OCR
Kriegsschauplatz nicht mehr zurück. Als alles vorbei ist, führt Zofias Weg nach Israel. Sie zieht dort ihren Sohn groß. Erzählt wird sehr einfach, zwischen den Zeilen darf durchaus hinzugedacht werden. Ein ungewöhnliches Schicksal, erstaunlich, vielleicht für manche verwirrend. Fragen bleiben offen. Um dem Leser dennoch einen roten Faden an die Hand zu geben, setzt Zofia Jasinska dem Buch ein Zitat von William James voran, das sowohl Widersprüchlichkeiten als auch eigenes kritisches und selbstkritisches Denken durchaus zu beleuchten vermag: „Viele Leute glauben, daß sie denken, wenn sie lediglich ihre Vorurteile neu ordnen.“ Mit dieser Aussage erscheinen Zofia Jasinskas dankenswert aufrichtige, von hilfreicher Hand überarbeitete Erinnerungen freilich in einem schärferem Licht. Heute lebt die Autorin in Deutschland. Sie hat dem Wunsch ihres Geliebten entsprochen und die Nähe seiner Verwandten gesucht. Das Buch ist ihrem Sohn gewidmet, sowie der neuen Familie in Deutschland. Klagen scheinen ihr völlig fremd zu sein. Zofia Jasinskas Gedankenwelt ist auf ganz anderer Ebene sicher verankert: „Ich sitze in meinem kleinen Heim und versuche, Gott näher zu kommen, ihn zu begreifen und die himmlische Logik, die ihre eigenen Gesetze hat.“ Rosemarie Schulak Zofia Jasinska: Der Krieg, die Liebe und das Leben. Eine polnische Jüdin unter Deutschen. Bearbeitet von Manfred Flügge. Berlin: Aufbau-Verlag 1998. 189 S. OS 234,-/ DM 32,-/SFr 30,40 Osterreicher im Exil: Sowjetunion 1934-1945 Hans Schafranek hat sich mit seinen Arbeiten zur Situation emigrierter Osterreicherinnen und Österreicher in der Sowjetunion 192545 („Aufbruch — Hoffnung — Endstation“, Wien 1997) und über das Schicksal der Kinder österreichischer SchutzbündlerInnen im „Reiche Stalins“ („Kinderheim No. 6“, Wien 1999) große Verdienste erworben. Nun liegt in Ergänzung dazu endlich der von ihm und Barry McLoughlin editierte Dokumentenband „Österreicher im Exil. Sowjetunion 1934-1945“, erschienen im Verlag Deuticke, vor. Das Buch kann als rundum gelungenes Werk bezeichnet werden, das — dem Charakter einer Dokumentation entsprechend - völlig unprätentiös die Lebens- und Leidensschicksale jener Österreicherinnen und Österreicher anhand von Originalzeugnissen nachzuzeichnen versucht, die einstmals aufgebrochen waren, um im „sowjetischen Arbeiterparadies“ Schutz und eine neue Heimat zu finden. Wie schon die vorangegangenen Werke so eignet sich auch dieses in keiner 50 Weise die „totalitarismustheoretische Stalinismuskeule“ zu schwingen, ohne dass deshalb der stalinistische Terror jener Jahre nicht spürbar und erfassbar wäre. Selbst für Kenner der Materie gibt es bei den vorgelegten Dokumenten noch viel Neues zu entdecken. Der kurze „russische Archivfrühling“ dürfte hier von den Bearbeitern exzessiv genutzt worden sein. Dass Schafranek bei der Auswahl der Dokumente seine eigenen Forschungsschwerpunkte (z. B. „Funk- und Fallschirmagenten“) möglicherweise überproportional berücksichtigt, schmälert den hervorragenden Gesamteindruck sicherlich nicht. Dies bleibt dem Geleitwort des Präsidenten des Nationalrates, Heinz Fischer, vorbehalten. So löblich es auch ist, dass dieser nicht in den Zettelkasten vorgefertigter Reden gegriffen und jenen zwischen „Einweihung von Feuerwehrhäusern“ und „Eröffnung des Roten-Herzen-Balls“ herausgefischt hat, sondern offensichtlich einen professionellen Ghostwriter eigens mit dieser Aufgabe betraut hat, so ärgerlich ist das Ergebnis. Den Faschismus als „historisches Phänomen“ zu bezeichnen und die Abschaffung bürgerlicher Freiheiten in Anlehnung an Otto Bauer als das Grundübel der „Stalinschen Despotie“ zu sehen, ist wohl nur als Anbiederung an die „Neue Mitte‘ zu klassifizieren. Auch die österreichische Sozialdemokratie wäre gut beraten, sich in der theoretischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zu- oder Missständen weniger auf bürgerliche „Philosophen“ (wie etwa Karl Popper) oder gegenaufklärerische Überlegungen zu stützen, sondern mehr der eigenen Theoriegeschichte zu folgen; von der praktischen Auseinandersetzung ganz zu schweigen. Rudolf Holzer Österreicher im Exil: Sowjetunion 19341945. Hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Bearbeitet von Barry McLoughlin, Hans Schafranek. Vorwort von Heinz Fischer. Wien: Verlag Franz Deuticke 1999. 