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Ein Grundpfeiler der sozialdemokratischen Kommunalpolitik nach dem Ende der Monarchie war der Kampf um die Erhaltung des Mieterschutzes. Am Höhepunkt der revolutionären Situation, die geprägt war von Kriegsmüdigkeit, Not und Mangel an Nahrungsmitteln, hatte der Kaiser 1917 die „Verordnung über den Schutz der Mieter“ erlassen, die die Kündigungsgründe beschränkte und die Höhe des Mietzinses festsetzte. Diese Verordnung hatte wohl den Sinn, den an der Front stehenden Männern die Sorge um die Unterkunft ihrer Familien zu nehmen und auch gewissen revolutionären Tendenzen vorzubeugen. Generell war die Wohnungssituation gegen Ende des Krieges katastrophal. Wohnungselend, Überbelag und willkürliche Kündigungen sowie horrende Mieten - bis zu 25 % des durchschnittlichen Arbeiterlohnes - prägten die Situation. Durch den Mieterschutz und die wirtschaftliche Lage entstand eine Situation, die nur durch öffentliche Bautätigkeit behoben werden konnte. Dies erkannten die nun zur bestimmenden politischen Kraft in Wien gewordenen Sozialdemokraten, die 1921 die Einführung einer Wohnbausteuer zur Finanzierung der Neubautätigkeit beschlossen. Aus den Mitteln dieser Abgabe wurden bis 1923 2.256 Wohnungen errichtet. Ein neues Wohnbauprogramm wurde 1923 von Stadtrat Hugo Breitner vorgestellt, dieses sah den Bau von 25.000 Wohnungen in 5 Jahren vor. Insgesamt wurden von der sozialdemokratischen Stadtverwaltung bis 1934 insgesamt ca. 66.000 Wohnungen und 2.100 Geschäftslokale errichtet und finanziert. Die Gesamtmieten dieser Wohnungen lagen mit 5-8 % eines durchschnittlichen Arbeitereinkommens weit unter den 20-25 %, die an Miete am privaten Wohnungsmarkt aufgewendet werden mußten. Kennzeichen der von 1922 bis 1934 von der Gemeinde Wien erbauten Wohnhausanlagen sind Randverbauungen, ausgedehnte Innenhöfe mit Grünanlagen und Infrastruktureinrichtungen wie Badeanlagen, Zentralwaschküchen, Kindergärten und Büchereien. Die Wohnungen haben alle direkten Zugang vom Stiegenhaus, das WC liegt innerhalb der Wohnung, und es gibt Gas, Wasser und Stromanschluß. Es wurden hauptsächlich drei Wohnungstypen mit ca. 36 m?, 48 m? und 57 m? Nutzfläche errichtet. Beauftragt mit der Planung der Gemeindebauten wurden fast alle damals in Wien tätigen Architekten bzw. erfolgte die Planung direkt durch das Stadtbauamt. Trotz der Vielfalt der mit der Planung beauftragten Architekten weisen die Gemeindebauten äußerlich doch ein sehr einheitliches Bild auf, ohne jedoch gleichförmig zu wirken. Die für die Bauten benötigten Grundstücke konnte die Stadt Wien relativ günstig erwerben, da ja die private Bautätigkeit bedingt durch die Weltwirtschaftskrise völlig zum Erliegen gekommen war. Der Ankauf der Baumaterialien erfolgte zentral, wodurch Preisvorteile lukriert werden konnten. Der Transport der Baumaterialen zu den einzelnen Baustellen erfolgte durch Gütertransportwagen mit der Straßenbahn. Die Krise des „Roten Wien“ war auch eine Krise des Austromarxismus, der Schritt für Schritt vor den Angriffen des bürgerlichen Lagers zurückwich und so in die Katastrophe des 12. Februar 1934 schlitterte. Bürgermeister Karl Seitz wurde im 38 Rathaus verhaftet und Dr. Richard Schmitz als Bundeskommissar für Wien von der Regierung Dollfuß eingesetzt. Der Neubautätigkeit, die für 1934 noch 2.612 fertiggestellte Wohnungen ausgewiesen hat, wurde somit ein Ende gesetzt. Der markanteste kommunale Wohnbau im Bereich des Mexikoplatzes ist wohl der LASSALLE-HOF Lassallestraße/ Vorgartenstraße/Ybbsstraße/Radingerstrasse). Diese Wohnhausanlage umfaßt 294 Wohnungen, 14 Lokale und einen Kindergarten. Geplant wurde die Anlage von Architekt Hubert Gessner (mit den Architekten Schlossberg, Paar und Waage) und sie wurde1924 fertiggestellt. Es handelt sich um eine repräsentative Anlage mit betontem monumentalen Eckturm, der gleichsam einen Brückenkopf zur Reichsbrücke bildet. Verwendung finden sehr gegensätzliche Stilelemente wie die Rundbogenarkaden im Erdgeschoß, der halbkreisartig vorgezogene Abschluß der Ladenzeile im Bereich Lassallestraße/ Vorgartenstraße und der konstruktivistisch monumentale Haupteingang sowie der Eckturm, der in den beiden letzten Stockwerken durch Arkaden aufgelöst wird. Eine große, gleichfalls von Architekt Hubert Gessner geplante Wohnhausanlage ist der HEIZMANNHOF (Radingerstraße/Ofnergasse/Vorgartenstraße/Lassallestraße) mit 213 Wohnungen. Es handelt sich um eine Eckverbauung, wobei die Wohnungen um zwei Innenhöfe gruppiert sind. Der Haupteingang in der Vorgartenstraße wird durch einen Rundbogen und Balkon betont. Die meisten Wohnungen sind entlang der Ofnergasse angeordnet. Nur ein kleiner Teil der Anlage reicht in die Lassallestraße, wo auch die Feuerwache des 2. Bezirkes untergebracht war. Die Anlage wurden 1925 fertiggestellt. Eine weitere große Wohnhausanlage ist der 1923 errichtete WACHAUERHOF (Jungstraße/Engerthstraße/Wachaustraße/ Vorgartenstraße). Geplant wurde dieser Gemeindebau von Architekt Hugo Mayer mit 181 Wohnungen, die dann in mehreren Bauabschnitten errichtet wurden. Es handelt sich um die Verbauung eines vorgegebenen Baublockes mit Randverbauung. Interessant sind die auffallenden Giebeldächer sowie der große Torbau. Ausgeschmückt wird diese Anlage durch Sgraffitomalereien und keramische Reliefs. . Die von Architekt Hans Glaser geplante und 1928 fertiggestellte Wohnhausanlage Handelskai 210/Wachaustraße umfaßt nur 54 Wohnungen. Es handelt sich um eine Eckverbauung mit abgestufter Fassade, wobei die turmartige Ecke durch Loggien hervorgehoben wird. Die Sockelzone und der Eingangsbereich sind mit dunklen Klinkersteinen verblendet. Zu erwähnen ist auch der HERMANN-FISCHER-HOF (Ybbsstraße/Harkortstraße) mit 72 Wohnungen, der 1928 fertiggestellt wurde. Diese Baulückenverbauung wurde von Architekt Otto Prutscher geplant. Die an der Ybbsstraße langgestreckte symmetrische Fassade wird durch Loggien aufgelockert. Im Erdgeschoß befinden sich Toreingänge mit Tonnengewölben und Rundbogenfenster im Parteilokal. Eine kleine Wohnhausanlage ist die von Architekt Ferdinand Kaindl geplante Anlage Ybbsstraße 31-33 mit 46 Wohnungen, die 1927 fertiggestellt wurde. Das Dach ist in der