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Bukarerst der Jungen Generation vor, einer Intellektuellengruppierung, die schnell nach rechts abdriftet. Als Assistent Nae Ionescus, des akademischen Wortführers der Eisernen Garde und Bewunderers von Hitlerdeutschland, gerät er unter der sogenannten „Königsdiktatur“ 1938 in Haft, erhält Lehrverbot und trägt sich mit Auswanderungsplänen in die USA, als ob dort Horkheimer und Adorno auf ihn gewartet hätten. Kaum amnestiert Karl II. die Gardisten und wertet sie politisch auf, wird Eliade Kulturattaché an der Rumänischen Botschaft in London und gerät prompt auf die „black list“. Der kriegsbedingte Abbruch der Beziehungen zwischen London und Bukarest läßt ihn seine diplomatische Karriere in Lissabon fortsetzen, wo er die katholische Diktatur Salazars, den Estado Novo, als Bollwerk gegen die „anglo-bolschewistische Allianz“ feiert.‘ 1944 wendet sich das Blatt. Eliade wird aller Funktionen enthoben und sieht sich — abgrundtief frankophob — gezwungen, nach Paris zu gehen. Nach Bukarest konnte er nicht zuriick. Politische Vorbehalte und Eliades Kontakte zum Legionärsexil lassen den Centre National de Recherche Scientifigue, Frankreichs führende Forschungsinstitution, seinen Dossier ablehnen. Doch der Kalte Krieg öffnet ihm schließlich den Weg in die Staaten — wie vielen anderen. 1957 hat er es geschafft. Eliade ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Religionsgeschichte an der University of Chicago. Schaffen wird es auch Cioran, Jahrgang 1911 und dem siebenbürgischen Kulturraum entstammend. Germanophiles Mitglied der Jungen Generation, kommt er im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung in den Genuß eines Humboldt-Stipendiums und verfällt in seinen Beiträgen für die rechtsextreme Wochenzeitschrift Vremea Führerkult und Führerrausch. „Es gibt keinen Politiker in der heutigen Welt, der mir eine größere Sympathie und Bewunderung einflößt als Hitler,“ heißt es in der Nummer vom 15. Juli 1934. „|[...] Die Führermystik in Deutschland besteht voll zu Recht. [...] Wir alle brauchen eine Mystik.“ (134f.) Ciorans Briefe aus Deutschland (Scrisori din Germania) gipfeln in dem nach seiner Rückkehr offen zum Terror gegen die Juden aufrufenden Pamphlet Die Transfiguration Rumäniens.* Zu diesem Terror wird es fünf Jahre später kommen: während eines Putschversuches der Eisernen Garde, wo in Bukarest ermordete Juden an Fleischerhaken aufgehängt und mit der Aufschrift „koscher“ versehen werden. Ciorans Teilnahme am Pogrom ist unsicher; sicher aber ist, daß er sein zweites Auslandsstipendium, diesmal in Paris, unterbrochen hat, um bei Ausrufung des „Nationallegionären Staates“ im September 1940 nach Bukarest zurückzukehren und sich öffentlich zu exponieren — in der Hoffnung auf eine feste Stelle. Die bekommt er, wenn auch nur für vier Monate. Von Februar bis Anfang Juni 1941 ist Cioran Kulturattaché der Rumanischen Botschaft in Vichy, méglicherweise entlassen, weil die Legioniire bei der Hitler-Marionette Antonescu in Ungnade gefallen waren. In der Folgezeit scheint sich jener Gesinnungswandel anzudeuten, von dem Ionesco in seinem Brief an Vianu halbherzig spricht: Cioran bleibt in Frankreich und versucht gar, die Deportation seines israelitischen Landsmannes Benjamin Fondane (Benjamin Fundoianu alias Wechsler) nach Auschwitz zu verhindern (was nicht gelingt). Ciorans „Jugend“ aber wird das Pariser rumänische Exil mit Erfolg kaschieren — trotz der Versuche der jüdischen Emigration (Lucien Goldmann/Paris und Nicolas Tertulian/Heidelberg), Licht in eine Vergangenheit zu bringen, deren Beweislage