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der siegreichen Franco-Faschisten: über die französische Grenze flüchteten, versuchten Angehörige der Internationalen Brigaden — unter ihnen auch Österreicher — diesen verzweifelten Rückzug zu decken. Sie wurden mit den Flüchtlingsmassen ins* stidliche Frankreich geschwemmt, wo man sie in rasch improvisierten Stacheldratitpferchen an der grenznahen Mittelmeerküste unter freiem Himmel internierte. Das#Gros der österreichischen Interbrigadisten; heist ehemalige Angehörige des Republikanischen Schutzbundes und Kombattanten:-des Biirgerkriegs im Februar 1934, fand sich im euphemistisch sogenannten „Eanpielenslangf” St. Cyprien zusammen. ‘ Von da schaffte man sie in das histig i in anderthalb Monaten errichtete Barackenlager in Gurs am anderen Ende der Pyrenäen. Es bestand aus fast vierhundert primitiven Behausungen, die sich in dreizehn ;,[lots“ (Inselchen) unterteilten, die bei feuchtem Wetter in einem zähen Morast lagen. Im Ilot 1 befanden sich knapp zwölfhunderf Deutsche, Kubaner und Österreicher, wohl; mit einem Dach über dem Kopf, jedoch unter unsäglichen sanitären Bedingungen und’unzulänglich ernährt. Die Österreicher kannten meist die Lagerzustände unter dem Austrofaschismus, daß sie in Hitlers Konzentrationslagern landen wiirden, ahnten sie noch:nicht. Dem Druck des diirftigen Lageralltags: versuchte man intellektuellen Widerstand entgegenzusetzen. Es entstand die ,,Volkshochschule Gurs“. Die nicht allzu reichlichen Lehtinitiel wurden mit Hilfe von Sympathisanten und Hilfsorganisationen zusammengebracht, die Lehrkräfte kamen aus den Reihen der Internierten. Und am Lerneifer fehlte es.nicht, hatte doch die Mehrzahl der proletarischen Häftlinge kaum mehr als eine manchmal eher dürftige Grundschulausbildung ‘hinter sich bringen können. Eine Handvoll :Intellektueller teilte sich den Lehrauftrag: :Man unterrichtete Deutsch, Geschichte, Mathematik und Chemie, Fremdsprachen und Philosophie. In diesem Szenario kam das „Album Gurs“ zustande, gewidmet „unseren Üösterreichischen Hausgehilfinnen zum Zeichen innigster Verbundenheit“, versehen mit dem Inhaltshinweis „Erlebnisse aus dera spanischen Freiheitskampfe. Ein Stück Heldengeschichte dieses heroischen Volkes“. Der Schluß, es hätte in Gurs österreichische Häusgehilfinnen zur Bedienung der Internierten gegeben, läge falsch. Der Dank ging vielmehr an exilierte Österreicherinnen in Großbritannien, denen es gelungen war, dem nach Österreich vorgedrungenen Hitlerismus zu entfliehen, und die im Gastland ungeachtet ihrer beruflichen oder wissenschaftlichen Qualifikation ihr Dasein als Dienstboten fristeten. Die von ihnen trotz der Dürftigkeit ihrer. Lebensverhältnisse geübte Solidarität mit den internierten Spanienkämpfern, muß diese zutiefst beeindruckt haben. Das „vom Kollektiv ehemaliger österreichi58 scher Spanienkämpfer im KZ [sic!] Gurs, Bar(acke) 17“ als Dankesgeste geschaffene Album hat die tragischen Zeitläufte und historischen Wechselfälle überdauert. Das handgeschriebene, mit kolorierten Handzeichnungen und Linolschnitten versehene Buch hat auf einem abenteuerlichen Weg das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien erreicht. Erich Hackl, Schriftsteller und hier auch Historiker einer jüngeren Generation, und Hans Landauer, Spanienkämpfer und akribischer Zeitgeschichtler in eigener Sache, haben für eine überaus gelungene Faksimileausgabe des Gurs-Albums gesorgt. Sie waren dabei nicht nur als Herausgeber, sondern auch als kundige und einfühlsame Autoren instruktiver einleitender Beiträge tätig. Landauer, der vor allem die Überlebenden und die Toten des dramatischen Geschehens minutiös erfaßt hat, liefert sogar eine Namensliste der Internierten von Gurs. Dem Album selbst ist beeindruckende Schlichtheit zu bestätigen. Die Autoren, von denen nur drei die Nazibarbarei überlebt haben, hatten sich ohne literarische Ambition ans Werk gemacht, ja man findet sogar dann und wann in dem in penibler Schönschrift gestalteten Text den einen oder anderen Schreibfehler — obwohl es