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aber Ruth kam allein nach Palästina, ohne ihre beiden kleinen Kinder, die von den Nazis ermordet worden waren, und ohne ihren Mann, der bei der Zwangsarbeit in einer Kohlengrube einer Blutvergiftung erlegen war. Auch Davids Bruder Alfons, der Arzt und aus einem Gefangenenlager entkommen war, gelangte 1945 nach Palästina. Für David bestand weiter ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in der Schweiz. Nach 30 Jahren wurde es aufgehoben. Er und seine Frau konnten endlich die treuen Freunde und die Schweiz, für die er große Sympathie hegte, wiedersehen. David gründete mit seiner Frau und wunderbaren Partnerin Brura eine glückliche Familie mit der Tochter Mirjam und dem Sohn Mosche. Er lebte bescheiden und unauffällig in Ramat-Gan und arbeitete im Sicherheitsministerium in der Betreuung von Invaliden. Die Stadt Ramat-Gan hat einen kleinen Park nach ihm benannt, Petach-Tikwah eine Straße. Im Ben-Schemen Wald gibt es einen Waldteil mit dem Namen von David Frankfurter. Heute kennt nur eine begrenzte Zahl von Menschen diesen Namen, die Erinnerung an ihn ist verbunden mit der Zeitgeschichte des barbarischen 20. Jahrhunderts und sollte bewahrt werden. Rezensionen Wenn Fluten heile Welten wegschwemmen Carol Aschers Roman „Die Flut“ Daß Flutkatastrophen nicht allein die Existenzen der davon betroffenen Menschen bedrohen, sondern auch Regierungen regelrecht zum „Einsturz“ zwingen können, davon zeugte der vergangene Sommer. Auch in Carol Aschers Roman „Die Flut“ ist es eine solche Umweltkatastrophe, die politische Dämme aufweicht und den Blick auf die bigotte amerikanische Welt der Rassentrennung der fünfziger Jahre freigibt.Die fast zehnjährige Eva Hoffman ist die Tochter jüdischer Emigranten aus Wien in der Provinzstadt Topeka in Kansas. Während ihr Vater, ein Psychiater, Konflikten gerne durch die Hinwendung zur Kammermusik ausweicht und ihre Mutter aus Dankbarkeit gegenüber dem Asylland keinerlei Makel an den herrschenden Zuständen zu erkennen bereit ist, bleiben die Widersprüche ihrer Umwelt der sensiblen und unbefangenen Eva nicht verborgen. „Es war der Sommer, in dem ich am liebsten nur solche Fragen stellte, von denen ich glaubte, daß sie sehr schwer zu beantworten waren.“ Das Kind erfährt von der 60 schwarzen Putzfrau Mrs. Johnson, daß deren Kinder wegen der Rassentrennung in den Schulen nie dieselben Ausbildungschancen haben werden wie sie, und von dem Prozeß, den Reverend Brown gegen den Board of Education und die Segregation führt. Bei einem Kirchenbesuch mit ihrer Nachbarin Mrs. Rogers bekommt Eva die rassistischen und chauvinistischen Hetzreden des Pastors mit: „Freunde, wir leben in schrecklichen Zeiten. Die Menschen wollen das Silbertablett, sie wollen, was der Herr in all seiner Güte ihnen nie zugedacht! Neger wollen auf einmal weiß sein, Arme wollen reich sein, Frauen wollen Männer sein.“ Den dadurch aufkommenden Fragen des Mädchens gehen die Eltern’ und deren jüdischen Freunde aus dem Weg. Es scheint, als würde eine Diskussion über Segregation, Integration und Assimilation die Grenzen vorgegebener konventioneller Normen übersteigen: „Das Hochwasser bringt alle durcheinander. Wir sollten ein paar Takte spielen, irgend etwas streng nach Noten.“ Als die Flut mehrere Bezirke der Stadt iiberschwemmt hat, nimmt die Familie Flüchtlinge auf. Eva muß dabei nicht nur auf ihr Zimmer verzichten, sondern auch erleben, wie mit der Familie Williger der Ungeist des Rassenhases ins Haus kommt.Nicht bloß, daß Jolie, die Tochter der neuen Mitbewohner, die schwarze Putzfrau beschimpft, offenbaren die Willigers ungeniert ihre Vorurteile gegenüber Schwarzen und Juden. Daß ihre Eltern so tun, als wäre nichts geschehen, irritiert das junge Mädchen so sehr, daß sie auch zu ihnen auf Distanz geht.Die Autorin Carol Ascher ist — analog der Hauptfigur ihres Romans — die Tochter eines Wiener