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ment, das nicht nur die ethischen Gebote enthielt, sondern auch unser Recht auf dieses Land betonte. Wir lernten die Geographie, die Flora und Fauna des Landes aufgrund des T’nach. Unsere Helden waren die Helden der Bibel. Der T’nach, das war der jüdische Beitrag zur Weltkultur. Die Feste, die wir feierten, waren keine religiösen Feste, sondern nationale beziehungsweise die Feste, die Juden vor zweitausend Jahren gefeiert hatten. Pessach war das Fest der Freiheit, wir feierten im Kibbuz den Seder-Abend mit unserer eigenen Hagada, und da wurden schon bald nach dem Krieg die Helden der Ghettoaufstände und des Partisanenkampfes erwähnt. Das Fest Schwuot (Pfingsten) war das Fest der ersten Früchte, Sukkot, das Laubhüttenfest, wurde auch als Erntefest begangen. Chanukka war das Fest des Lichtes und des jüdischen Heroismus. Begriffe aus der religiösen Sprache, wie „Kibbuz Glujot“, das Zusammenführen der Diaspora-Gemeinden, wurden zur politischen Forderung. Natürlich lernten wir während unserer Ausflüge das Land kennen und lieben. Es war für uns selbstverständlich, daß wir ein Recht auf dieses Land hatten und dieses Recht auch mit der Waffe in der Hand gegen diejenigen verteidigen würden, die uns dieses Recht absprechen wollten. Noch hofften wir, daß die Nachbarn uns akzeptieren würden. Denn viele unserer arabischen Nachbarn waren auch erst während der Zeit der britischen Mandatsherrschaft in das Land eingewandert, angezogen durch den einmaligen Aufschwung, den die jüdische Einwanderung gebracht hatte. Doch 1947-49 kam es anders. Wir mußten uns verteidigen und 6.000 junge Männer und Frauen fielen im Kampf um die Unabhängigkeit des jüdischen Staates, das war ein Prozent aller jüdischen Einwohner von Erez Israel. Die zionistische Arbeiterbewegung wurde von einer Generation von Politikern geleitet, die meistens aus kleinen Städten in Osteuropa kamen und selbst noch im Cheder und in einer Jeschiwa gelernt hatten. Sie fühlten sich als diejenigen, die eine alte jüdische Tradition fortsetzten. Auch wenn sie sich auf universelle Werte beriefen, waren sie tief in der jüdischen Kultur und Tradition verankert. Das gab ihnen das Gefühl der Selbstsicherheit. Die im Land geborene Generation, die Sabre, verspotteten oft genug diese älteren Führer, die lange Reden hielten und uns „Zionut“, d.h. Zionismus, predigten. Aber wir blickten zu Ben Gurion auf, der sich mit sicherem Instinkt nicht beirren ließ und am 14. Mai 1948 in Tel Aviv den demokratischen jüdischen Staat proklamierte. Nachschrift Es entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik, daß ich als 75jähriger im Land der Täter von gewissen Linken als „‚Zionist‘“ und „Kriegstreiber“ u.a. auch wegen meiner Dienstzeit in der israelischen Armee angegriffen werde. Und das von Leuten, die andererseits bereit sind, Holocaustleugnungen zu verharmlosen. Ich habe mich in Österreich durch Jahrzehnte mit linkem Antisemitismus befaßt. In Österreich will man diesen nicht zur Kenntnis nehmen, denn „nur dort steckt Antisemitismus drin, wo auch Antisemitismus draufsteht‘“. Antisemitismus — der sich zur Zeit als Antizionismus maskiert — schafft bis heute einen breiten Konsens in der österreichischen Gesellschaft, und die meisten österreichischen Linken möchten doch an diesem Konsens teilhaben. Das ist mit ein Grund, weshalb sie den Juden Auschwitz nicht verzeihen können (Henryk Broder). Juden haben dieser Gesellschaft ein Alibi zu geben. Wer aber die Frage nach dem Warum des österreichischen Antisemitismus auch in der Zweiten Republik stellt, der macht sich unbeliebt. Das wird wohl auch der Grund sein, weshalb die extrem Rechten und Teile der Linken in mir einen Reibebaum gefunden haben. Karl Pfeifers Beitrag beruht auf einem Vortrag, den er am 17. Dezember 2002 für die Ökologische Linke in Wien hielt. Anmerkungen 1 Der Bund, „Allgemeiner Yidischer Arbeter Bund in Lite, PoyIn un Rusland“, gegründet 1897, befürwortete die jiddische Sprache und trat für einen laizistischen Nationalismus in Osteuropa ein, in scharfem Gegensatz zum Zionismus. 2 Leon Pinsker (1821 - 1891), Arzt, publizierte 1882 unter dem Titel „Autoemanzipation, Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden“ seine Abrechnung mit den zur Assimilation neigenden westeuropäischen Juden und begründete die präzionistische „Hibat Zion“ Bewegung. 3 Ahad Ha’am bzw. Asher Ginsberg (1856 — 1927), zentrale Figur eines kulturellen und spirituellen Zionismus. Er kritisierte Herzl als zu stark „quasimessianistisch“ und warnte vor einer Desillusionierung durch ein Scheitern der durch Herzl geweckten übertriebener Hoffnungen. Er hoffte, durch die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina auch eine kulturelle Erneuerung der jüdischen Diaspora herbeiführen zu können. Ahad Ha’am beeinflußte insbesondere eine jüngere Generation von ZionistInnen wie den Dichter Hayyim Nahman Bialik oder Chaim Weizmann. 4 Josef Chaim Brenner (1881 — 1921), bedeutender hebräischer Schriftsteller, wurde von nationalistischen Arabern während einer sozialistischen Demonstration ermordet. 5 Derin Rußland geborene Aharon David Gordon (1856 —1922) wanderte selbst in Palästina ein, um dort in der Landwirtschaft zu arbeiten, da er von einer organischen Beziehung zwischen den Menschen, ihrem Land und ihrer Kultur träumte. 6 Betar (Brit Trumpeldor), 1923 in Riga gegründete rechte zionistische Jugendbewegung. 7 Plugot Machaz, Kommandotruppe der Hagana, die am 19.5. 1941 unter dem Eindruck des Vormarsches deutscher Truppen in Ägypten gegründet wurde. Die Einheiten des Palmach wurden 1948 in die israelische Armee integriert; der Stab des Palmach wurde am 7. November 1948 von Ben Gurion aufgelöst. 8 Zum österreichischen Antisemitismus, der sich nach der Befreiung insbesondere gegen die jüdischen Flüchtlinge aus Osteuropa richtete, vgl.: „Ich bin dafür die Sache in die Länge zu ziehen“. Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945-52 über die Entschädigung der Juden. Hg. von Robert Knight (1988). Sowie: Thomas Albrich: Exodus durch Österreich. Die jüdischen Flüchtlinge 19451948 (1987). Ehrung für Ernst Eisenmayer In Würdigung seiner großen Leistungen hat das Land Wien dem Maler und Bildhauer Ernst Eisenmayer das Goldene Verdienstzeichen verliehen. Im Frühjahr 2002 zeigte das Jüdische Museum der Stadt Wien eine von Gabriele Kohlbauer-Fritz kuratierte Retrospektive des Künstlers, der im Herbst eine kleinere Ausstellung in der ESRA folgte. - Die Redaktion ZW gratuliert. 15