OCR
Verrücktes Lied Was kümmert mich, was kümmert mich, ob sie mich morgen hängen! Noch lebe ich und hoffe ich, die Ketten doch zu sprengen! Vielleicht wird heute in der Nacht der Henker plötzlich umgebracht! Vielleicht beschließt der hohe Rat, es wäre um mein Köpfchen schad! (Gewiß, das ist’s ja in der Tat!) Ich will ihn nicht, ich will ihn nicht zu seinem Urteil drängen. In einem Tag, in einem Tag, kann mancherlei geschehen! Mit einem Schlag und ohne Frag’ der ganze Spuk verwehen. Was soll nicht schon gewesen sein? Vielleicht stürzt eine Mauer ein! Vielleicht auch rettet mich davon die langersehnte Rebellion! (Es wäre ziemlich dringend schon.) Das wollte ich , das wollte ich am wenigsten verschmähen! Ihr meint bedrückt, ich sei verrückt, so schnell kann sich nichts wenden. Nun denn — mißglückt! Nun denn — mißglückt. Dann eben muß ich eben enden! Heut aber pfeif ich doch mein Lied! Vielleicht... Wer weiß, was noch geschieht? Erst wenn der Strick den Atem nimmt, die schöne Welt vor mir verschwimmt, find ich mich ab — und dann bestimmt. Und winke euch, und winke euch noch einmal mit den Händen. Rebellenlied Schleppt uns johlend zum Schafott. Leiht den Bann von eurem Gott, nennt uns Mörder, Diebe. Pflanzt die schwarzen Galgenmäler uns zum Gruß in alle Täler! Kennen eure Liebe! Mauert uns in Keller ein. Kauft die Menge, werft den Stein. Prahlt mit eurer Stärke. Habt in vielen Zeitenläufen uns verbrannt auf Scheiterhäufen, uns und unsere Werke. Streut die Asche in den Wind. Das, was wir gewesen sind, zerrt durch eure Gossen. Aber wenn ihr meint, wir modern, werden wir noch immer lodern, lodern in Genossen. Schlagt uns hundertmal zuschanden. Leben doch in Niegekannten, müssen weiter werben, höhnend euer Blutgericht. Erst wenn letzte Willkür bricht, legen wir uns sterben. Mit freundlicher Genehmigung von Christian Hawle entnommen aus: Richard Zach: „Streut die Asche in den Wind“. Ausgewählte Gedichte. Hg. und eingeleitet von Christian Hawle. Stuttgart: Hans-Dieter Heinz Akademischer Verlag 1988. Am 17. August 1942 wurde Richard Zach vom Reichskriegsgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt und am 27. Jänner 1943 in Berlin hingerichtet. Im Urteil heißt es u.a., dass er der Hitlerjugend beitrat und, da „seine schriftstellerische Begabung auffiel, im Bannstab in Graz verwendet“ wurde. Dass Richard Zach einer nationalsozialistischen Organisation beitrat, hing mit dem Versuch der Unterwanderung — der Strategie des Trojanischen Pferdes — zusammen, die die Widerstandsgruppe um Zach bereits in der Zeit des Austrofaschismus angewandt hatte. Gemeinsam war der Kreis um Richard Zach 1936 der austrofaschistischen Organisation „Freiheitsbund“ beigetreten, wo sie innerhalb der Untergruppe im kulturell tätigen „Studentenarbeitsbund‘“ organisiert waren. Gleichzeitig versuchten sie mit dem „legalen Dach über dem Kopf“ weitere 70 Mitglieder für ihren marxistischen Arbeitskreis zu gewinnen. Diese Politik — von der die Polizeidirektion 1937 berichtete, ihr sei „die Mitteilung zugekommen, dass die kommunistische Partei und der kommunistische Jugendverband, den Beschlüssen des 7. Weltkongresses der Komintern entsprechend, trachtete, ihre Tätigkeit in legale Organisationen und Vereine zu verlegen“ — wurde von der Gruppe um Richard Zach auch nach dem „Anschluss“ 1938 weiter verfolgt. So trat Richard Zach selbst, nachdem er von der Wehrmacht wegen „Dienstuntauglichkeit“ entlassen und an der Grazer Hirtenschule als Lehrer angestellt worden war, der Hitlerjugend bei. Die Hitlerjugend - Graz Stadt gab bis Kriegsbeginn mit der Sowjetunion drei Ausgaben der Zeitschrift „Soldatenbrief der Hitlerjugend, Bann (545) GrazStadt“ heraus’, für die Richard Zach laut Impressum verantwortlich zeichnete, und fiir die er mehrere Gedichte verfasste.