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Nun ist auch bekannt, daß sich Hermann Broch sehr positiv zu Ihrem „Journal“ und zur Novelle „Das Ehepaar“ geäußert hat. Ja, das ist richtig, und lief über Egon Vietta”, mit dem ich anläßlich seines Amerika-Besuchs zusammentraf und mich gut verstanden habe. Der hat Broch diese beiden Texte gezeigt”, weil er eine ziemlich gute Meinung von mir hatte, desgleichen Heinz Politzer”’, der mir einen enthusiastischen Brief über das „Journal“ geschrieben hat.” Vietta hat also Broch meine Arbeiten vorgelegt und Broch hat sich dann brieflich ziemlich lobend dazu geäußert.” Er hat seinen Freund Robert Pick später noch mal nach mir gefragt, weil er sich für meinen literarischen Werdegang interessierte. Das wäre ja eigentlich eine Traum-Voraussetzung für eine Schriftstellerkarriere, so eine Unterstützung durch prominente Kollegen. Die Realität sah dann anders aus. 1954 kehren Sie auf den europäischen Kontinent zurück. Warum gerade nach Deutschland und nicht nach Österreich? Natürlich war ich durch mein Deutschland-Erlebnis 19451947, in das auch meine erste ganz große Liebe fiel, zunächst an Deutschland interessiert. Auch kam mir Deutschland geistig sehr aufgeschlossen vor. Ich fühlte mich als deutscher Schriftsteller österreichischer Nation oder österreichischer Schriftsteller deutscher Nation, auf jeden Fall hat mich Deutschland von der Kraft und von der Dynamik her angezogen, während ich Österreich damals, und das war es ja auch, als eher regional und provinziell empfunden habe. Da wollte man mich zwar, und hat mich gefragt, ob ich eventuell im Auswärtigen Amt eine Karriere machen wollte, aber das Konnte ich mir — obwohl ich mich beispielsweise mit Fritz Molden* gut verstanden habe — nicht vorstellen. Das Deutschland-Erlebnis war zu intensiv. In Deutschland waren Sie zuerst in Wiesbaden, und dann in München... Ja, ich hatte den bereits erwähnten Freund aus dem New Yorker Lycée Frangais, Gilbert de Goldschmidt, der spater Filmproduzent in Paris war, und in Wiesbaden einen Film produzierte. Fiir ihn habe ich die Ubersetzung eines leider nicht sehr erfolgreichen Films gemacht und sogar bei dem Film selbst als Regieassistent mitgearbeitet, sehr eng mit Joseph Cotten, den man ja aus dem ,,Dritten Mann“ kennt. Habe mich dann in Miinchen als selbständiger Schriftsteller versucht, wo mir immerhin zu Ohren kam, daß sich Hans Werner Richter von der „Gruppe 47“ für mich interessierte. Er hätte es aber nicht gewagt, mich zur Gruppe einzuladen, wohl wegen „Agnus Dei“, weil er befürchtete, so daß man mich dort so auseinandergenommen hätte, daß ich mich davon nicht mehr erholt hätte. Auseinandergenommen? Aus einem literarischen oder politischen Motiv? Wahrscheinlich beides, auf jeden Fall politisch, wegen dieser deutsch-französischen Liebesgeschichte, über die wir gesprochen haben. Also bin ich mit „Agnus Dei“ nicht durchgekommen. Eigentlich — aus der Retrospektive gesehen — ziemlich amüsant, denn auch Friedhelm Kemp vom Bayerischen Rundfunk hat die Geschichte entschieden abgelehnt, und mir dann viele Jahre später, nach der Veröffentlichung in „Literatur und Kritik“ (1978), mitgeteilt, es sei das Beste, was er jemals von einem ihm unbekannten Autor gelesen habe. Ich hatte das Gefühl gehabt, daß ich im letzten Teil von „Agnus Dei“ literarisch etwas erreicht hatte. Als das nicht anerkannt wurde, war ich dann schon resigniert. Nach Beendigung der Dreharbeiten in Wiesbaden bin ich übrigens mit Joseph Cotten und seiner Frau, die kurz darauf gestorben ist, nach München, wo