sich durch den Eisernen Vorhang entzieht. Und Eugéne Ionesco, Jahrgang 1909? Auch er hatte trotz jüdischer Wurzeln Funktionen in Vichy — das ist die „Bombe“ des Buches von Laignel-Lavastine. Bekannt war Ionescos Ödipuskomplex, der Haß auf den rumänischen Vater, der die Mutter zur Scheidung zwingt und ihr das in Frankreich aufgewachsene Kind entreißt. In Bukarest wird sich Ionesco im Exil fühlen; sein Pariser Aufenthalt, gleichzeitig mit dem Ciorans, läßt ihn den „filozoful Ciorap“ (268), den „Sockenphilosophen“ (rumänisches Wortspiel: Cioran/ciorap) kategorisch meiden. Ionesco steht links, Cioran rechts. Wie kommt er dann aber nach Vichy, als Presseattaché und Botschaftssekretiir? Das französische Stipendium war 1940 ausgelaufen; seine Rückkehr in ein fanatisiertes Rumänien entwickelte sich zum Trauma mit Todesangst. (Ionescos Nashörner sind grün wie die Hemden der Eisernen Garde, die „Grünhemden“.) Trotz kriegsbedingt geschlossener Grenzen gelingt ihm 1942 die Ausreise - in der Uniform des Feindes, mehr wissen wir nicht! Aber wir wissen dank Alexandra Laignel-Lavastine, daß sich Ionesco im Vichy-Staat nichts, aber auch gar nichts hat zu Schulden kommen lassen. Reisewege sind Denkwege. Das, was Laignel-Lavastine die „Weltanschauung petite-nationale“ (55) nennt, beruht auf einem weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden ambivalenten Blick der Peripherie auf das metropolitane Europa, ein Blick, schwankend zwischen Faszination und Furcht. Die Angst um den Bestand der eigenen ethnischen Gemeinschaft, in Rumänien geschürt durch den enormen Minderheitenanteil, der dem Land mit den Verträgen von Trianon zufiel, sucht sich ihr Ventil in der Nachahmung der sogenannten „nationalen Revolutionen“ des Zentrums, Berlins mehr noch als Roms. Nachahmung heißt nicht Kopie. Die Verbindung von Ethnokratie und Orthodoxie, von „Rumänität“ (romänism, unter Ceauescu romänitate) und Spiritualität, kurz: von „völkischem“ Terror im Namen Gottes, stellt die spezifisch rumänische Variante des europäischen Faschismus dar. Hier liegt der politische Kern von Eliades religionsgeschichtlichem Interesse. Hier wurzelt seine Unterscheidung eines „kosmischen“ (primitiv-agrarischen) Christentums von einem „jüdisch-historischen“, seine von Nae lonescu übernommene Identifizierung des Organischen mit dem Orthodoxen, die Affinität zur „Rassenlehre‘‘ wie die Mystifikation der auf Seiten Francos im Spanischen Bürgerkrieg gefallenen rumänischen Nationalisten oder der auf Seiten Hitlers im „Heiligen Krieg“ gegen die Sowjetunion. „Nichts kann dauern, ohne daß das Opfer eines lebenden Wesens ‚zur Verfügung steht’“ (204), kommentiert der akademische Lehrer eine rumänische Legende und prakiziert damit vor Bukarester Studenten seine Form eines aktiven „Christentums“... Ciorans Rechtsextremismus ist nicht der Eliades. Ihn interessieren nicht Autochthonismus und Orthodoxie, sondern — Ernst Jünger ähnlich — Elitismus, Urbanität, technischer Fortschritt. Wie den deutschen Nationalsozialisten geht es ihm darum, der Linken das Monopol auf Modernität zu entreißen und in einer konservativen Revolution Rumänien zum ebenbürtigen Partner der „Achse“ zu machen. Cioran steht darin zwischen Eliade und Ionesco, der in seiner Jugend für Eliade nur Spott übrig hatte’ und Cioran ein (sich von Eugen Lovinescu herschreibendes) Modernitätskonzept entgegenhält, das das Land in eine Zivilgesellschaft nach französischem Vorbild überführen will. Dazu wird es nicht kommen, so daß „Ionesco dem transfigurierten Rumänien Ciorans das vom ideologischen Fanatismus defigurierte Rumänien gegenüberstellt.“ (243)