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des Instituts für Österreichische Geschichte ablegte und sich 1913 für prähistorische Archäologie habilitierte. Von 1910 bis 1918 war er am Archiv und an der Bibliothek des Landes Niederösterreich angestellt. 1918 wurde er außerordentlicher, 1922 ordentlicher Professor für die Urgeschichte des Menschen. 1928/29 war er Dekan, 1935/36 Rektor der Universität Wien. Urban bezeichnet ihn als „nationalkatholisch“, was heißt, daß Menghin es verstanden hat, christliche, antisemitische, rassistische und nazistische Einstellungen unter einen Hut zu bringen. Die Klammer war weniger Menghins Überzeugung denn seine Gesinnungslumperei: 1936/1937 gehörte er dem Führerrat der Wiener Vaterländischen Front an, war aber gleichzeitig für die illegale NSDAP tätig. Am 11. März 1938 wurde er Unterrichtsminister im sogenannten Anschlußkabinett, das mit dem Ständestaat auch dessen rechtsstaatlichen Reste liquidierte, und als solcher verantwortlich für den Ausschluß von Studenten und Lehrern jüdischer Herkunft und/oder antifaschistischer Gesinnung. Ab August 1938 ging er als Professor für Urgeschichte wieder seinen akademischen Pflichten nach, größeren Einfluß innerhalb der Nazipartei soll er laut Urban nicht mehr besessen haben. Im biografischen Anhang zu seinem Aufsatz zitiert Fontän aus einem Artikel über Joseph Weinheber. Recuerdos personales, den Menghin 1953 in der argentinischen Zeitschrift Estudios Germdnicos veröffentlicht hat: „Nie werde ich den Abend des 7. Dezember 1943 vergessen, in dem wir uns zum letzten Mal in meinem Haus in Wien getroffen haben.“ Diese „persönlichen Erinnerungen“ an den Nazibarden verraten, mit welchem Menschenschlag Oswald Menghin gesellschaftlichen Umgang pflegte. Während Weinheber anderthalb Jahre später angesichts der Niederlage des Naziregimes in den Tod flüchtete, gab es sein Gastgeber um einiges billiger: Blaschitz hat herausgefunden, daß Menghin nach der Befreiung Österreichs als Kriegsverbrecher verhaftet wurde und in US-amerikanischen Lagern interniert war, wo er gleich wieder Vorträge hielt, dann freikam und die erstbeste Gelegenheit nützen wollte, um das Land zu verlassen. Beim Versuch, nach Südamerika zu entkommen, wurde er in Genua festgenommen und nach Österreich zurückgebracht; erst beim zweiten Anlauf, so Blaschitz, sei ihm die illegale Ausreise nach Argentinien gelungen. Dagegen meint Marcelino Fontän, daß Menghin den Weg über Spanien genommen habe. Fontän verweist auf dessen „enge Beziehung“ zum Institut für Urgeschichte und Archäologie in Barcelona, die allerdings schon in den Jahren vor 1945 entstanden sein könnte, und darauf, daß urgeschichtliche Studien Menghins 1945 und 1949 in Madrid und Valladolid publiziert wurden. Kein Wunder — der „Nationalkatholismus“ war die herrschende Ideologie des Frankismus, vor allem nach der Entmachtung der Falange. Der Begriff freilich läßt sich da wie dort nur unter Anführungszeichen verwenden. So gehörte es zur Eigenschaft des spanischen Faschismus, Angehörige der eigenen Nation mit Hilfe von deutschen, italienischen und marokkanischen Legionären umzubringen, und die „national“ gesinnten Rudel von Österreichern wußten nichts Besseres zu tun, als die eigene Nation zu leugnen und zu zerstören. Marcelino Fontäns Hinweis auf Menghins Rehabilitation durch die österreichische Bundesregierung bedarf der Ergänzung: Otto H. Urban schreibt, daß das Verfahren gegen seinen Vorgänger 1956 eingestellt wurde, daß dieser zwei Jahre später mit einer Festschrift gewürdigt und kurz darauf zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Auf der Rektorentafel der Universität Wien steht bis heute der Name Oswaldus Menghin. Der seines ehemaligen Studenten Daniel Hopen dagegen ist nur auf der von Indice veröffentlichten Liste Verschleppter und Ermordeter zu finden, als 318. von 794 jüdischen Opfern der argentinischen Militärjunta. Beim ersten Lesen hatte mich Fontäns Bezug auf das Jahr 2000 verstört: der Aufstieg der Haiderpartei und ihr Regierungsbündnis mit der ÖVP waren meiner Meinung nach in keinen Zusammenhang mit Menghins bruchloser Karriere zu bringen. Nun, beim Wiederlesen und Übersetzen und beim Suchen nach hierzulande verbreiteten Informationen über den „nationalkatholischen“ Anthropologen will mir scheinen, daß die von diesem gesponnenen Fäden immer noch nicht durchschnitten sind. Als christlicher Kartellbruder und konservativer Kulturhistoriker kannte er keine Berührungsängste vor Rechtsextremen. So gesehen feiert Oswald Menghin tagtäglich seine Auferstehung. Das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland ist nicht aufgelöst und soll weitergeführt werden. Wie wir einem von Andrea Reiter (Southampton) redigierten PEN info Nr. 2/2002 entnehmen können, hat der Internationale PEN „den Versuch, das Zentrum zu schließen, es für tot, überflüssig, anachronistisch zu erklären, auf seiner Vollversammlung im September 2002 ... zurückgewiesen“. Der Präsident des International PEN unterrichtete in diesem Sinn die noch amtierenden Vorstandsmitglieder, Aliana Brodmann-von Richthofen und Erich Wolfgang Skwara, daß das Zentrum für „dormant“ erklärt sei, um den an einer Weiterführung interessierten Mitgliedern Gelegenheit für eine Reorganisation zu geben. Bekanntlich hatten Fritz Beer und Uwe Westphal (der frühere Präsident und der frühere Sekretär) im Frühjahr 2002 die Auflösung des Zentrums verkündet, gingen dabei aber nicht statutengemäß vor. Folgt man den Ausführungen von Chaim Noll (Jerusalem), hatte das deutsche PEN-Zentrum schon längere Zeit auf die Auflösung gedrungen, weil es „Interesse hatte, die unliebsame Konkurrenz zu eliminieren“. Immerhin hätten „85 deutsche Autoren den zwangsweise vereinigten deutschen PEN während der letzten Jahre verlassen“ und um Aufnahme in das für aufgelöst erklärte Zentrum gebeten. Die Reorganisation des Zentrums wird, außer von den bereits Genannten, u.a. von Gabrielle Alioth (Irland), Carsten Peter Thiede (Basel), Guy Stern (USA), Barbara Honigmann (Straßburg), Mariana Frank-Westheim (Mexiko), Alice Schwarz-Gardos (Israel), Peter Finkelgruen (BRD), Günter Kunert (BRD) unterstützt. Das Zentrum, das seinen Sitz bislang stets in London hatte, entstand 1946 aus den Mitgliedern des deutschen und des österreichischen Exil-PEN, die zwar weiter in deutscher Sprache schrieben, aber vorläufig oder auf Dauer aus begreiflichen Gründen nicht in die alte ‚Heimat’ zurückkehren wollten.Dazu kamen mit den Jahren eine Reihe von SchriftstellerInnen, die teils aus beruflichen, teils aus politischen und kulturellen Griinden die BRD oder die DDR verlassen hatten, so z.B. Arno Reinfrank, langjähriger Sekretär des Zentrums. (Auszüge aus seinen Erinnerungen an diese Tätigkeit werden wir bei nächster Gelegenheit in ZW veröffentlichen.) Die Fortexistenz eines Zentrums deutschsprachiger Autoren außerhalb des deutschen Sprachraums erinnerte fortwährend an die Ermordungen und Vertreibungen der NS-Zeit, war ein Ausdruck der tiefen Zerrissenheit Deutschlands und Österreichs, die, eine Folge der nationalsozialistischen Katastrophe, mit dem Wiederaufbau nicht aus der Welt geschaffen war. -K.K.