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IN 145.485) Kraus an, daß er auf eine Versetzung ins Kriegsministerium hoffe und dann mit Liegler” die Herausgabe eines Buches von Franz bewerkstelligen wolle. Dazu kam es nicht. Bald stellte sich auch der Familie Janowitz die Frage, ob Franz exhumiert werden solle. Otto, in der Zwischenzeit von der Front in Dalmatien abgezogen, schrieb am 9.5. 1918 aus Graz folgenden Brief an Kraus: Sehr geehrter Herr Kraus! Ich will Ihnen in Kürze über meine Fahrt nach Breth berichten. Ich habe dort anstatt eines — wenn nicht des Menschen und Dichters, so doch mit dem Kronenorden dekorierten Offiziers?' — würdigen Grabes einen wüsten Erd- und Steinhaufen vorgefunden, ohne Namens- oder sonstige Bezeichnung, dazu zwei einander widersprechende Friedhofsskizzen und Kataster der militärischen Gräberverwaltung, so daß um die Stelle, wo er liegt, mit Sicherheit zu bestimmen, eine Exhumierung vorgenommen werden müßte; nach dieser Feststellung ließ ich dann einen einfach geschmückten Grabhügel errichten. Lassen Sie mich die Einzelheiten dieser überaus traurigen Reise verschweigen. Sie seien „zu den Übrigen“ gelegt! Wann aber wird dieser Berg des „Übrigen“ so hoch angewachsen sein, daß die fröhliche Welt, von seinem Schatten überfallen, erschauerte? (WStLB IN 145.474) In Fackel Nr. 601-607 vom November 1922, S. 68-73, veröffentlichte Kraus die satirischen Texte „Krieg, Menschheit, Zeitungen“ von Karl Julius Weber („Demokritos‘“)”, die Franz in seinen letzten Lebensmonaten für die Fackel zusammengestellt hatte (bereits in den Vorlesungen vom 16.12. 1917 und 8.10. 1922 von Kraus vorgetragen) und in Fackel Nr. 691-696 vom Juli 1925, S. 3-14, „Das Reglement des Teufels“ von Franz Janowitz mit einer Vorbemerkung: Zum Gedenktag der elf Jahre, die seit dem Unvorstellbaren vergangen sind [...] wird hier die als Fragment hinterlassene Arbeit eines jener Seltenen und nicht mehr Vorhandenen veröffentlicht, deren Hingang das tiefste Mißtrauen in ein Fatum rechtfertigt, das den Ersatz nicht allein durch die wunderbare Errettung, sondern auch durch die rätselhafte Vermehrung von Geschmeiß bewerkstelligt hat. |... ] Die [... ] hier zum erstenmal gedruckten Aufzeichnungen (die demnächst auch im „Brenner“ erscheinen werden) [...] dürften von 1916 auf 1917 entstanden sein, im Vorgrab einer Leidenszeit, die der Dichter mit einer Pflichtergebenheit ertrug, die wenigen der zum Schandwerk von berufs wegen Verpflichteten nachzurühmen sein möchte. Im Folgenden griff er ohne Namensnennung Franz Werfel an, der in dieser Zeit im Kriegspressequartier den ihm gestellten Aufgaben, z.B. die Befreiung von Görz zu bedichten, gerecht wurde, heute „sämtliche Nachtkästchen des besseren Mittelstandes zwischen Berlin, Prag und Wien ziert“, aber für Franz Janowitz hätte „der gleichfalls gemeinsame Verleger [Kurt Wolff, München] noch kein buchhändlerisches Schaufenster gewonnen“. Es handelt sich um 38 inhaltlich zusammenhängende Aphorismen, dem Teufel in den Mund gelegt, der die Menschen, die „große Armee Gottes“ in ihrer Blindheit, Dummheit und Selbstüberheblichkeit längst für sich gewonnen hat und gegeneinander kämpfen läßt. Es muß bloß das Nationalgefühl der Völker gehoben und jedem einzelnen glaubhaft gemacht werden, zu Gottes Lieblingsnation zu gehören. Die Brüder Janowitz legten großen Wert auf die Veröffentlichung des Gesamtwerkes von Franz und so kam es in der Zeit zwischen 1920 und 1928 über die Vermittlung von Karl Kraus zu einem regen Kontakt mit Ludwig Ficker und dem Brenner Verlag.” Otto wollte jedoch den gesamten Nachlaß veröffent50 lichen und plante mit Ludwig Ficker und Karl Röck, dem