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Seine gewaltige Ausdehnung verlangte nach einer Landmarke. Und da das fünfzigjährige Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Joseph innerhalb der Monarchie überall durch die Errichtung von Kulturbauten, Schulen, Kirchen und auch Synagogen gefeiert wurde und die neue Ansiedlung ohnedies einer Pfarre bedurfte, beschloß man, direkt an der Brücke eine gewaltige Kirche zu errichten. Sie ist mit Bezug auf den Namen des Geehrten dem heiligen Franz von Assisi geweiht, heißt aber heute noch im Volksmund „Jubiläumskirche“. Sie wurde 1900 begonnen und 1913 vollendet und beeindruckt alle, die die großen Dome am Rhein nicht kennen. Den Platz aber beherrscht sie auf jeden Fall. Und vom Strom her markiert sie das Tor zur Stadt. An dessen Ufer hatte sich schon längst neben dem Gebäude der Schiffsstation nach beiden Seiten hin ein Handelshafen ausgebreitet, der aus dem begleitenden Praterkai einen Handelskai machte, an den sich mehr als 10 Kilometer lang die Anlegestellen und Lagerhallen der unterschiedlichen Schiffsagenturen reihten. In diese Gegend hat Theodor Kramer die Ballade von „Moses Vogelhut“ gesetzt. Die mächtigste dieser Niederlassungen war die der einst glanzvollen und nun verschwundenen Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, deren aus allen Teilen der Monarchie stammende Matrosen zusammen mit jenen der Agenturen aus den Balkanstaaten die Gegend zu einem richtigen Hafenviertel machten. Davon zeugte noch bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts die Tatsache, daß die Apotheke an der Ecke Vorgartenstraße-Ennsgasse neben der auf dem Schwedenplatz die einzige internationale Apotheke Wiens war. Heute hat sich der Frachtverkehr in den Containerterminal am alten Winterhafen verlagert. Überhaupt sind Personen- und Lastschiffe auf der Donau selten geworden, wozu auch die Zerstörung der Donaubrücken bei Belgrad im jüngsten Krieg auf dem Balkan beigetragen hat. An der Lände standen dort, wo heute weitläufige Parkanlagen die Ufer begleiten, in langer Reihe Lagerhäuser und Silos. Sie gingen am Ende des Zweiten Weltkriegs in Flammen auf. Als letzter sichtbarer Rest blieb der gewaltige Klotz des Hilton on the Danube-Hotels, ehemals der größte Getreidespeicher des Hafens. Zur Verbindung der Lagerhäuser untereinander und mit den Frachtenbahnhöfen der Stadt wurde entlang des Handelskais die heute noch bestehende Donauuferbahn angelegt. Die Möglichkeit, von ihr aus zahlreiche Stichgeleise in nahe liegende Fabriksbauten zu führen, wurde extensiv ausgenützt und bewirkte die Entstehung eines ausgedehnten Fabriksviertels flußaufwärts. Namhafte Unternehmen, wie Garvens, SiemensSchuckert und Siemens-Halske errichteten hier ihre Werke und unterbanden damit eine Ausbreitung der Donaustadt nach Norden. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten wurden nach Auflassung des Hafengebietes nahezu alle Fabriken abgesiedelt und durch Wohnbauten ersetzt. Der Zerfall der Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges brachte für unser Viertel vorerst nur einen Wechsel von Straßennamen: 1919 erhielt der Erzherzog-Karl-Platz, erstaunlicherweise weiterhin dem Militärischen verpflichtet, die Bezeichnung „Volkswehrplatz‘“ nach der neu gebildeten republikanischen Wehrmacht, 1920 wurde die Kronprinz-RudolfStraße nach dem Gründer der deutschen Sozialdemokratie in Lassallestraße umbenannt. Die Verwandlung des Staates in eine Republik führte auch zur Abschaffung unzeitgemäß gewordener Einrichtungen. Die Beseitigung einer davon, der Verzehrungssteuer, vollzog sich für die Bewohner des Viertels sichtbar durch eine Veränderung des Straßenbildes an besonderer Stelle, an der Ecke Lassallestraße/Volkswehrplatz. Die Verzehrungssteuer wurde 1921 aufgehoben; sie war ein Verbraucherzoll, der die aus ihrem Umland in die Stadt einge31