mich mein Vater unterstützt hat, der mittlerweile in Düsseldorf lebte. In München habe ich dann einen später in England preisgekrönten Film (“Natur in Gefahr“ von Eugen Schumacher) ins Englische übersetzt, darüber hinaus ging nichts wirklich weiter, und so bin ich dann nach Düsseldorf gezogen. Und in Nordrhein-Westfalen hab ich dann angefangen, mich zum ersten Mal im Leben — da war ich immerhin schon über dreißig — wirtschaftlich zu betätigen, mit Stahl und so. Das war Ihr Brotberuf? Ja, und damit begannen die Dinge sich besser zu fügen. Ich habe ein französisches Hochofenwerk vertreten. Zu dem Job war ich gekommen, weil die so erfreut waren über die Art, wie ich Französisch gesprochen habe. In dieser Zeit habe ich Elisabeth Auler kennengelernt, die Kriegerwitwe war. Ich wollte zwar nie heiraten, aber war von ihr und ihrem Schicksal so beeindruckt, daß ich meine Hemmung überwand. Ich war dann viele Jahre sehr glücklich, nicht in Düsseldorf, aber auf der Insel, die diese Ehe gebildet hat. Und Sie haben neben Ihrem Brotberuf weiter Verschiedenes geschrieben, u.a. in der zweiten Hälfte der 50er Jahre Kritiken für den Westdeutschen Rundfunk, etwa über „Die Dämonen“ von Heimito von Doderer, den Sie dann auch persönlich kennengelernt haben.” Doch die Entdeckung Ihres eigenen Werkes kam dann erst recht spät in den 70er Jahren durch die Vertonung von international renommierten Komponisten, und zwar Vertonungen Ihrer Texte, u.a. durch Edison Denisov, Sofia Gubaidulina, Alfred Schnittke oder John Cage.j Was sind die Gründe, daß Ihr Werk relativ schmal geblieben ist? Ich meine die Veröffentlichungen. Wie würden Sie das selber deuten? Es ist, wie ich es beschrieben habe, so, daß ich ja nicht auf direktem Weg Autor werden konnte und zudem in Deutschland in einer Zeit geschrieben habe, die Brecht und ganz Adorno gehörte. Da ich dieser Strömung sozusagen diametral gegenüberstand, hatte ich ja eigentlich, ich sag das manchmal, fast eine Art Berufsverbot. Man ließ mich also gar nicht zum Zug kommen, so daß ich — das war ja vielleicht auch sehr gut so — gezwungen war, meine Existenz anders zu meistern. Ich hatte eine Frau, mittlerweile auch ein Kind, ein eigenes”, und meine Frau hatte auch eine Tochter aus erster Ehe mitgebracht, das war schon ein schwerer Existenzkampf. Aber, ein wenig spaßhaft gemeint, möchte ich auch zugeben, daß ich in den ersten fünf oder sechs Jahren kaum eine Zeile geschrieben habe, einfach weil ich so glücklich war. Und dann kam eben das Schreiben zurück, während mein Interesse an der Kultur freilich durchgängig weiterbestanden hatte. De facto habe ich aber nichts geschrieben, wozu noch fast eine Tragik hinzukommt, nämlich daß ich in Düsseldorf bis heute nur ganz schwer schreiben kann. Als ich vor einigen Jahren am Wörthersee war, da hat mich jeden Tag ein Gedicht überfallen. In Düsseldorf muß ich fast immer gegen mich selbst anschreiben, was — so banal das klingen mag — an der „meteorologischen Situation“ liegt. Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie schwer das bei einem Roman ist, mit dem man ohnehin ringt, wenn man seinen körperlichen und damit geistigen Pegel zu halten versucht. Dennoch muß ich Sie mit Ihren 81 Jahren, so gesund und vif Sie mir hier gegenüber sitzen, bewundern. Haben Sie in Ihrem hohen Alter die Hoffnung, daß Ihr Roman „Die Befreiung“ noch zur Veröffentlichung kommt? Das ist sehr schwer zu sagen. Der Roman ist ja immer noch nicht ganz überarbeitet, und natürlich möchte ich bis zum Abschluß ein gewisses Niveau halten. Just im Moment habe ich 25