800 S., zahlreiche Abb. OS 390,-/DM 53,50/SFr 51,Mit der Ziehharmonika Jahrgänge XI-XV Nur mehr fünf gebundene Prachtexemplare (Goldprägung etc., über 1.000 Seiten) der fünf Jahrgänge 1994 — 1998 der MdZ liegen noch vor und werden zum Preis von öS 1.500,-/DM 214,-/ SFr 190,— plus Versandkosten an die ErstbestellerInnen abgegeben. Mit Register der Jahrgänge I-XV. Besonders für Bibliotheken und zum Nachschlagen geeignet. Bestellungen bitte an Theodor Kramer Gesellschaft. Die Gleiche und Wandelbare „Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß wir die Courage hier gemacht haben. Endlich konnte ich mal wienerisch reden, und kein Mensch hat was dagegen gehabt“, schrieb Helene Weigel im Jänner 1949 anläßlich der Premiere von „Mutter Courage und ihre Kinder“ am Deutschen Theater Berlin an Lion Feuchtwanger nach Kalifornieren. Über dieselbe Aufführung notierte Bertolt Brecht in sein Arbeitsjournal: „Die Couragefigur Hellis jetzt herrlich, von großer Kühnheit.“ Helene Weigel wurde mit der Rolle der Anna Fierling schlagartig zur bekanntesten Schauspielerin Berlins - nach 16 Jahren Exil und damit verbundener Bühnenabstinenz. Helene Weigel wäre am 12. Mai 2000 100 Jahre alt geworden und wie das „BrechtJahr“ 1998 hat auch dieses Jubiläum eine Reihe von Publikationen zur Folge. Von Helene Weigel selbst gibt es keine autobiographischen Aufzeichnungen, in Interviews hat sie sich mit Aussagen zur Person sehr zurückgehalten. Dementsprechend groß bleibt der Spielraum für subjektive Auslegung dieser Lebensgeschichte. Sabine Kebir hat bereits mehrere Arbeiten über die Liebes- und Arbeitsverhältnisse von Bertolt Brecht veröffentlicht. In ihrem Buch über die Brecht-Mitarbeiterin Elisabeth Hauptman wurde die kollektive Arbeitsweise Brechts analysiert und als nach eigenen Angaben parteiische Expertin für das Thema „Brecht und die Frauen“ hat die Autorin in ihrer Essaysammlung „Ein akzeptabler Mann?“ nachzuweisen versucht, daß Brecht aus Treue polygam gewesen sei. Kebirs Biographie über Helene Weigel „Abstieg in den Ruhm“ handelt weniger von der Brecht-Ehefrau als der Schauspielerin und dem Neuen, Einzigartigen ihrer darstellenden Kunst; von „der Weigel“, die, so Kebir “mit ihrem jüdischen Gesicht, ihrem österreichischen Dialekt und ihrer asiatischen Gestalt ein utopisches Welttheater repräsentierte“, von der „Gleichen und Wandelbaren“ (Brecht), die auffiel als „lärmendste Schauspielerin Berlins“ (Kritikermeinung 1928), und die als „Schauspielerin, in der die große Kunst der Subtilität triumphiert“ — (Kritikermeinung 1952) zur Ikone des epischen Theaters wurde. Es gibt kein offizielles Verzeichnis all jener Rollen, die Helene Weigel in ihrem Leben gespielt hat. Weigels Vater, Prokurist, später Direktor einer Wiener Textilfabrik parierte den Berufswunsch der Tochter, Schauspielerin werden zu wollen mit der Feststellung, sie sei „ab und zu nicht richtig im Kopf“. Eugenie Schwarzwald hat der Schülerin ihres Realgymnasiums einen Vorsprechtermin beim Direktor der Wiener Volksbühne vermittelt. Die 17jährige hinterließ Eindruck. Erste Engagements führten sie über Mähren und Frankfurt am Main nach Berlin, wo sie sich mit Charakterrollen und expressiver Darstellungsweise einen Namen machte. Ihr Durchbruch, der Erfolg in der Rolle der