„Ich bin der Bürgerkrieg. Ich bin der gute Krieg.“ In einem
Theaterstück des französischen Schriftstellers Henry de
Montherlant fällt dieser Satz, der einigermaßen paradox anmutet.
Denn im Bewußtsein der Menschen ist der Krieg zwischen
Bewohnern ein und desselben Landes besonders schrecklich:
weil er kein Ende nimmt, weil der Haß sich über Generationen
fortfrißt, weil der Feind das eigene Antlitz trägt. Brüder, die auf¬
einander schießen; Freunde, die einander Verrat vorwerfen;
Nachbarinnen, die einander anschwärzen. Solche Zustände sind
uns nicht unbekannt — entgegen anderslautender Behauptungen
ist der Februaraufstand 1934, der letztlich auch ein Bürgerkrieg
war, unserer Epoche zuzurechnen, und zwar einfach deshalb,
weil Leute leben, die ihn erfahren und erlitten haben. Die
Arroganz der Sieger, ihre Freude daran, die Besiegten zu demüti¬
gen, und deren Bedürfnis nach Vergeltung haben es vier Jahre
später Hitler besonders leicht gemacht, Österreich auszulöschen.
Dabei hat der Bürgerkrieg hierzulande nicht lange gedauert.
Die Zahl der Gefallenen und Gehenkten ist überschaubar. In
Spanien dagegen ging der Putschversuch Francos, am 18. Juli
1936, in einen bewaffneten Konflikt über, der im Frühjahr 1939
mit der Niederlage der Republik endete. Die Bilanz: eine hal¬
be Million Tote, eine Million Flüchtlinge. Franco starb im
November 1975. Bis dahin, und noch eineinhalb Jahre nach¬
her, war die Freiheit verbannt. Die Folgen sind noch heute zu
spüren — im chauvinistischen Getue der jetzigen Regierung, im
Terror der baskischen Freischärler, im oberflächlichen Erinne¬
rungskult.
Der Spanische Bürgerkrieg gilt als Generalprobe des Zwei¬
ten Weltkriegs. Tatsächlich erprobten Mussolini und Hitler in
Spanien ihr jeweiliges Waffenarsenal. Schwer vorstellbar, daß
es den aufständischen Militärs ohne ihre Hilfe — und ohne die
Nichtinterventionspolitik der demokratischen Staaten Frankreich
und Großbritannien — gelungen wäre, den Widerstand auf sei¬
ten der Loyalisten zu brechen. Aber der Krieg in Spanien war
auch ein Klassenkrieg und wurde von Anfang an auch so ver¬
standen — nicht nur von den Spaniern selbst: An die dreißig¬
tausend Freiwillige aus allen Kontinenten kämpften auf seiten
der rechtmäßigen Regierung, in den Internationalen Brigaden,
anfangs auch in rasch gebildeten Milizen der Arbeiterparteien
und Gewerkschaften. Daß die meisten von ihnen in Einklang
mit den politischen Interessen der Sowjetunion handelten, tut
hier nichts zur Sache. Immerhin verteidigten sie die Demokratie
und das Recht der Armen auf ein Leben in Würde. In diesem
Sinn trifft Montherlants Definition des „guten“ Kriegs auf den
Kampf in Spanien zu. Das heißt nicht, daß die Freiwilligen
kriegsbegeistert gewesen wären — es war, ganz im Gegenteil,
der Haß auf den Krieg, von dem zumindest meine Freunde un¬
ter den Spanienkämpfern erfüllt waren, egal ob Otto Dorfer oder
Ferdinand Hackl, Hans Landauer oder Gert Hoffmann, Harry
Spiegel oder Poldi Spira. Nie will ich die Worte vergessen, mit
denen Alois Peter, mehr als sechzig Jahre nach den Ereignissen,
seine Empfindungen ausgedrückt hat: „Was es da für Lieder gibt
vom schönen Soldatenleben, das ist doch lauter Holler! Das
schöne Soldatenleben ist ein Scheiß. Mist. Dreck. In der Früh
stehst du neben deinem Kameraden auf, und am Abend ist er
