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Das, was zwischen unserer Hausfront und der Straße lag, nannten meine Frau und ich euphemistisch „Garten“. So klein das grasbewachsene, aber blumenfeindliche Stück war, es erregte doch die Aufmerksamkeit vorüberziehender Gärtner. „Gras schneiden?“ fragte mancher. Die Annahme seines Angebotes beantwortete er mit dem Versprechen „Morgen komme ich mit meinem Werkzeug“ und ward nie mehr gesehen. Ein einziger kam am nächsten Tage mit seinem Werkzeug, einem Schaf. „Nichts Besseres für einen Garten“, erklärte er uns. „Lässt das Gras nie zu hoch wachsen. Es wird Ihren Garten in Ordnung bringen.“ Wir glaubten ihm, aber meine Frau hatte einen Einwand: „Mit einer Sichel macht man das in einer Viertelstunde. Wie lange braucht ein Schaf?“ „Länger“, gab der Eigentümer des sympathischen Tieres, das schon zu knabbern begann, zu. „Darum mache ich Ihnen einen Vorschlag: ich vermiete Ihnen dieses Schaf. Sie zahlen mir jeden Monat die Miete und das Schaf hält das ganze Jahr lang den Garten in Ordnung.“ Wir hatten jedoch keine Unterkunft für diesen Gärtner, und ihn nachts angebunden vor dem Hause zu lassen, hätte bedeutet, ihn am nächsten Morgen nicht mehr vorzufinden. Das sah auch sein Eigentümer ein. Er bedauerte, wir bedauerten, nicht ohne Worte der Bewunderung für seinen Gehilfen, der sich nur ungern von unserem kleinen Rasen trennte. Ungehindert wuchs das Gras weiter, bis das Unverhoffte eintrat. Ein Gärtner, der auf die Frage „Gras schneiden?“ unsere Zustimmung erhalten hatte, hatte eine Sichel bei sich, begann sofort zu arbeiten und brachte in einer halben Stunde das Gras auf Normalhöhe. Den Kopf seitlich gelegt, prüfte er sorgfältig, ob nicht ein paar Halme sich der Gleichmachung entzogen hatten, korrigierte da und dort, nahm dann seinen Lohn entgegen und erbat eine alte Zeitung, um das abgeschnittene Gras für ein befreundetes Pferd mitzunehmen. Er versprach, in vier bis sechs Wochen wiederzukommen. Zu unserem Erstaunen hielt er Wort. Ein älterer Mann, grau, mit grauem Schnurrbart, alle paar Wochen kam er, redete nicht viel, verrichtete seine Arbeit, nahm das Geld, wickelte das Gras in Zeitungspapier und ging. „Unser Gartenfriseur ist da“, meldete Erni eines Tages. „Er fragt, ob wir nicht ein Paar alte Schuhe für ihn hätten. Was er an den Füßen trägt, kann man nicht mehr Schuhe nennen.“ Ich suchte ein Paar heraus, nicht mehr sehr elegant, aber fest und unbeschädigt. Er stellte sie zur Seite und arbeitete weiter. Als danach der Augenblick gekommen war, sie anzuziehen, streifte er die Lederruinen, die er trug, ab — und zögerte. Nachdenklich betrachtete er die neuen Schuhe, ging zur Wasserleitung und wusch sich die Füße. Erst danach waren sie des kostbaren Geschenkes würdig. Vom Fenster meines Arbeitszimmers sah ich ihn wenige Tage später im Garten graben. Was trieb er da, er war doch eben erst hier gewesen? Ich ging hinaus zu ihm, er sah mich lächelnd an. „Ja, ja, Sie haben mich nicht gerufen und ich bin schon wieder da. Schauen Sie hierher!“ Er deutete auf ein ganz kleines Bäumchen. „Ich habe einen limonero eingesetzt, ein Zitronenbäumchen. Ich schenke es Ihnen.“ „Sie schenken es uns? Aber warum denn?“ „Weil Sie mir diese herrlichen Schuhe gegeben haben. Das 32 Bäumchen schenke ich Ihnen zum Zeichen meiner Dankbarkeit.“ Ablehnen durfte ich nicht, also rief ich meine Frau, zeigte ihr das Bäumchen und erklärte, während der Gärtner strahlend und zufrieden zuhörte, was es bedeute. Sie war entzückt, wir bedankten uns tief bewegt. Während der nächsten Tage sprachen wir mehrmals von unserem Gärtner und dem limonero. „Wann wird er Früchte tragen?“ wollte ich wissen. „Das dürfte ziemlich egal sein“, meinte Erni. „Man sieht ihn von der Straße aus, er steht geradezu griffbereit da, ich glaube nicht, dass für uns viele Zitronen übrig bleiben würden.“ Eine Woche später erblickte ich wieder vom Fenster aus unsern Gärtner, doch konnte ich kaum glauben was ich sah: Er grub das Zitronenbäumchen aus. Ich ging zu ihm, wir begrüßten einander herzlich und ich fragte, was er da mache. „Ich grabe den limonero aus“, sagte er mit ruhigem Lächeln. Ein Kunde hat einen limonero bestellt, und dieser ist der einzige, den ich habe." „Aber wieso haben Sie ihn? Sie haben ihn doch uns geschenkt“, beharrte ich verständnislos. Er versuchte, mir die Sache klar zu machen. „Es ist so, sefior: Mein Kunde will ein Zitronenbäumchen. Ich habe nur dieses, bringe es ihm, er bezahlt den Preis, damit kann ich mir einen anderen limonero beschaffen und es bleibt noch etwas übrig fürs Essen.“ „Ach so, jetzt verstehe ich“, rief ich. „Den anderen limonero, den wollen Sie dann uns bringen, nicht wahr?“ „Wollen Sie einen bestellen?“ „Nein — wieso — ich meine nur, weil Sie uns doch einen geschenkt haben —“ Er sah mich ratlos an, dann begann er von neuem: „Sie haben mir doch diese prachtvollen Schuhe geschenkt. Stimmt‘s?“ — ,,Ja.“ „Das kann ich nicht einfach annehmen, einfach nur so. Das Bäumchen habe ich Ihnen gebracht, um Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen. Das verstehen Sie doch.“ „Jawohl, so war es.“ „Habe ich sie Ihnen bewiesen?“ „Oh ja, das haben Sie!“ „Wozu also brauchen Sie noch das Bäumchen?“ Ich wusste nichts zu sagen und bot offenbar ein Bild so vollkommener Verblödung, dass er auf eine Antwort verzichtete und weitersprach: „Seäor, es ist das Zeichen meiner Dankbarkeit. Ich nehme ja nur das Bäumchen mit, das Zeichen. Meine Dankbarkeit bleibt.“ Betroffen sah ich ihn an. Hatte dieser Platoniker in Gärtnerhosen nicht recht? Ist nicht das einzig Wahre die Idee hinter den Dingen, auf die es allein ankommt? Als ich endlich begriff, war es zu spät. „Sie verstehen mich nicht“, murmelte er und nahm sein — unser — nein, doch sein Bäumchen. „Adios, sefor!“ „Doch, doch!“ versicherte ich eilig. „Ich verstehe, alles in Ordnung, habe verstanden, bitte kommen Sie in einem Monat wieder - so wie immer — Gras schneiden, nicht wahr — so wie immer.“ Er kam nie wieder.