewisse Weinseligkeit nicht nur die Musik sondern auch die Kassen zum Klingeln bringt, so wenig sind sie neugierig darauf, daß sich Fremde in ihrer Mitte niederlassen, die anders als die Touristen kein Geld mitbringen und zudem auch noch da bleiben. In einer menschenleeren Einöde läßt sich die Einsamkeit leichter ertragen, als einer Umgebung von kalten, gleichgültigen Menschen. Immer mehr wuchs in mir die Sehnsucht nach einem Familienkreis, doch gleichzeitig war ich mir dessen bewußt, daß es einen solchen für mich nicht mehr geben würde. Niemals mehr würden sie wiederkommen, all die Onkeln, Tanten, Großeltern, Cousins und Cousinen, der ganze Schutzmantel eines Verwandten- und Freundeskreises, den man unter normalen Umständen als eine Selbstverständlichkeit hinnimmt. Wenn man ihn hingegen nicht mehr besitzt, wird einem bewußt, wie viel man verloren hat und vermißt ihn deshalb umso mehr. Zu dem zermürbenden Alleinsein gesellte sich die Verzweiflung. Hoffnungslos lange Herbst- und Winterabende, in denen ich grübelte und begann, mit meinem Schicksal zu hadern. Immer öfter fragte ich mich, wie wir hier leben sollten, ohne einen Umkreis von Menschen, zu denen wir uns zählen durften und von denen wir uns geliebt und akzeptiert wußten. Recha Kohn hat sich in dieser Hoffnungslosigkeit und vor allem in dem Gefühl, in Wien nicht erwünscht zu sein, der Malerei zugewandt. Das Gefühl der Einsamkeit hat den Anstoß dazu gegeben, ihre Empfindungen bildhaft auszudrücken. Immer mehr hat sie dabei gespürt, daß Malerei für sie viel mehr als ein Hobby ist, und sie hat begonnen, auch die Technik zu studieren. Zu malen, bedeutet für Recha Kohn, Erlebnisse zu verarbeiten. Ihre Objekte sind Menschen, in großer Mehrzahl Frauen. Auch deshalb, weil Frauen ihr Leben geprägt hatten: die enge Bindung zur Mutter, vier Schwestern, drei Töchter. Das Schicksal jüdischer Frauen steht im Mittelpunkt auch jener Bilder, die wir heute sehen. Gestern hat Frau Kohn mir gesagt: Malerei ist für mich eine Waffe, mit der man bekämpfen kann, was man als Unrecht ansieht. An den Schluß möchte ich noch ein Zitat aus Frau Kohns Lebenserinnerungen stellen, eine Geschichte von einem chassidischen Rebben. Ein Schüler hatte großen Zorn auf den Rebben und wollte ihn in Verlegenheit bringen. Er fing einen kleinen Vogel und versteckte ihn in seiner Hand. Der Schüler stellte sich vor seinem Lehrer auf und fragte: “ Sag mir weiser Mann, was habe ich in meiner Hand?“ Der Rabbi, der die flatternden Bewegungen bemerkte, verstand daß es ein Vogel war und sagte es auch so. Der Schiiler wurde zornig: „Nun sage mir, ist er tot oder lebendig?“ Hätte der Rabbi gesagt lebendig, so hätte der Schüler geplant, den Vogel zu erdrücken, um ihn des Irrtums zu überführen. Hätte er aber