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waren also über die Ereignisse in Spanien informiert. Was aber noch wichtiger war: Von den Überbringern dieser Zeitungen konnte man auch den Weg nach Spanien erfahren. Ich bekam am 18. Juni 1937, am Bahnübergang der Lokalbahn Wien-Baden, zwischen Möllersdorf und Traiskirchen, von einem Kontaktmann 150 Schilling und als Anlaufadresse in Paris das Café Grison, in der rue d’ Alsace, wo ich mit dem sinnigen Losungswort ,,Café au lait et M. Max, svpl.“ Kontakt aufnehmen sollte. Dort wäre meine Reise fast zu Ende gewesen. Als ich Monsieur Max meinen Reißepaß vorlegte, griff er sich an den Kopf. „Herst, bist deppert, wir schicken doch keine Kinder noch Spanien — du mußt wieder heimfahren.“ Schließlich konnte ich Monsieur Max doch davon überzeugen, daß es für die Transportorganisation in Wien besser wäre, mich nach Spanien gehen zu lassen. Nun, warum dieses Buch. 1996 hatte die AICVAS (Associazione Italiana Combattenti Volontari Antifascisti di Spagna, Italienische Vereinigung der antifaschistischen Freiwilligen in Spanien) das Buch ,,Spagna nel nuostro cuoro“ (Spanien in umserem Herzen) herausgebracht. Dies war mein Vorbild und Ansporn zugleich. Bei der Arbeit habe ich an Franz Chladek gedacht. Schlossergehilfe aus Ottakring, ein echter Wiener „Spezi“, den auch die Spanier — und die waren ab Herbst 1937 in alle Interbrigaden bereits in der Mehrheit — ,,Don Beisser“ nannten. Er fiel am 5. September 1938 auf der Höhe 509, in der Sierra Pandols, zusammen mit Willy Heggenberg aus Aachen, durch einen Minenvolltreffer im MG-Unterstand. Franz Maizan, einer der Individualisten aus der Steiermark. Über sein Schicksal sind wir durch einen Brief, datiert „Quicene, den 25. Oktober 1936‘, der von der österreichischen Exekutive abgefangen wurde, informiert. Darin heißt es: Werte Familie Maizan! Nach unserem Versprechen als Freunde, im Falle einer Verwundung oder tödlichen Verletzung beiderseits die Angehörigen zu verständigen, habe ich die traurige Aufgabe, Euch als Eltern meines Freundes mitzuteilen, daß Franz Maizan am 20. Oktober 1936 durch einen Kopfschuß von meiner Seite gerissen und auf dem Transport ins Spital gestorben ist. Kleider vom Werte sind keine vorhanden. Sein Fahrrad steht in Ventimiglia Italien. Ortner, WIlly und Toni Aus diesem Brief wissen wir auch, dass zumindest er den Weg von Graz nach Ventimiglia, mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Das Lexikon gibt uns auch Auskunft darüber, daß österreichische Spanienkämpfer im Zweiten Weltkrieg in den Armeen der Alliierten und in der Resistance in Frankreich kämpften und starben und so zu dem in der Moskauer Deklaration geforderten eigenen Anstrengungen Österreichs für seine Befreiung beitrugen. Von ihrem Sterben in deutschen Konzentrationslagern künden Gedenktafeln in den KZ Dachau und Mauthausen. Hubert Mayr, ein Revolutionärer Sozialist aus Tirol, kam als Angehöriger der Special Operations Executive, einer englischen Spezialeinheit, kurz vor Kriegsende, ums Leben. Sein Vater, praktizierender Katholik, starb am 27. März 1940, im KZ Sachsenhausen. Er hatte am 11. Oktober 1939, im Gasthaus Windegg in Rinn den Kreisleiter nicht mit dem „Deutschen Gruß“ begrüßt und auf dessen Frage, warum er seine Kinder nicht in HJ und BDM schicke, geantwortet: „Die lasse ich nicht gehen, ich bin Katholik und nicht gottglaubig.“ (,,Gottglaubig“ war das, was die Nazis an die Stelle Christentums riicken wollten.) Eine Familie, zwei Opfer aus verschiedenen Griinden. Oder Anny und Hermann Peczenik. Sie zählten zu den österreichischen Spanienkämpfern SK die in der Zeit, die man als Nacht über Europa bezeichnen kann, zweifach gefährdet waren. Politisch und weil sie Juden waren. Anny fungierte im Jahre 1943, beim Aufbau der Wiener Parteileitung der KPÖ, als Kurier zwischen Paris und Wien. Nach ihrer Verhaftung wurde sie in das Frauen-KZ Ravensbrück eingeliefert und arbeitete im Außenkommando Polte, bei Magdeburg. Weihnachten 1944 wurde sie zur „Sonderbehandlung“, sprich Ermordung, nach Buchenwald gebracht. Anja Peczenik-Gardo], ihr Kind, besuchte mich vor einigen Wochen in unserem Archiv. Ihr Vater Hermann Peczenik war bereits am 20. Oktober 1942 in Auschwitz zu Tode gekommen. Wo Hugo Müller aus Linz, ein Neffe Richard Bernascheks, sein Ende fand, konnte ich bis dato nicht eruieren. Er wurde als Aufklärer mit dem Fallschirm über Deutschland abgesetzt und verschwand spurlos. Ludwig „Loui“ BEER, mein Freund und Partner beim Vokabel-Lernen im Lager Gurs, sehe ich heute noch, wie er am 20. Oktober 1944 nicht mehr mit seinem Arbeitskommando im Lager Dachau ausrücken durfte. Er stand neben dem Jourhaus und das war immer gefährlich. Am Abend war seine Karteikarte mit dem Vermerk „am 20.10. 44, um 11.00 Uhr verstorben“, versehen. Es wäre unverzeihlich, wenn ich nicht das Schicksal Josef „Martin“ Presterls und Paul Gassers erwähnte. Beide wurden Opfer einer pervertierten systemimmanenten Verfolgungspolitik in Jugoslawien. Sie starben 1948 unter den Schüssen eines Exekutionspelotons in Laibach, zusammen mit anderen jugoslawischen Spanienkämpfer, unter der Beschuldigung in Dachau Gestapo-Agenten und nach 1945 Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes gewesen zu sein. Es gibt aber noch eine andere Motivation, warum ich das Buch gemacht habe: Es ist faszinierend und irritierend zugleich, in seiner eigenen Geschichte zu recherchieren. Dabei kommt man nicht umhin, die Erkenntnisse professioneller Historiker zu lesen. Ich hatte manchmal das Gefühl, in einem anderen Krieg, zumindest aber in einer anderen militärischen Einheit, als die Internationalen Brigaden von diesen geschildert wurden, gewesen zu sein. Wenn z.B. der Papst der deutschsprachigen Spanienliteratur, Patrick von Zur Mühlen, in seinem Buch „Spanien war ihre Hoffnung“ (Dietz-Taschenbuchausgabe, S. 237) im Zusammenhang mit dem sogenannten Zweiten Einsatz 31