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Bruno Schwebel: Comida corrida y otros cuentos. Mexico, D.F.: Collecciön Fontamara 2004. 155 S. John M. Spalek, Sandra H. Hawrylchak: Lion Feuchtwanger: A Bibliographical Handbook/ Ein bibliographisches Handbuch. (Englisch/ Deutsch). Alle Bände beim K.G. Saur Verlag, jeder Band Euro 98,-. Volume/Band 1: German Editions/Deutschsprachige Ausgaben. München 1998. 392 S. Volume/Band 2: Translations, Short Publications, Adaptions and Productions/Übersetzungen, Kurzbeiträge, Bearbeitungen und Inszenierungen. München 1999. 414 S. Volume/Band 3: Secondary Literature/Sekundärliteratur. München 2004. 386 S. Volume/Band 4: Reviews and Critical Literature about Individual Works/Rezensionen und wissenschaftliche Beiträge zu einzelnen Werken. München 2004. 439 S. Es ist fast unmöglich, eine derartige bibliographische Arbeit sehr großen Umfangs einer Kritik zu unterziehen. Sie ist, abgesehen von dem Interesse an Lion Feuchtwangers Werk, ein Lehrstück über das Bibliographieren, über die Quellen und Hilfsmittel, die dem leidenschaftlichen Bibliographen zur Verfügung stehen, die Schwierigkeiten, die sich seinem ordnenden Griff entgegenstellen und ihn zwingen, immer zugleich kasuistisch, vom Einzelfall ausgehend, und systematisch, von der Konzeption des Ganzen her, zu arbeiten. So ensteht ein mitunter spitzfindiges Regelwerk, dessen Durchführung und Nachvollzug nicht ohne verborgene Freuden ist. — Es hätte nicht erst dieser Bibliographie bedurft (die, nach konventionellen Manuskriptseiten gerechnet, an die 5.000 Seiten umfaßt), um sich der gewaltigen literarischen Lebensarbeit und der gro‚Ben Wirkung Feuchtwangers inne zu werden, aber die Bibliographie hält es fest und nimmt die Überlieferung in die Pflicht. Wilhelm Toth: Vom Volksgerichtshof in die Gewerkschaftsspitze. Alfred Ströer. Eine Biografie. Wien: Verlag des ÖGB 2003. 308 S. Renate Wall: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933-1945. GieBen: Haland & Wirth 2004. 553 S. Euro 36,Andreas Weber: Lanz. Roman. Salzburg, Wien: Otto Miiller 2004. 191 S. Euro 18,-/SFr 31,90 Norbert Weiß: Mein kurzes Leben als Eilzusteller. Geschichten. Dresden: Die Scheune 2003. 96 S. Jens Wonneberger: Weltfreunde an der Elbe. Eine literarische Begegnung Dresden — Prag. Sonderheft 5 von „Signum. Blätter für Literatur und Kritik“. Dresden: Die Scheune 2003. 101 S. Euro 8,20/SFr 12,70 Mit Beiträgen u.a. von und über Paul Adler, Milena Jesenskd, Alice Riihle-Gerstel, Josef Paul Hodin, Camill Hoffmann. 84 Erich Hackl Geteilte Geschichte Lothar Baier ist tot. Er hat sich erhängt, höre ich, infolge von Depressionen, unter denen er seit Jahren litt. Am liebsten würde ich meine Trauer für mich behalten, denn jeder Nachruf ist auch ein Vergessen. Abgehakt, fertig. Und ich will mich nicht an die Vorstellung gewöhnen, ohne Wissen um seine Gegenwart weiterzuleben. Andererseits, wäre einer seiner Freunde gestorben, ich weiß, daß er sich dann hingesetzt und über ihn geschrieben hätte, verläßlich, präzise, zärtlich. Und er hätte sich, auf der Suche nach der Todesursache, nicht mit der Diagnose der Lebenden begnügt. Vor zwölf Jahren veröffentlichte Lothar eine „Kleine Ode an die Freunde“. Sie erschien, wie vieles, was er in den letzten Jahren an Aufsätzen, Glossen und Kritiken geschrieben hat, in der Zürcher „WochenZeitung“. Neben dem Berliner „Freitag“ und dem Wiener „Wespennest“ war sie seine publizistische Heimstatt geworden, weil die großen Blätter, die nach Bekanntwerden seines Ablebens Mitte Juli einen Tag lang Krokodilstränen vergossen haben, nur noch selten auf ihn zukamen. Die WoZ hingegen war uns beiden viel mehr als nur eine Zeitung, die an den eigenen Arbeiten Gefallen findet, sie einigermaßen zügig abdruckt