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deren Redaktion und Freundeskreis sich der UdSSR verbunden fühlte. In der Zeit von 1943 bis 1945 erschienen insgesamt 12 Hefte des deutschsprachigen Blättchens, für das auch Arnold Zweig, schrieb. 1949 bis 1950 trifft man Loewy wieder im Buchhandel an und ab 1950 ist er bis zur Remigration im Amt eines Bibliothekars und Archivars des Auslandspresseamtes der israelischen Regierung tätig. Spät erst, 1951, trat Loewy in die Kommunistische Partei Israels ein, zu einem Zeitpunkt, als ihn der Zustand der Partei bereits deprimierte und erhebliche Zweifel am Kommunismus ihn plagten. Hinzu kam seine Enttäuschung über die Entwicklung, die Israel nach 1948 nahm. Die grundsätzliche Lebensentscheidung für eine Rückkehr nach Deutschland stand damals eigentlich schon fest. Aber in welches Deutschland? Mag die Remigration Loewys 1956 auch durch manche politische Vorstellung motiviert gewesen sein, so lag es ihm doch fern, diese Rückkehr „anders als eine persönliche Option zu bewerten“. Seine autobiographischen Schriften belegen das. Die Frage, weshalb er und auch seine Frau Rega wieder nach Deutschland zurückgekommen waren, beantwortete er offen und ehrlich so: „Sie hat mit Sprache zu tun, aber auch mit Landschaft, dem Klima, dem Grün der Wälder, der Romantik alter Städte und (nicht ganz so alter) Bahnhöfe, mit Gefühlen also, die allein vielleicht wenig erklären, ohne die das übrige allerdings unerklärbar bleibt.“ Das eigentliche Rückkehrziel war die DDR, sahen die Loewys in ihr doch „jenes Deutschland, das das Erbe des Exils angetreten hatte“, aber deren Behörden verweigerten ihnen — ungeachtet mehrerer Empfehlungen, so z.B. durch Arnold Zweig — die Einreise. Vielleicht schwante den DDR-Gewaltigen bereits damals, daß Loewy kein Freund der „Dialektischen Aufklärung“, sondern ein engagierter Aufklärer war. Daß Lebenserfahrungen meist schmerzhafte Erfahrungen sind, wußte Loewy schon lange und so verband er diese mit der befreienden Einsicht, daß es nicht „unsere Hoffnung war, die im real existierenden Sozialismus Wirklichkeit geworden“ ist. 1957 ließ er sich mit seiner Familie in Frankfurt am Main nieder und saß als Linker und Jude, 14 zumal als Publizist, der sich — ausgerechnet - der Exilliteratur verschrieben hatte, im deutschen Wirtschaftswunderland rasch zwischen den Stühlen. Wen wunderte das in der frühen Bundesrepublik, wo ehemalige Parteigenossen der NSDAP in hohen und höchsten Ämtern saßen? Dank der Förderung von Hanns-Wilhelm Eppelsheimer, Gründer der Deutschen Bibliothek und Direktor der Frankfurter Städtischen Bibliotheken, fand Loewy nach monatelangen vergeblichen Bemühungen dennoch eine Stelle als Leiter der JudaicaSammlung der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek. 1960 erlangte er das „Begabtenabitur“, die mündliche Prüfung nahm Theodor W. Adorno über Thomas Mann ab, und er bestand die Prüfung zum Diplom-Bibliothekar. Zusammen mit seinem Onkel, Richard Errell, eigentlich Richard Levy, einem gefragten Werbegrafiker, der später als Publizist und Schriftsteller im Tessin lebte, gab Loewy 1961 Das Bilderbuch für Vergeßliche heraus, ein Buch, das, die Montage wirkungsvoll nutzend, zeigt, „was Deutschland war und aus ihm wurde“. Nebenher studierte Ernst Loewy an der Frankfurter Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Germanistik, Politikwissenschaft und Soziologie. Sein eigentliches berufliches Feld fand er von 1964 bis 1983; in dieser Zeit wirkte er als Referent im Deutschen Rundfunkarchiv, zudem war er Initiator des Projektes „Exil und Rundfunk“. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen weisen Loewy als einen Gelehrten aus, dessen Name schon heute in die Geschichte der Exilforschung eingegangen ist und in der Reihe der Großen dieses Genres einen festen Platz hat. Aus der stattlichen Anzahl seiner Publikationen kann an dieser Stelle nur auf eine Auswahl hingewiesen werden, deren Entstehung lediglich mit der Begrifflichkeit ,, Herkulesarbeit* zu definieren ist: 1966 erschien erstmals Literatur unterm Hakenkreuz. Das Dritte Reich und seine Dichtung, eine Arbeit, die sich kritisch und entlarvend mit der Literatur des Nationalsozialismus befaßt. Die Germanistik hatte sich bis dahin nicht des Themas bemächtigen wollen. Ein jahrelanges Quellenstudium ging dieser „Anthologie der Schande“ voraus. Mit der Dokumentation des NS-,,schöngeistigen Schrifttums“ legte Loewy ein unverzichtbares Standardwerk vor. 1979 veröffentlichte er unter Mitarbeit von Brigitte Grimm, Helga Nagel und Felix Schneider die beispielhafte Anthologie „Exil Literarische und politische Texte aus dem deutschen Exil 1933-1945“, ein Werk von über 1.200 Seiten umfaßt. 1986 erschien das von Loewy konzipierte und unter seiner Mitwirkung erstellte „Handbuch“ von Conrad Pütter, Rundfunk gegen das „Dritte Reich“, es handelt sich um das Resultat des Forschungsprojektes „Exil und Rundfunk“. Und - last not least — ein weiteres Zeugnis der Kärrnerarbeit ist der 1995 als Reprint erschienene und von Loewy herausgegebene Nachrichtenbrief 1984-1993 der Gesellschaft für Exilforschung, deren Vorsitzender von 1984-91 und dann Ehrenpräsident Loewy war. Früh beobachtete Loewy die bestehenden Defizite in der Exilforschung der beiden deutschen Staaten. In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten war man in der alten Bundesrepublik einer Thematisierung des Exils ostentativ ausgewichen, wenn man vom einsamen Wirken Walter A. Berendsohns und wenigen anderen einmal absieht. Eine wirkliche Veränderung der Situation trat erst durch von Hans-Albert Walters ab 1972 mehrbändig herusgekommene Deutsche Exilliteratur 1933-1950 ein. Anders sah es in der DDR aus, denn diese hatte, wie bereits erwähnt, das antifaschistische Exil wie auch den antifaschistischen Widerstand „zu einem von ihr