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Es ist heute schwer, die schriftstellerische Einzelleistung der als Gemeinschaft auftretenden Künstler des Studios zu beurteilen oder genauere Aussagen über einzelne Nummern der Grimasse zu treffen, weil die Texte nicht erhalten geblieben sind. Offenbar lohnte sich ihre Aufbewahrung nicht — „die haben wir weggeschmissen nach den Produktionen“ — wegen der zeitgebundenen Satire und der eingeschränkten Verwendbarkeit. Zeitgenössische Presseberichte verraten wenigstens, wie sie damals auf das Publikum gewirkt haben und liefern in glücklichen Einzelfällen kurze Inhaltsbeschreibungen mit. Aus der „Schar ausgezeichneter, junger Künstler“ hob die Österreichische Zeitung Michael Kehlmann sowie Qualtinger „als Träger der Hauptrollen“ hervor. Neben der Faust-Adaption und einer Bearbeitung von Arthur Schnitzlers Reigen galt ihre Aufmerksamkeit besonders Soyfers Vineta, und sie staunte über „die große Lebendigkeit dessen [Soyfers] kraftvollen und mit so tiefer Schau ins menschliche Leben erfüllten Werkes, von dem man glauben möchte, daß es in und für unsere Tage geschrieben wurde.“ Qualtingers Versiertheit in Soyfers Werken trug ihm eine Einladung des Kunstkollektivs der Sozialistischen Bildungszentrale ein, an einer Aufführung von Broadway-Melodie 1492 in verschiedenen Wiener Volksbildungshäusern und Kultureinrichtungen mitzuwirken: „Wir sind mit der Aufführung dann herumgezogen, von der Urania in den 16. Bezirk und zurück. Ich habe immer den Vendrino gespielt.‘“? Broadway-Melodie 1492 begleitete Qualtinger auch im „Theater am Parkring“, dem seinerzeit angeblich „renommiertesten Kellertheater Wiens“.'” Von Erich Neuberg mit der Regie betraut, die er sich mit Helmut H. Schwarz teilte, Konnte Qualtinger hier in der Weihburggasse 26 endlich jene Pläne realisieren, die noch in seine Zeit im „Studio der Hochschulen“ zurückreichten. Die damals bereits weitgehend fertig gestellte und von der Österreichischen Zeitung'* angekündigte Inszenierung des letzten Stückes, das Jura Soyfer verfasst hatte, war an Geldmangel und an Problemen mit der Infrastruktur gescheitert. Vielleicht hatte sich auch Qualtinger als Regisseur ganz einfach den Anforderungen noch nicht gewachsen gefühlt.‘ Schließlich hatten auch Kollegen ihre Ablehnung bekundet, möglicherweise war ihnen das Stück Soyfers, welcher „in der österreichischen Öffentlichkeit als ‚Kommunist‘“'® gesehen wurde, angesichts des Kalten Krieges zu riskant gewesen. Am 9. Juni 1952 erfolgte mit fünfjähriger Verspätung doch noch die Premiere von Broadway-Melodie 1492, und Qualtinger zeigte sich rückblickend recht stolz auf seine Regieleistung: „Ich war damals der Felsenstein unter denen. Ich konnte es mir aussuchen. Mit [Otto] Schenk als Schauspieler und alles, was gut war. Ich hab an dem Stück keinen Satz verändert und es spielen lassen, als ob es der Faust wär.“ Völlig überraschend zog die Aufführung jedoch einen Plagiatsprozess nach sich, den der bundesdeutsche Theaterverlag Felix Blochs Erben angestrengt hatte, sodass das Stück nach der Spielzeit aus dem Repertoire genommen werden musste." Vereinzelt gingen Beobachter davon aus, Broadway-Melodie 1492 sei auf Intervention der USBesatzer abgesetzt worden, denen die frequentierten Aufführungen ein Dorn im Auge gewesen wären." Qualtinger wurde nichtsdestotrotz das Verdienst zuerkannt, durch die Inszenierung die „Bühnenrettung eines Stückes und eines Dichters“ gewagt zu haben, dem gegenwärtig „das Schicksal Nestroys droht, nähmlich [sic!] daß sein Ruhm hundert Jahre nach seinem Tod die Größe seines Werkes immer noch nicht eingeholt hat. Denn Jura Soyfer war einer der Großen unserer Literatur.” Qualtinger spielte gleich zwei Rollen, er brillierte als Vendrino und Portier des Burtheaters. Dessen Loge bildete bei dieser Inszenierung, anders als bei Soyfer, nicht nur für den Prolog, sondern für das gesamte Stück die Kulisse. Im Wiener Soziolekt entlarvte Qualtinger den Pförtner als einen herablassenden und devoten Menschen, der mit Halbbildung und bizarr übersteigertem Traditionsbewusstsein protzt. Mit diesem „Zerberus in Braun und Gold vor dem Tempel österreichischer Tradition“ zieht Soyfer ähnlich wie sein Vorbild Karl Kraus in der Fackel gegen den Ausstattungsschwindel” des Burgtheaters zu Felde, dessen Drang nach Perfektion und dekorative Opulenz sogar „Renaissanceknöpfe“ „fürs Hosentiirl vom Kolumbus“” vorsah. Otto Schenk reprisentierte als Pepito Alibi einen ,,Leuteschinder mit dem Wiener Jargon‘, das kongeniale Gegenstück des Vendrino, der Nazirhethorik und Formaldeutsch in sich verbindet. Beides sind Figuren, die sich wie Gestalten aus Soyfers Romanentwurf So starb eine Partei in die lange Kette der spieBig-kleinbürgerlichen Vorläuferfiguren zum Herrn Karl einreihen lassen.” Als Regisseur bewies Qualtinger Werktreue gegenüber dem Text. Stärkere Zeitbezüge stellten sich durch die Ausgestaltung der Bühne und durch das Schauspiel ein. Die Eingriffe in die Vorlage dürften, soweit sich das abschätzen lässt, zurückhaltend erfolgt sein; jedenfalls sei die Darbietung stimmig gewesen und _ habe in ihrer Durchführung „restlos überzeugt“.” Qualtinger brauchte am Stück selbst eigentlich gar nichts zu verändern oder zu verbessern. Es bestand auch nicht die Gefahr, dass sich Soyfers Kritik an den USA und den Einflüssen, die von dort verstärkt seit den 20er Jahren nach Europa gelangt und dort wirksam geworden waren, inzwischen überholt und nur mehr als hi23