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sich sehr von früheren eher verhüllten, aber deshalb weitaus sinnlicheren Passagen abhebt, vermutlich eine Art „umgekehrten Exotismus“ wagen, den Europäern mit krudem „Okzidentalismus“ die „orientalistische Schwärmerei“ heimzahlen wollte. Assia Djebar wird als „Grande Dame des Maghreb“ oder die „weibliche maghrebinische Stimme“ bezeichnet. In früheren Jahren warfen ihr Kritiker mangelndes soziales Engagement vor. Auf eine literarische Weise ist Engagement aber durchaus vorhanden, auch wenn die Welt der Arbeit in ihren Büchern wenig Raum findet. Ihre Aufarbeitung der kolonialen und post-kolonialen Geschichte, ihre Suche nach persönlichen und historischen Wurzeln, das schmerzliche Verhältnis zur Sprache könnte man in dem Zitat der unglücklichen Bildhauerin Camille Claudel zusammenfassen, mit dem Assia Djebar ihren letzten Roman beschließt: „Es gibt immer etwas Abwesendes, das mich quält.“ Die meisten Bücher Assia Djebars sind im Unions-Verlag Zürich erschienen: Die Ungeduldigen (2000, Erstausgabe 1959), aus dem Französischen von Wilhelm Maria Lüsberg, 240 S. Fantasia (1990), aus dem Französischen von Inge M. Artl, 336 S. Die Schattenkönigin (1988), aus dem Französischen von Inge M. Artl, 224 S. Die Frauen von Algier (1994), aus dem Franzésischen von Alexandra von Reinhardt, 192 S. Fern von Medina (1994), aus dem Französischen von Hans Thill, 400 S. Weit ist mein Gefängnis (1997), aus dem Französischen von Hans Thill, 384 S. Weißes Algerien (1996), aus dem Französischen von Hans Thill, 280 S. Nächte in Straßburg, aus dem Französischen von Beate Thill, 290 S. Verstreutes „Penetrantes Gutmenschentum‘“. — Der Ausdruck wurde von einer österreichischen Schriftstellerin in der Besprechung des Buches einer anderen österreichischen Schriftstellerin verwendet. Letztere hatte einen Roman geschrieben, in dem sich der Lebensgefährte von der Protagonistin und ihrem „penetranten Gutmenschentum“ (im Einsatz für in Österreich Asyl Suchende) abwendet, was die Rezensentin nur zu gut verstehen kann. Ich persönlich bin außerhalb der Phrase noch kaum einem „Gutmenschen“ begegnet, wohl aber penetranten Leuten, und diesen haufenweise, die nicht ,,moralinsauer“ und „political correct“ und schon gar nicht „Gutmenschen“ sein wollten. Sie trugen das Bekenntnis, keine Gutmenschen sein zu wollen, meist mit moralischer Erbitterung vor. Den moralisierenden Eindruck, den sie auf mich machen, können sie auch mit der strikten Weigerung, auf das Gebiet des Moralischen einen Gedanken zu verschwenden, der über die Betriebspsychologie ihrer Beziehungen hinausgeht, nicht verwischen. Dabei fällt mir ein, daß österreichische Schriftsteller vor einigen Jahren darüber diskutierten, ob in der Literatur nicht auch die Lüge einen Heimatschein erhalten solle. Manche gebärdeten sich damals, als wäre ihnen die Wahrheit nicht Wahrheit, sondern unerträgliche Pflicht. Wem schon die Wahrheit keine Freude macht, wird sein Glück in der Lüge nicht finden. Im Orchester der Nationen Für Jerica Mrzel Gar zu groß sind meines Volkes existentielle Sorgen: was es gestern regeln wollte, regelt es wohl auch nicht morgen. Im Orchester der Nationen ist es — lautlos — ohne Zweifel unter Trommeln und Trompeten lächerliches letztes Pfeifel. Wird‘s von einem Komponisten für die Oper auserkoren, ist es leider Gottes hörbar nur für feinst gespitzte Ohren. 29.12. 1990 Wem gehört denn unsre Erde hier? Besiedelt haben Slawen dieses Erdenstück, als Heiden noch bestellten sie ihr Paradies. Der deutsche Christ stieß später auf ihr Glück, nahm‘s Land, das Kreuz war, was er ließ. Der Nordwind läßt erbärmlich uns verkümmern, Verlust der Sprache drängt uns an den Rand, ob wir dagegen beten, fluchen, wimmern — doch wem gehört schon rechtlich dieses Land? Ein jeder aus der Erde wird geboren, ein jeder kehrt in ihren Schoß zurück, wer jätet, gräbt auf ihren Fluten, dem schenke sie zeitlebens Ernteglück. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Drava Verlages aus Janko Messner: Gedichte/Pesmi/Canti. Ins Deutsche übersetzt von Josef Strutz und Janko Messner. Klagenfurt 1996. 21