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ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT Der Verein Orpheus Trust ist in Erforschung und Dokumentation des vertriebenen Musiklebens, in Beratung und Informationsvermittlung sowie als Veranstalter tätig. In den Datenbanken finden sich Informationen über an die 5.000 verfolgte Musikschaffende sowie 10.000 Werke verfolgter Komponisten, weiters werden Nachlässe verwaltet, ein öffentlich zugängliches Archiv geboten sowie bisher über 200 Veranstaltungen organisiert. Mehr unter www.orpheustrust.at Nebenstehende Erklärung ist bereits von Hunderten Menschen unterzeichnet worden. Bitte schließen Sie sich an! Teilen Sie uns Ihre Zustimmung mit Name, Adresse und Unterschrift mit per Fax: +43 1 526 80 92 oder Post: Verein Orpheus Trust, Sigmundsgasse 11/3; A-1070 Wien. Wir freuen uns auf Ihr persönliches Statement auch unter unserer e-mail-Adresse: office@orpheustrust.at Herzlichen Dank! Der Verein Orpheus Trust ist seit seiner Gründung im Mai 1996 die einzige Institution Österreichs mit der Zielsetzung, der vom NS-Regime verfolgten Musik den ihr gebührenden Raum wiederzugeben und an die aus Österreich vertriebenen oder im KZ ermordeten Musiker, Komponisten, Musikverleger, -wissenschaftler und -publizisten zu erinnern. Aufgrund der mangelnden Förderung des Vereins Orpheus Trust durch die öffentliche Hand, die nicht mehr an Personalkosten gewährt als für eine Halbtagsstelle (er benötigt aber drei Ganztagsstellen um seine vielseitigen Aufgaben erfüllen zu können), ist der Weiterbestand des Vereins stark gefährdet. Ich halte den Orpheus Trust für eine gesellschafts- und kulturpolitisch unverzichtbare Einrichtung und fordere die Verantwortlichen der Republik Österreich und der Stadt Wien auf, diese für dieses Land und für sein Ansehen im Ausland zu erhalten und adäquat zu finanzieren. Es ist eine Frage, die sich jeder aufmerksame Hörer von Shostakowich’ Musik bereits gestellt hat: Warum sucht dieser nichtjüdische russische Komponist geradezu kontinuierlich, musikalische Bezüge zum Judentum herzustellen? Der vorliegende Sammelband bringt zahlreiche und ausführliche Antworten von Musikologen aus USA, England, Schweden, Deutschland, Israel und der Ukraine. Neben Beiträgen, die sich der allgemeinen Deutung der Fragestellung widmen (Kadja Grönke: „Für Judenfeinde bin ich wie ein Jud“. Rollenmasken und Identifikationen in der Musik Dmitri Shostakowich’; Izaly Zemtovsky: Shostakowich und der Jiddischsmus in der Musik) stehen Aufsätze, die Einzelanalysen bringen (Dethlef Arnemann: Der jüdische Tanz in Shostakowich’ Erstem Violinkonzert op 77 — ein Tanz gegen den Tod?; Gerhard Miiller: Die Dreizehnte Symphonie) oder die Beziehungen Shostakovich’ zu unbekannteren, jiidischen Komponisten behandeln bzw. vergleichende Studien ihrer Werke betreiben (Per Skans: Mieczyslaw Weinberg — ein bescheidener Kollege; Sigrid Neef: „Glory“ oder „gorje“ — Das jüdische Element in Shostakowish’ Opern unter Einbeziehung von Flejschmans Oper Rothschilds Geige; Nelly Kravets: From The Jewish Folk Peotry of Shostakovich and Jewish Songs Op.17 of Weinberg: Music and Power). Weiters finden sich einige kleinere Texte von Shostakovitch selbst und ein Abdruck der „Anordnung Nr. 17“ der Regierung der UdSSR über das Aufführungsverbot einzelner Musikwerke sowjetischer Komponisten von 1948. Immer wieder tauchen zwei Namen auf: Chagall und Mahler. So schreibt Vladimir Zak, man verstehe „den russischen Realisten Shostakowich viel besser, wenn man sich die Kunst des jüdischen ‚Märchenerzählers‘ Marc Chagall vor Augen hält.“ (S.56) Die Bemerkung trifft intuitiv die formale Problematik von Shostakowich’ Musik — und wird von manchen Einzelanalysen des Bandes im Musikalischen indirekt bestätigt: Die Hinwendung zu bestimmten jüdischen Musiktraditionen erlaubte noch unmittelbare Einheit der Gestaltung und darin mitunter ungebrochene Aufnahme überkommener Ausdruckselemente, wie sie in der musikalischen Moderne fragwürdig geworden waren. Aber bei dem jüdischen Maler, der assoziiert wird, handelt es sich um eine ebenso traumhafte wie utopisch gewordene Erinnerung an soziale, familiäre Bindungen der eigenen Herkunft, die in der Gegenwart in surrealen Formen erscheinen muß; bei dem nicht-jüdischen Komponisten hingegen um Mittel musikalischer Identifikation, um einen letzten Halt angesichts eines immer repressiver werdenden Staats: der Surrealismus seiner Musik zwingt sich zur friedlichen Koexistenz mit dem sozialistischen Realismus. Zak erinnert sich an den „gedankenvollen Hinweis‘ des Komponisten, „daß die Juden es schließlich gelernt hätten, Verzweiflung in ihren Tänzen zu sublimieren.“ (S.64) Darin liegt die Affinität, die sich an Shostakowich’ Musik erkennen läßt: die eigene Verzweiflung über den Staat zu sublimieren, der sich immer mehr zum Gegenteil dessen entwickelte, was die Oktoberrevolution zu versprechen schien. Shostakowich, so Kadja Grönke, spricht „in der Phase zwischen 1948 und 1960 unter der Maske des Jüdischen vor allem von seinen Leiderfahrungen im Stalinismus (...).“ (S.148) Da dieser Staat aber auch das reale Leben der Juden und Jüdinnen zunehmend bedrohte, indem er antisemitische Ressentiments der Bevölkerung zu nutzen versuchte, kann der sowjetische Komponist in der Sublimierung der eigenen Verzweiflung auch etwas von der Situation der Judentums in der Sowjetunion zum Ausdruck bringen: am deutlichsten in der Vertonung von Jewgenij Jewtushenkows Gedichten, darunter jenes über Babij Jar, in der Dreizehnten Symphonie. In der Direktheit dieses Bezugs ist Shostakovich aber auch am weitesten entfernt von jenem Komponisten, dem er sich selbst so nahe fühlte: von Gustav Mahler. Während seine Musik die positive Identifikation mit dem Judentum sucht, um noch ein41