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Tätigkeit darstellte. Denn seine Bescheidenheit und sein zurückhaltendes Auftreten verrieten reichlich wenig von seiner titanischen Arbeit auf dem Gebieten der Literaturwissenschaft. Sein hauptsächliches Forschungsbereich war jüdische Literatur. Vorerst Forschungsassistent am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt, wurde Armin A. Wallas nach seiner beeindruckenden Habilitation im Jahre 2001 zum Dozenten und Universitätsprofessor ernannt. Seine Habilitationsschrift „Aspekte deutschsprachiger jüdischer Literatur im 20. Jahrhundert“ erregte Aufsehen. Was Armin A. Wallas in seinem kurzen Leben geleistet hat, ist erstaunlich. Dieser Einsatz von Wissen, Arbeitskraft und Hingabe sind schwer mit seiner Jugend in Einklang zu bringen. Außerdem erforderte das stetige Ringen um das Fortbestehen der „Mnemosyne“ und der gleichnamigen Edition viel Mühe. Zum Glück stand Armin die richtige Frau zur Seite, Arbeitskollegin und tatkräftige Helferin, die Germanistin Mag. Andrea Lauritsch. Vor zwei Jahren kam Andreas und Armins Sohn Zacharias zur Welt. Selbstverständlich sind die ersten Leidtragenden seines Todes seine Eltern, die Frau, mit der er sein Leben teilte, und sein kleiner Sohn. Auch die Kollegen von der Universität trauern um ihn. Am Tage seiner Bestattung wehte an der Klagenfurter Universität die schwarze Flagge. Sein frühzeitiger Tod war ein großer Verlust für die Universität, für Klagenfurt, für ganz Österreich. Doch auch in Israel, Tausende Kilometern entfernt, wollte man vorerst an sein Ableben nicht glauben. Man vermutete einen Irrtum, eine Namensverwechslung, bis die Bestätigung durch ein Schreiben Andrea Lauritschs kam. Auch Menschen, die ihn nur aus den Büchern kannten, hatten Tränen in den Augen. Wir in Israel, haben einen großen, treuen Freund verloren, einen Freund wie er heute kaum zu finden ist. Möge Armin in seiner heimatlichen Erde in Frieden ruhen! ZEIT-Schrift Mnemosyne und Edition Mnemosyne erhältlich über Andrea M. Lauritsch, c/o Institut für Germanistik, Universität Klagenfurt, Universitätsstr. 65-67, 9020 Klagenfurt, e-mail: armin.wallas@uni-klu.ac.at Wie werden sie sich von ihrem latenten Schuldgefühl befreien? Der „Antizionismus“ ist in dieser Hinsicht ein ungesuchter Glücksfall, denn er gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, Ja selbst die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar. Es wäre nicht länger nötig, sie zu bedauern; sie hätten ihr Los verdient. So entlasten sich unsere Zeitgenossen von ihrer Sorge. Denn alle Alibis sind recht, die es ihnen letztendlich gestatten, an etwas anderes zu denken. Vladimir Jankelevitch: Das Verzeihen. Frankfurt am Main 2003, S. 245. Am5. Januar 1943 verließ ich Budapest in Richtung Haifa. Ich war einer von 50 jüdischen Jugendlichen, denen gestattet worden war, aus Ungarn in das britische Mandatsgebiet Palästina zu fahren. Nach zwei Wochen abenteuerlicher Reise, durch Rumänien, Bulgarien, die Türkei, Syrien und den Libanon kamen wir am 19. Januar 1943 in Haifa an. Am 31. Januar ergab sich Feldmarschall Paulus mit 24 deutschen Generalen und 91.000 frierenden und hungrigen Männern in Stalingrad. Das war der Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Weniger bekannt ist die damalige Lage des Jischuv, der jüdischen Gemeinschaft in Erez Israel. Bemühungen des Zionismus, einen „neuen Menschen“ zu schaffen In einem Land, in dem „Zionismus“ und „Zionist“ in breiten Kreisen als Schimpfwort oder als synonym des Wortes Jude gebraucht wird, muß ich, wenn ich diesen Teil meiner Lebensgeschichte schildere, darauf eingehen, was damals - nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs — das Selbstverständnis einer zionistisch-sozialistischen Jugendbewegung war. Immer wieder wird betont, daß der Zionismus eine Reaktion auf den seit Ende des 19. Jahrhunderts in Mittel- und Osteuropa grassierenden Antisemitismus war. Das stimmt, doch es ist nicht alles. Der Zionismus wollte — wie andere revolutionäre Bewegungen, die in dieser Zeit entstanden sind - einen „neuen Menschen“ schaffen. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer breiten Säkularisierung, in deren Verlauf die meisten Juden in West- und Mitteleuropa ihre besondere jüdische Identität verloren und sich als Mitglieder einer Staatsnation und zum mosaischen Glauben zugehörig sahen. Die Juden in Osteuropa konnten diesen Weg nicht beschreiten, da die fehlende Emanzipation eine Assimilierung verhinderte. Außerdem lebten Juden in Osteuropa in geschlossenen Siedlungsgebieten und es bestand ein Zusammenhalt und eine Solidarität, die in Westeuropa im Verschwinden war. In Osteuropa blühte die hebräische und jiddische Kultur nicht nur unter den Zionisten, sondern auch unter den Anhängern des Bundes’, der großen jüdisch-sozialistischen Organisation, deren Ziel es war, eine Autonomie für Juden zu erringen. Insbesondere wurde in dieser Zeit eine beeindruckende Literatur in beiden Sprachen geschaffen, die nicht mehr religiös war und breite Kreise beeinflußte. In Österreich wird die wirklich wichtige Rolle des in Budapest geborenen, österreichischen Journalisten und Dramatikers Theodor Herz] bei der Gründung der zionistischen Bewegung betont. Nicht so bekannt ist, daß es bereits vor Herzl Denker wie Leon Pinsker? gab, die eine Lösung der „Judenfrage“ auf territorialer Basis suchten. Der Philosoph und Schriftsteller Ahad Ha’am? glaubte, die politisch-nationale Bewegung des Zionismus müsse mit einer geistigen Erneuerung einhergehen. Ahad Ha’am, der noch eine traditionell-jüdische Erziehung erhalten hatte, stellte sich einen neuen weltoffenen, liberalen und laizistischen, jedoch in 11