ersten Herausgeber der Trakl-Gesamtausgabe, eine Herausgabe sämtlicher Werke, die er samt Vorarbeiten auch finanzierte. Röck fiel die Aufgabe zu, den Gesamtnachlaß zu sichten, für eine Ausgabe vorzubereiten und eine Subskriptionseinladung zu erstellen. Dafür faßte er Aphorismen von Franz Janowitz aus der Zeit von 1916/17 unter dem eher unpassenden Titel „Der Glaube und die Kunst‘ zusammen (nachzulesen in: Brenner Studien Bd. XI, Innsbruck, 1992, S. 125-133). Als sich nur 65 Subskribenden fanden, legte Röck die Arbeit zurück. Ficker gab sie an Franz Glück” weiter, der eben ein Buch über Adolf Loos im Brenner Verlag erscheinen ließ. Wieder hoffte Otto auf eine Publikation. Schließlich verlangte er den Nachlaß seines Bruders von Ficker zurück (Brief Ottos an Ficker vom 7.10. 1933 und 21.10. 1933, Brenner Archiv, Nachlaß Ludwig von Ficker, 20/447; 20/44-8). Bis 1938 befand sich nun der Nachlaß bei Otto in Wien, am 27.4. 1938 meldete er sich — wohnhaft Wien 3., Salesianergasse 16 — „unbekannten Ortes“ ab und ging vorerst mit seiner Frau Lia nach Trento, zu deren Mutter, Frau Erminia Tabarelli de Fatis. Einem handschriftlichen Brief an die Direktion der Staatsoper vom 25. März 1938 ist zu entnehmen, daß sich Otto zu seinen Verwandten nach Italien oder Böhmen begeben wollte, sich aber aus beruflichen Gründen zunächst für Italien entschied. Erst danach ging er nach Podébrad, wo sein Bruder Hans das väterliche Gut und die Fabrik übernommen hatte, um aber noch im gleichen Jahr nach London und schließlich in die USA zu emigrieren. Den Nachlaß seines Bruders Franz nahm er mit. Nach Aussagen seiner Gattin Lia (nach: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren, hg. von Murray G. Hall und Gerhard Renner, Wien, 1992, S. 122) muß der Nachlaß bei einem der zahlreichen Kellerbrände in ihrer New Yorker Wohnung zugrunde gegangen sein. Lia Janowitz, geb. Amalia Tabarelli de Fatis, am 29. April 1899 (oder 1898) in Riva del Garde geboren, war die Tochter von Pietro und Erminia Tabarelli de Fatis, geb. Bettini. Ihr Vater war österreichischer Gendarm. Lia wuchs in Wien bei ihrer Großmutter mütterlicherseits, einer Wienerin, auf und war den Angaben ihrer Familie zufolge Tänzerin oder Schauspielerin. Im Deutschen Bühnenjahrbuch” für 1921 und 1925 ist sie als Lia de Tabarelli, Schauspielerin, geführt. Am 30. Mai 1923 heiratete sie Otto Janowitz in Wien. Nach dem Tod ihres Mannes, 1965, lebte sie in einem privaten Künstlerheim in New York. Lia Janowitz verstarb 1988.” Die einzige Aussage über das Ehepaar Janowitz verdanke ich Signor Dott. Armando Tabarelli de Fatis. So sagt er über Otto: „Ho potuto cosi apprezzare la sua profonda cultura non solo nel campo musicale ma anche per l’arte e la storia. Un uomo affabile, pieno di umanitä.“ Und über Lia: „Lia era una donna ‚speciale’. Bella nei lineamenti e nel portamento, nel modo di gesticolare, di guardare. Era donna allegra, cölto e molto attenta.“ Otto Janowitz war für Karl Kraus als Musiker und Klavierbegleiter bei seinen Vorlesungen von größter Bedeutung, auch wenn er sich selbst immer in den Hintergrund stellte. Unmittelbar nach dem Krieg setzte Otto seine Musikstudien intensiv fort, vor allem bei Alexander von Zemlinsky in Prag und fürchtete nur, wieder — diesmal von tschechischer Seite - eingezogen zu werden, wie er in einem Brief an Kraus vom 26.9. 1919 (WStLB IN 145.494) beklagte. Mit 1.4. 1923” wurde Otto als Solokorrepetitor mit Ballettspielverpflichtung engagiert und er wurde auch für Opernkorrepetitionen, für Bühnendieste, zur Leitung der Bühnenmusiken bei diversen Opernproduktionen herangezogen. Gemeinsam mit dem Regisseur Prof. Dr. Lothar Wall