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Am 11. und 12. Oktober 2001 fand im Literaturhaus am Inn in Innsbruck das dritte Franz Kain Kolloquium statt, eine gemeinsame Veranstaltung des Literaturhauses am Inn und der Theodor Kramer Gesellschaft. Für spezielle Förderung des Kolloquiums danken wir dem Land Tirol, der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes, dem Land Oberösterreich und der Stadt Innsbruck. Nach den einleitenden Vorträgen von Erich Hackl und Wulf Kirsten, die das Werk und die Persönlichkeit Franz Kains würdigten, und Siglinde Bolbechers, die zur Thematisierung der Ohnmacht in der Exilliteratur sprach, diskutierten jeweils zwei der TeinehmerInnen aufgrund ihrer vorbereiteten Statements miteinander. Die Vorträge und die Statements sind in diesem Supplement zu 99. Zeitschrift des Neuen Forums Literatur und Zwischenwelt dokumentiert. Eingeladen wurde zu der Tagung mit den Worten: Sich über das Unrecht zu erregen, wäre auch dem Journalismus angemessen und geboten. Aber erst mit der Empörung gegen die Ohnmacht beginnt die Literatur. Haß und Kränkung bilden eine Kruste um das bittere Gefühl der Ohnmacht, das sich aus hilfloser Vereinsamung, vertaner Möglichkeit, versäumter Tat, brutaler Bedrängnis nährt. Vielleicht müßte Widerstand gerade dort ansetzen, wo wir uns ohnmächtig fühlen. Wer aber möchte folgen an diesen peinlichen, verachteten Ort? Dieses verwüstete „Neuland“? „Wer Neuland betritt, betritt neues Land. Es wird darauf ankommen, ob er dieses neue Land zum Blühen bringt, ob Menschen darin wohnen und einigermaßen anständig sterben können. Ein einziger Baum zählt mehr, als Wüste an Wüsten zu reihen.“ (Franz Kain, „Vom Wagnis, Geschichten zu schreiben“). Warum Franz Kain Kolloquium? 1999 Iuden die Initiatoren, Erich Hackl, Margit Kain, Konstantin Kaiser und Walter Wippersberg, erstmals zu einem Franz Kain Kolloquium mit dem Thema Möglichkeiten und Grenzen des Schreibens gegen des Faschismus ‚einst und jetzt’ nach Wien. Sie begründeten ihr Vorhaben mit den Worten: Erinnerlich ist Bertolt Brechts Geschichte von dem Herrn Egge, der den Agenten der Tyrannei wortlos bei sich aufnimmt und verköstigt und „Nein!“ erst sagt, als dieser verstorben ist. Die alte Frage war, ob man nach Faschismus und Nationalsozialismus einen Menschen in den Umrissen eines Österreichers darstellen kann. Franz Kain, geboren 1922 bei Bad Goisern in Oberösterreich, gestorben 1997 in Linz, wurde im „Ständestaat“ und im NS-Staat gleichermaßen als Widerstandskämpfer verfolgt. Im Gefängnis begann er zu schreiben. Man kann sein Werk neben das von Michael Guttenbrunner und das von Fred Wander stellen: Gemeinsam ist ihnen nicht nur die persönliche Erfahrung von Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit, sondern auch das Anschreiben gegen die physische und geistige Vernichtung, in und nach der NS-Zeit. 2000 folgte ein Kolloquium in Linz zum Thema Gegenwart und Abwesenheit des Mitleids in der Literatur. Wer hat sich bisher beteiligt? Außer den Initiatioren beteiligten sich bisher mit eigenen Beiträgen: Hans Augustin, Siglinde Bolbecher, Eugenie Kain, Wulf Kirsten, Walter Kohl, Anna Mitgutsch, Barbara Neuwirth, Vladimir Vertlib, Elisabeth Reichart, Andreas Tiefenbacher, Richard Wall, Erika Wimmer. Die Ergebnisse wurden in drei Supplements der Zeitschriften Zwischenwelt (Beilagen zu Nr. 3/1999 und Nr. 4/2001) und 99 publiziert; sie konfrontieren mit Grundproblemen des Schreibens heute. Voraussichtlich in Salzburg wird Ende Oktober 2003 das vierte Franz Kain Kolloquium zustande kommen, zum Thema Vertrauen in der Literatur. Erstes Gebot: Du sollst ein robustes Gedächtnis haben „Ihre schlechteste Eigenschaft?“ wird Franz Kain gefragt, und er antwortet: „Mein sehr gutes Gedächtnis.“ — „Ihre beste Eigenschaft?“ — „Mein sehr gutes Gedächtnis.“ Lange bevor er dies sagt, schreibt Franz Kain: „Für eine Handvoll Zigaretten ist man mittendrin in der Herzkammer der Weltgeschichte, man braucht dazu nur eine zarte Phantasie und ein robustes Gedächtnis.“ Vor etlichen Jahren stand in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ zu lesen: Der Steyrer Schriftsteller E.H. behauptet: In der Schule sind die Lehrer wie Elefanten auf mir herumgetrampelt. Dem Steyrer Schriftsteller E.H. ist es nicht zu blöd, eine Richtigstellung in die Zeitung zu geben. Er schreibt, eine solche Äußerung hat er nie getan. Stattdessen habe er gesagt: „Ich besitze das Gedächtnis eines Elefanten. Ich vergesse nicht erlittenes oder erlebtes Unrecht.“ Eine Elefantengeschichte: Im März 1971 erscheint im Steyrer Gymnasium die erste und (wie sich zeigen wird) einzige Nummer der Schülerzeitung „Courage“. In ihr finden sich Auszüge aus dem Kleinen Roten Schülerbuch, ein Interview mit dem Liedermacher Franz-Josef Degenhardt, ein Aufruf zur Ab39