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Er wies auf die Gefahr hin, die mit dem Hinausschieben der Drucklegung eines ersten Bandes verbunden war: immer mehr wurde von ihm selbst zurückgestellt, „da er ja als wirklich beständig Schaffender immerfort vorwärts geht [...] er könnte leicht ins Laufen und Rennen geraten“ und nichts würde bleiben. — Wie recht er hatte! Franz Janowitz lebte seit Herbst 1912 in Wien, nachdem er das ungeliebte Chemiestudium in Dresden abgebrochen und sich dem Philosophiestudium und der literarischen Arbeit zugewandt hatte. Schon in Dresden hatte er mit Vorarbeiten zu einer Dissertation über Otto Weininger begonnen, die er in Wien bei Friedrich Jodl, dem Lehrer Otto Weiningers, fortsetzte. Neben seinen philosophischen und kunsthistorischen Studien beschäftigten ihn auch seine eigenen literarischen Arbeiten, so stellte er für den Kurt Wolff Verlag, München, einen Lyrikband zusammen. Zudem war die Nähe zu Karl Kraus für ihn von großer Bedeutung, gehörte er doch wie auch sein Bruder Otto zum engeren Freundeskreis, mit dem er im Spätsommer 1913 auch am Lido in Venedig zusammentraf (Peter Altenberg, Adolf Loos u.a.). Anfang Oktober 1913 begann für Franz, den „unfreiwillig Einjährig Freiwilligen“, der Präsenzdienst beim k.k. II. Tiroler Landesschützenregiment in Bozen. Für ihn eine bittere Last, hätte er doch so gerne „auf alle Rechte der Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn zeitlebens verzichtet, wenn er des frechen Zwanges enthoben würde, Waffen zu tragen und sich zum Morden ausbilden zu lassen“, wie sich sein Bruder Hans erinnerte.'* Mit Kriegsbeginn wurde Franz sofort eingezogen, diente an der galizischen Front und machte die Schlacht bei Grodek vom 8.-11.9. 1914 mit, ein blutiger und verlustreicher Versuch, Lemberg wieder zu erobern." In einem Feldpostbrief vom September 1914 aus Galizien an die Eltern schrie er auf — nach späteren Mitteilungen seines Bruders Hans: „Ich bin kein Krieger, ein Krieger bin ich nicht!“ Seine Eindrücke zeigen sich auch in der erst 1915 entstandenen Lyrik, z.B. „Die galizischen Bäume“, die Kraus zu der Szene „Sprechende Erscheinungen: Der tote Wald“ in den „Letzten Tagen der Menschheit‘ bewogen haben. Ob Franz noch die zweite, ebenso erfolglose Offensive an der San-Front, die den russischen Belagerungsring um PrZemysl sprengen sollte, mitmachte, ist nicht klar. Anfang November war er an einem schweren Ruhrfieber erkrankt und mit einem Krankentransport nach Prag gebracht worden. Hier war er — seinen Tagebucheintragungen zufolge — mit mehrwöchigen Unterbrechungen, wo er daheim in Podébrad war, bis März 1915 im Garnisonsspital und wurde kriegsdienstuntauglich entlassen. Daher ging er nach Wien, um sein Studium wieder aufzunehmen und mit Kraus und Otto zusammen zu sein. Schon im Mai 1915 wurde er aber wieder eingezogen und in Enns beim Kader seines Regiments zu Kompaniediensten im Hinterland stationiert. Die Zeit bis November 1915 war für ihn eine gewaltige Schaffensperiode, für seinen Bruder Hans „ein Vorbote des frühen Endes“. August 1915 wurde er wieder „kriegsdiensttauglich“ erklärt (September 1915 Ernennung zum Leutnant in der Reserve) und an die Südfront versetzt, wo er auf der Hochfläche von Vielgereuth und Westplant, südlich von Trient, vom 21. November 1915 bis Mitte März 1916 als Zugskommandant den technischen Ausbau eines Stützpunktes leitete, der der geplanten Südtiroloffensive diente, die er dann auch mitmachen mußte. Mai/Juni 1916 führte er unter größten persönlichen Gefahren eine Nachrichtenpatrouille in vorderster Linie, brach aber beim Rückzug nach dieser vergeblichen und verlustreichen „Brandtaloffensive“ auf dem hochgelegenen Stützpunkt Mallasone vor Erschöpfung zusammen. Wenige Wochen der Erholung folg48 Brenner-Archiv, Universität Innsbruck ten. Wieder zurück an der Südtiroler Front, leitete er bis Mitte Oktober 1916 zeitweise als Kompaniekommandant den Stellungsausbau bei Foppiano, den Winter 1916/1917 verbrachte er im oberösterreichischen Hinterland in Linz. Wieder eine literarisch sehr intensive Zeit, in der die Aphorismenfolge „Das Reglement des Teufels“'* entstand, eine harte Abrechnung mit den kriegswütig Herrschenden aller Zeiten: Franz’ letztes Werk, seine letzte Aussage. Nur Kraus hatte es noch gewagt, in dieser Zeit so offen die Wahrheit zu sagen. Ab 7. Juli 1917 stand Franz wieder im Feld als Zugskommandant der 11. Kompanie zum Kaiserschützenbataillon 3/II Major Karl von Buols. Nach der elften erfolglosen Isonzoschlacht August/September 1917 drängte das k.k. Armeeoberkommando auf eine Entscheidung und hoffte mit Hilfe deutscher Verstärkung (1. Armeekorps-Heeresgruppe General Alfred Krauß) auf den Durchbruch. In dieser zwölften Schlacht am Isonzo, begonnen am 24. Oktober 1917, wurde Franz Janowitz schwer verwundet. Im Vormarsch wurde er durch italienisches Maschinengewehrfeuer in die Brust getroffen und von seinem Offiziersdiener Josef Greunz und von Sanitätern aus dem Gefecht geborgen, notdürftig versorgt und im Feldlazarett Unter-Breth, einem kleinen Dorf zwischen Flitsch und Tarvis, untergebracht. Am 28. Oktober gingen beruhigende Briefe an Eltern und Geschwister. Franz hoffte nach Klagenfurt und später nach Wien überführt zu werden, doch am 4. November erlag er seinen schweren Verletzungen. Nicht nur Otto und Hans, auch der Vater Gustav Janowitz benachrichtigten Kraus. Am 17.11. schrieb er aus Podébrad folgenden Brief an ihn (WStLB IN 145.468): ,,Werter