Korrekturfußnoten auf einigen Seiten gibt. Es ist den Herausgeber-Autoren zu danken, daß sie den Text nicht „geschönt“ haben, wie man das heutzutage so unschön nennt. Als Leser respektiert man den Mut zur Authentizität und ist überrascht, daß man sich nicht mit einer Art von Kriegsberichterstattung konfrontiert sieht, die zu höchst unpassender Romantisierung des Kampfgeschehens neigt. Es passieren da nicht nur wesentliche Etappen des dramatischen Kriegsverlaufs Revue — Madrid, Brunete, Teruel und die Schlacht im Ebrobogen -, sondern auch Momentaufnahmen menschlicher Solidarität. Selbst die in den Text eingefügten Verse und Liedtexte meiden einen blechern tönenden Heroismus. Und es paßt durchaus ins erfreulich nüchterne Gesamtbild des Albums, daß es mit einer bildstatistischen Seite 4 la Otto Neurath endet, welche die Spanienkämpfer nach Bundesländern aufschlüsselt, der sich zur Abrundung noch vier Originalfotos nachreihen, ehe man das Album mit der letzten Seite, geziert mit dem dreistrahligen Stern der Internationalen Brigaden, schließt. Die Herausgeber-Autoren haben die etwas schüttere Dokumentarillustration im dreißig Seiten umfassenden Einleitungsteil um ein Dutzend zeitgenössische Fotos angereichert, die überdies mit kritisch-informativen Bildtexten versehen sind. Schließlich muß angesichts der oftmals gemachten Beobachtung, daß Druckerzeugnisse unserer Tage wohl zunehmend teurer, aber zugleich in ihrer Druck- und Bindequalität dürftiger werden, mit Nachdruck festgestellt werden, daß das Album Gurs nicht nur typographisch weit über dem Durchschnitt rangiert, sondern auch in der Reproduktionsqualität und der gesamten Herstellung. Aber abgesehen von solchen, eher den Bibliophilen ansprechenden Einzelheiten, liegt die wahre Bedeutung der Publikation in der ermöglichten Begegnung mit einem nicht zu vergessenden Zeitgeschehen, das nicht in der Brechung durch die Sicht des Historikers vermittelt wird. Es begegnet dem Leser und Betrachter in zutiefst menschlicher Direktheit und Schlichtheit, ohne den Hang zur Legendenbildung in eigener Sache. Hugo Pepper Album Gurs. Ein Fundstück aus dem österreichischen Widerstand. Vorgelegt und eingeleitet von Erich Hackl und Hans Landauer: Wien: Franz Deuticke Verlag 2000. Ca. 80 Kunstdruckseiten. OS 350,-/DM 48,-/ SFr 44,50 Buchzugänge „Abschied von Sidonie“ von Erich Hackl. Materialen zu einem Buch und seiner Geschichte. Hg. von Ursula Baumhauer. Ziirich: Diogenes Verlag 2000. 335 S. OS 145,— 1989 erschien die meisterhafte Erzählung „Abschied von Sidonie“ von Erich Hackl. Nach „Auroras Anlaß" schildert der österreichische Schriftsteller in seinem zweiten Buch den authentischen Fall des Zigeunermädchens Sidonie, das 1943 — kaum zehn Jahre alt - verschleppt und in Auschwitz-Birkenau ermordet worden ist. 1990 wurde die bewegende Geschichte von Karin Brandauer eindrucksvoll verfilmt. Das Drehbuch ebenfalls von Hackl - findet sich in dem nun veröffentlichten Materialien-Band genauso wie Vorstufen des heutigen Schulklassikers, Fotos, Dokumente und Gesprächsprotokolle mit Angehörigen des Mädchens. Nur wenige Bücher haben eine so fesselnde Entstehungsund Wirkungsgeschichte wie „Abschied von Sidonie“. Sie werden in dem vorliegenden Band wiedergegeben und für den Unterricht aufbereitet. Essays von Karl-Markus Gauß (über Arbeitsweise,. Stil, Moral etc. bei Hackl), Konstantin Kaiser (über Hackls „gegenwärtiges“ Schreiben, die kritische Heimatliteratur, die österreichische „Provinz“) und Erika Thurner (über die Verfolgung der Roma und Sinti einst und deren Status in Österreich heute) machen aus der Dokumentation über den Gebrauch für Schule und Forschung hinaus ein aufschlußreiches und wichtiges Buch zum Verständnis der (österreichischen) Geschichte. Tomas Friedmann, Literaturhaus Salzburg Alfred Klahr Gesellschaft (Hg.): Die Alfred Klahr Gesellschaft und ihr Archiv. Beiträge zur österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wien: Eigenverlag der Alfred Klahr Gesellschaft 2000. 389 S. (Quellen und Studien 2000). Die nach dem österreichischen Kommuni