weg. Tot. Mit aufgerissenen Gedärmen. Oder verstümmelt. Aber
bitte, lassen wir das.“
Die Vermutung ist durchaus nicht abwegig, daß den
Republikanern viel Leid erspart geblieben wäre, wenn sie den
Francoputsch über sich hätten ergehen lassen. Wäre es also bes¬
ser gewesen, die Repression hinzunehmen, sich nicht aufzu¬
lehnen, das Unrecht zu schlucken, die Hilfe der internationa¬
len Freiwilligen zurückzuweisen? Eine absurde Frage, nicht des¬
halb, weil man im nachhinein immer klüger ist — noch besteht
zwischen uns Menschen die stille Übereinkunft, für das, was
wir als richtig erkannt haben, einzutreten. Doch die Losung der
Pasionaria, wonach es besser sei, stehend zu sterben, als auf den
Knien zu leben, mutet heute seltsam pathetisch an. Wir glau¬
ben zu wissen, daß es zwischen Aufrechtstehen und Knien noch
andere Haltungen gibt, daß es angebracht ist, Deckung zu su¬
chen, daß die Konjunktion des Entweder-Oder auch die Gram¬
matik des Unmenschen prägt. Aber deshalb ist sie noch nicht
falsch.
Das „Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer“ ist nicht
das erste Werk, in dem ein Überblick über den österreichischen
Anteil am Kampf gegen den Francofaschismus gegeben wird.
Lange vor Landauers akribischen Nachforschungen, die in die¬
sem Buch zusammengefaßt werden, hat ein anderer Spanien¬
kämpfer, Max Stern, einen schmalen Band über die Österrei¬
cher in den Internationalen Brigaden veröffentlicht. Stern ging
es vor allem um die propagandistische Wirkung, er arbeitete auf
schmaler Materialbasis, als kommunistischer Funktionär war
er weder an Parteilosen noch an Anarchisten oder antistalini¬
stischen Marxisten interessiert. Das ließe sich auch von Josef
Gradl behaupten, der allerdings penibel Listen österreichischer
Freiwilliger anlegte, auf Überlebende zuging, sie anschrieb, Fotos
und schriftliche Dokumente sammelte. Wie Stern beschränkte
er sich auf die Internationalen Brigaden. Und er hörte auf, wo
für Hans Landauer erst die Arbeit begann: in der Mühsal der
Detailforschung. Landauer erschloß zahlreiche Quellen in in¬
und ausländischen Archiven, vor allem auch in Spanien, er such¬
te nach Spuren internationaler Freiwilliger überall dort, wo sie
Halt gemacht oder gekämpft hatten, wo sich Spitäler und
Erholungsheime der Internationalen Brigaden befunden hatten,
wo Bücher und Urkunden auf Friedhöfen und in Standesämtern
weiterhelfen konnten.
Vor ein paar Monaten erzielte er in Wels, in einer Klasse von
Berufsschülern, einen Heiterkeitserfolg, als er auf die Frage, was
er nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau, 1945, gemacht
habe, antwortete: „Weil ich nichts Gescheites gelernt hab, bin
ich eben zur Polizei gegangen.“ Als Polizist hat er jedenfalls
viel gelernt — das Archiv, das er ab 1983 im Dokumentations¬
archiv des österreichischen Widerstandes aufgebaut hat, und das
Lexikon, das seine Forschungsarbeit bündelt, sind das Resultat
minutiöser Recherchen, die jedem Detektiv zur Ehre gereich¬
ten. Seine Arbeitsweise läßt sich mit jenen Sätzen beschreiben,
die er einst an den Beginn eines Aufsatzes über das Selbstver¬
ständnis des Kriminalisten gesetzt hatte: „Allgemein wird die
Meinung vertreten, daß der Kriminalbeamte, wenn eine Anzeige
erstattet wird, sich auf die Beine macht, um den Täter zu su¬