Vaters und einer Berliner Mutter, die selbst 1939 als Flüchtlinge in die Vereinigten Staaten kamen. Nach Studium am Barnard College und an der Columbia University ist sie heute Professorin für Pädagogik und Social Policy an der New York University. Ihr Forschungsschwerpunkt sind die Probleme farbiger Studenten in städtischen öffentlichen Schulen. Der Hintergrund des Romans hängt stark mit einem persönlichen Erlebnis aus der Kindheit der Autorin zusammen. Als zehnjähriges Mädchen entdeckt sie auf einer Reise nach Oklahoma in einem Bahnhof die Toilettenhinweise „Ladies“ und „Gentlemen“ wie auch „Colored Men“ und „Colored Women“. Diesen Umgang mit Vorurteilen und Intoleranz machte die Autorin zum Romanthema. In einem Interview meinte sie, sie wollte einen Roman schreiben, in welchem Vorurteile, die die Gesellschaft zu tolerieren gelernt hat, ebenso wie erschreckend offen gezeigte Ressentiments zum Ausdruck kommen sollten. Doch das ist ihr mit diesem Buch bedauerlicherweise nicht gelungen. Zwar ist es ein leiser Text, der auf Polemik bewußt verzichtet, aber zu sehr scheinen die Themen dadurch im Roman in ihrem konkreten Gehalt entschärft. Denn auf eindeutige und parteiische Aussagen zu diesen gesellschaftlichen Fragen und Problemen warten die LeserInnen vergeblich. Die Dialoge sind oft aussagekräftig. Zum einen liegt das an der Ich-Erzählerin Eva. Das zehnjährige Kind ist übertrieben altklug gezeichnet, worunter ihre kindlichen Attribute leiden und damit das unbefangene und sensible Wahrnehmen der widersprüchlichen Erwachsenenwelt nicht nur behindert wird, sondern es phasenweise schier unglaubwürdig werden läßt: „Ich fand es abenteuerlich, meinen robusten Geist in den Bann wunderlicher Gedanken, abseits des Normalen, ziehen zu lassen.‘ Zum anderen fehlt es den weiteren Personen — besonders den Eltern Evas — an Deutlichkeit und Ausdruckskraft; sie bleiben nicht selten plump und pathetisch: ,,Wie kann es das in Amerika geben, daß man die schwarzen Kinder absondert? Daß man sie in eine andere Schule schickt? Oder ihnen die Schule vielleicht gleich ganz verbietet?! Das haben die Nazis in Österreich gemacht! Alle Menschen sind gleich! Alle!“ Carol Ascher ist es hier leider nicht gelungen, die wichtigen Themen Flucht, Exil, Rassismus überzeugend zu behandeln, obgleich die Problematik der Integration von Flüchtlingen am Beispiel von Evas Eltern noch zu den gelungensten Stellen des Buches gehören. Zu wenig transparent werden die unterschiedlichen Positionen, die vordergriindig bis zu den offen rassistischen. Es sind so gut wie keine Unterschiede zwischen den Weltanschauungen und Grundeinstellungen von Kirche, Gesellschaft und Politik zu bemerken, zu oft wird eben bloß an der Oberfläche der Thematik gekratzt. Trivial wird der Roman an den Stellen, wo das Wasser allgemein oder der schlammige, hochwasserführende, über die Dämme tretende Fluß im speziellen als Allegorie für Segregation, Rassismus und Bigotterie und nicht selten für den Nationalsozialismus herhalten muß: „Hier ist es wie im Schwimmbecken im Gage Park, sagte Sarah hochzufrieden [...] Dann lachte Jolie auf. Ist es nicht [...] Weil wir hier mit Judennegern im Becken sind [...] Auf einmal war das Wasser trübe. Es lag so dreckig um mich herum wie die Abwasserbecken am Wasserwerk.“ Oder auch: „Vater nickte und schien sich zu sammeln, indem er auf den großen, graubraunen, glucksenden Fluß blickte, bevor er zu reden anfing. Wie schon gesagt, die Nazis sind einmarschiert [...].‘“ Diese offenkundigen erzählerischen Schwächen können letztlich auch nicht der Übersetzung aus dem Amerikanischen angekreidet werden. Carol Aschers Roman kann den Fluten nicht standhalten und verliert sich schließlich in ihnen. Michael Hansel Carol Ascher: Die Flut. Roman. Aus dem Amerikanischen von Sabine Illmer. Wien: Picus Verlag 2001. 235 S. Euro 18.90 (Osterreichische Exilbibliothek. Hg. von Ursula Seeber).