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Glueckselig-Ausstellung Vom 2.-30.9. 2002 zeigte die Universität für angewandte Kunst Wien im Kunstraum Palais Porcia die Ausstellung „Leo Glueckselig — geboren in Wien — wohnhaft in New York“. Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit 60 Abbildungen und mit Beiträgen von Patrick Werkner und Erika Patka, der Leiterin der Sammlung der Universität. Leo Glückselig kennenzulernen war ein Erlebnis und eine Freude. Treffpunkt war sein irisches Stammlokal in Washington Heights, New York, in unmittelbarer Nahe seiner Wohnung. Wir begegneten einander wie alte Bekannte, obwohl wir doch erst ein paar Mal miteinander telephoniert hatten. Das gemeinsame Wiener Idiom war Verbindung genug. Sehr bald schon begann er aus seinem Leben zu berichten — von der Vertreibung aus dem Wien und der Welt seiner Jugend. Er erzählte von seinen bitteren Erfahrungen 1938 und seinen späteren Erlebnissen als Angehöriger der US-Army, in deren Dienst er sich gestellt hatte, um am Kampf gegen den Terror des Nationalsozialismus aktiv teilzunehmen. Die traurigen Erinnerungen wechselten schließlich mit Berichten aus der Neuen Welt, ganz wie er es in seinem Buch „Gottlob kein Held und Heiliger! Ein Wiener ,Jew-boy’ in New York“ (Picus Verlag, Wien 1999) auch beschreibt. Seine Worte waren von tiefer Menschlichkeit getragen und dabei so bildhaft lebendig, wie wir es wenige Stunden später vor seinen Zeichnungen nachvollziehen konnten. Und aus diesen gesammelten BildErinnerungen durfte ich eine Auswahl in Barbara Deißenberger Empfang nehmen: ein Geschenk an die Stätte seiner künstlerischen Ausbildung, die ehemalige Wiener Kunstgewerbeschule — heute Universität für angewandte Kunst Wien. Sie sind im vorliegenden Katalog publiziert und nunmehr Bestandteil unserer Sammlung. Leo Glückselig sei dafür herzlichst gedankt! Seit den 1980er Jahren ist die ,Angewandte’ nun bemüht, verfolgte und vertriebene Künstler und Künstlerinnen wieder aufzufinden und ihre Arbeit zu publizieren. Erika Patka Hugo Bettauer Am 18. Juni 2002 konnte in der Josefstadt ein Vorhaben realisiert werden, das die Josefstädter Grünen im Dezember 2001 beantragt hatten, als „einen wichtigen gemeinsamen Schritt zur Erinnerung und Aufarbeitung der Vergangenheit dieses Bezirkes“ (Mag. Helen Rupertsberger-Knopp, Bezirksrätin): Eine Gedenktafel für Hugo Bettauer — von Bezirksvorsteherin Margit Kostal enthüllt — ruft nun in der Lange Gasse die wichtigsten Stationen des Lebens dieses österreichischen Schriftstellers und Journalisten in Erinnerung und setzt mit der tragischen Begründung dieser Tafel an diesem Ort' an: In der Lange Gasse 5-7, der Redaktion seiner Zeitschrift, wurde Hugo Bettauer am 10.3. 1925 durch mehrere Schüsse eines jungen Nationalsozialisten tödlich verletzt. Seine journalistische Laufbahn begann in den USA. 1910 kehrte er nach Wien zurück, schrieb für die „Neue Freie Presse“ und „Die Zeit“. In der Folge verfasste er mehrere äußerst erfolgreiche Kolportageromane. Davon wurden u.a. verfilmt „Die freudlose Gasse“ (Regie G.W. Pabst, mit Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Krauss) und „Die Stadt ohne Juden“ (Regie H.K. Breslauer, mit Hans Moser). Auf neue gesellschaftliche Entwicklungen der Zwanzigerjahre reagierte Bettauer durch die Herausgabe der Zeitschrift „Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik“. Als Jude und wegen seiner liberalen und sozialen Ansichten wurde er zur Zielscheibe für extrem gehässige Angriffe des nationalsozialistischen bis hin zu Teilen des bürgerlichen Lagers, die schließlich zum tödlichen Attentat im Jahre 1925 führten. Bettauer starb als eines der ersten Opfer des Nationalsozialismus. Der Enthüllung der Gedenktafel ging eine Einführung von Univ.-Prof. Dr. Murray Hall voraus, der am Abend, im Rahmen der vom „Kulturraum 8“ getragenen Veranstaltung, ein weiterer Vortrag über das Leben und den „Fall Bettauer‘” folgte. Anschließend las Cécile Cordon, Gemeinderatsabgeordnete der Grünen, Artikel aus Bettauers Zeitschriften und Auszüge seiner Romane „Die freudlose Gasse“ und „Die Stadt ohne Juden“. Diesen Lesungen folgte jeweils ein Ausschnitt aus den dazugehörigen Romanverfilmungen - im Fall der „Stadt ohne Juden“ handelte es sich dabei um eine restaurierte Fassung des erst 1991 im Nederlands Filmmuseum wieder entdeckten Originals’. Im Veranstaltungsraum, der „A41 Galerie im Hof“, war zusätzlich eine Ausstellung über Hugo Bettauer zu sehen, die Teile seiner Zeitschriften, Fotos und Werbeplakate der Romanverfilmungen aus der Sammlung von Dr. Hall und schließlich die Dokumentation seiner Ermordung in „Bettauers Wochenschrift“ selbst, Nachrufe und Beschreibungen des Begräbnisses, sowie einen Auszug aus dem Sterbebuch der Dorotheergasse, in dem Bettauers Tod eingetragen ist, umfaßte. Die Gedenktafel und der „Abend für Hugo Bettauer‘ gaben und geben somit einen wichtigen Einblick in das Leben eines sozial äuBerst engagierten österreichischen Schriftstellers und Journalisten, der nur leider „das Pech“ hatte, jüdischer Provenienz zu sein, wodurch ihm alles, was er tat, ins Unehrenhafte verdreht wurde und selbst seine Ermordung 1925 für den Täter strafrechtlich folgenlos blieb. Hugo Bettauer - ein Nachruf auf sein Leben, 77 Jahre nach seinem Tod’ Maximilian Hugo Bettauer wurde 1872 in Baden bei Wien geboren. Sein Vater, ein Börsenmakler, starb im folgenden Jahr und Bettauer wuchs gemeinsam mit seinen beiden älteren Schwestern bei der Mutter auf. 16jährig riß er von zu Hause aus und schlug sich bis Nordafrika durch, ehe er wieder aufgegriffen und „nach Hause“ geschickt wurde. 1890 trat er aus der jüdischen Glaubensbewegung aus und der Evangelischen Kirche bei. Nach Abschluß der Schule versuchte er sich als Einjährig-Freiwilliger beim Militär, desertierte aber nach fünf Monaten und wurde aus Österreich verwiesen. Seine Mutter wanderte mit ihm nach Zürich aus, wo er Olga Steiner, seine Jugendliebe aus Wien-Leopoldstadt, heiratete. Nach dem Tod der Mutter wanderten beide in die Vereinigten Staaten aus, wobei Bettauer jedoch infolge einer Fehlinvestition sein gesamtes, vom Vater ererbtes Vermögen verlor. Auch die Ehe mit Olga Steiner hielt nicht, und Bettauer, zwar mittlerweile ameri73