wirken von Komponist und Tänzer. „Tanzbar ist jene Musik,
die beim Anhören kontinuierlich dramatisch-visuelle Vorstel¬
lungen auslöst“, wobei die Intuition des Tänzers, des Cho¬
reographen entscheidend sei: denn gerade er habe die Fähigkeit
zu fühlen, wo Musik durch Tanzinterpretation in ihrer Wirkung
erhöht wird und den Instinkt, die ihr eigenen — bloß in der
Vorstellung existierenden - szenischen Vorgänge zu deuten, um¬
zusetzen und somit lebendig werden zu lassen. Es sei auch kein
Sakrileg, anspruchsvolle, klassische Musik zu verwenden. Es
gibt keine Musik, die der „Vertanzung“ unwürdig wäre, es kom¬
me bloß darauf an, wer eine Musik tanzt und zu welchem Zweck.
Diese ersten tanzwissenschaftlichen Bemühungen von Otto
Janowitz fallen in eine Zeit, in der man sich auf dieser Ebene
und von der Seite des Musikers aus betrachtet, mit Tanz noch
kaum beschäftigt hat, in der aber der klassische und vor allem
der klassische moderne Tanz unerhört an Bedeutung gewonnen
hat.
Über Ottos New Yorker Zeit ist noch weniger in Erfahrung
zu bringen. Seine Karriere konnte er, obwohl viel beschäftigt
als Musiker, Dirigent und Komponist, er soll sogar bei einer lo¬
kalen Rundfunkstation eine Sendung betreut haben (aus dem
Nachwort von Rolf Rieß zu Hans Janowitz’ „Jazz“, Bonn, 1999,
S. 132), nicht fortsetzen. Einer der wenigen, die sich noch sei¬
ner erinnerten, war der kürzlich verstorbene Walter Taussig,
Dirigent, geb. 1908, seit 1949 an der Metropolitan Opera in New
York, der in einem Brief vom 24.4. 1999 an die Verfasserin u.a.
schrieb:
Natürlich kannte ich Dr. Janowitz: er war ein besonders lie¬
ber Kollege und ein ausgezeichneter Musiker [...] Als Student
spielte ich eine Audition für ihn — er war bereits ein hochge¬
achteter Korrepetitor an der Wiener Staatsoper — bis heute be¬
halte ich in lebendiger Erinnerung, wie besonders nett und hilfs¬
bereit er war. Der nächste Kontakt war vor ziemlich vielen Jahren
an der New Yorker Metropolitan Opera, wo er durch eine Reihe
von Seasons im Orchester Celesta spielte; er schien eher we¬
niger glücklich.
Für die Tänzerin Jean Erdman hat Otto Janowitz ein Ballett
mit dem Titel „Passage“ komponiert: in der New York Public
Library, Research Libraries, Dance Collection, befindet sich das
Jean Erdman Video Project „Dance and myth: the world of Jean
Erdman, 3 parts“. In den Videoaufzeichnungen des ersten Teils
„Ihe early dances“ ist Otto Janowitz’ Ballett enthalten. In der
Gertrude Lippincott collection of ballet music (New York Public
Library) wird ein weiteres Werk erwähnt. In der Minnesota
Historical Society, Manuscript Collection, Gertrude Lawton
Lippincott Collection, findet sich noch ein undatiertes Werk von
Otto Janowitz: „Holy Thursday“.
Über die Künstlergewerkschaft New Yorks war Ottos Todes¬
datum zu erfahren: Mai 1965.
Und Hans Janowitz?
Sein Leben scheint in den 1920er und 1930er Jahren am spek¬
takulärsten und erfolgreichsten gewesen zu sein. Sein
Briefkontakt mit Kraus bestand seit 1912 (in der Handschrif¬
tensammlung der WStLB liegen zahlreiche Karten, Feldpost¬
karten, Telegramme und Briefe an Kraus) und ist dicht, spon¬
tan und zum Teil recht amüsant. Schwerpunkt ist die Zeit des
Ersten Weltkrieges und die 1920er Jahre. Von den Brüdern er¬
trug er den Militärdienst noch am ehesten, gehörte auch zum
Prager Literaturkreis, kannte sie alle und war mit Willi Haas be¬
freundet, aber von Kraus fasziniert und geprägt. So bemühte er
sich in seiner Berliner Zeit für Kraus Vorlesungen einzurich¬
ten; in einem Telegramm (WStLB IN 145.534) heißt es:
Erbitte Zustimmung für Berliner Aufführung Letzte Nacht
Herbst dieses Jahres Vorstellung außerhalb der Theaterbetriebe
in von uns zu mietendem Theater Übernehme gesamte Leitung
mit befreundetem Regisseur Carl Mayer dessen menschl. und
fachliche Eignung in Ihrem Sinne Herzlich grüßt Ihr Hans
Janowitz
Schon in den friihen Prager Jahren zeigte sich seine Pro¬
duktivität in Lyrik und Prosa, ein wilder, stürmischer Expres¬
sionist. Auch von ihm verlangte der Vater einen brotsichernden
Beruf: so sollte er sich in München jene Kenntnisse erwerben,
die ihn befähigten, das väterliche Gut und den Mühlenbetrieb
zu übernehmen. Ihn zog aber die Philosophie, die Literatur, das
Theater. Noch vor Kriegsbeginn, 1910, schob er das Einjährig¬
freiwilligen Jahr dazwischen, zog über Leipzig nach Hamburg,
wo er sich am Theater verdingte. Der Krieg machte ihn - und
hier stand er unter dem Einfluß von Karl Kraus — zum erbitterten
Kriegsgegner, obwohl er ihn als Oberleutnant — und nicht als
einfacher Soldat — miterlebte. In den folgenden turbulenten
1920er Jahren hatte er seine erfolgreichste Zeit. Zusammen mit
Carl Mayer schrieb er das Filmbuch des deutschen Expres¬
sionismus: „Das Kabinett des Dr. Caligari“. Absicht dieses Films
und seiner Autoren war die Kritik am autoritären Staatssystem
der Kriegsjahre, das die Menschen beherrschte und sie zu wil¬
lenlosen Marionetten degradierte — wie der Jahrmarktshyp¬
notiseur Dr. Caligari, der sein somnambules Medium Caesare
mißbraucht und es morden ließ. Fritz Lang, der zunächst die
Regie übernehmen sollte (später Robert Wiene), entschärfte die
Aussage, indem er das Verbrecherische in eine Rahmenhandlung
einbettete und der irren Phantasie eines Geisteskranken zu¬
schrieb. Caligari wurde zum gütigen Irrenhausdirektor, der die