und bescheiden honoriert. Mit manchen ihrer Redakteure verband uns ab Mitte der achtziger Jahre eine Freundschaft, wir empfahlen ihnen Autoren, Bücher, Themen, rühmten dieses störrische linke Blatt im Bekanntenkreis. Wie ich fand er im Kulturressort der WoZ eine Haltung ausgeprägt, die ihn in seiner Einstellung bestärkte —- Mißtrauen gegenüber den sogenannten Marktgesetzen; Unbehagen am provinziellen Antiprovinzialismus; fortwährendes Interesse an Widerstand, Peripherie, Dritte Welt; Überzeugung, daß linke Publizistik in rechten Zeiten nur dann bestehen kann, wenn sie nicht dem angeblichen Bedürfnis nach Zerstreuung nachgibt. Er fühlte sich aufgehoben, unter Freunden. „Ein Freund ist, glaube ich, jemand, mit dem man eine Geschichte teilt.“ Seit 1997 war Lothar Mitglied des Redaktionskollektivs, fuhr einmal pro Woche von Frankfurt nach Zürich, die von ihm redigierte Seite ‚Gesellschaft” wurde zum Aushängeschild der Zeitung. Denn er brachte sein Wissen ein, seinen Spürsinn, seine Kenntnis der frankophonen Kulturen, der Redaktion nützten seine Kontakte und seine Fähigkeit, auf aktuelle Ereignisse schnell, umsichtig und elegant zu reagieren. Die Offenheit und der Zusammenhalt der frühen Jahre waren zwar verflogen, das „kommunikative Beschweigen‘“, das ihn zuletzt wie gegen eine Gummiwand anrennen ließ, nahm aber erst später überhand. „Hat diese Geschichte ein Gewicht, ist es überflüssig, sich gegenseitig der Freundschaft zu versichern, so wie schlecht komponierte Paare sich zwanghaft der gegenseitigen Liebe versichern, um nicht vom zwischen beiden Unvereinbaren reden zu müssen.“ Zum ersten Mal begegnete ich Lothar Baier vor vier Jahren, in Zürich, bei einem fruchtlosen Vermittlungsversuch zwischen dem damaligen Literaturredakteur und mir, dem rechtlosen Zuarbeiter, den das kommunikative Beschweigen bereits ereilt hatte. Lothar war genau so, wie ich ihn mir aufgrund seiner Prosa vorgestellt hatte: bescheiden, gesellig, verbindlich, freundlich. Er sprach eher leise, erzählte gern. Den Oberkörper leicht vorgebeugt, schmal und zart, zwischen den Lippen eine selbstgedrehte Zigarette, hinter dem Schnurrbart ein Lächeln. Dem Bild vom forschen Deutschen, das wir Landfremden mit uns herumtragen, wurde er nicht gerecht. Ihn hielt es auch nicht mehr in Deutschland. Die Aufstiegssucht und die ideologischen Bocksprünge ehemaliger Gefährten setzten ihm zu, er registrierte das „Abbröckeln“ alter Freunde, vor drei Jahren wanderte er nach Quebec aus, still, ohne seinen Entschluß zum Programm zu erheben. Er war ja schon einmal weggegangen, nach Frankreich, damals vor zwanzig Jahren, als allenthalben das neue urbane Lebensgefühl in der BRD gerühmt wurde, wuchernde StraBencafés, schicke Läden, die Szene, die Nischen der ‚Zivilgesellschaft’, die ihn an ein Sanatorium erinnerte. Seine Tätigkeit bei der WoZ, durch die er sich auf Schweizer Verhältnisse einließ, erklärt sich auch durch das Bedürfnis, die deutschen Intellektuellen samt ihrem fürchterlichen „Drang, es immer recht zu machen“, hinter sich zu lassen. ,, Wenn man sich ein wenig umtut in Montreal, kann man auch hier allerhand Wissenswertes erfahren. Und durch die sehr sichtbare Immigration — auch aus Lateinamerika — fiihle ich mich in der Stadt viel mehr ,in der Welt’ als etwa in dem tristen Frankfurt.“ Wir trafen uns ein- bis zweimal jährlich, bei den Sitzungen des PaulGrüninger-Stiftungsrats, dem wir angehören durften (Grüninger, das war der tapfere Polizeihauptmann in St. Gallen gewesen, der Ende der dreißiger Jahre Hunderte, wenn nicht Tausende österreichische Juden gerettet hatte und deshalb aus dem Amt gejagt worden war), „freu mich schon sehr darauf, Dich und die anderen wiederzusehen — dem Keller Stefan sagte ich mal, der Grüninger-Rat ist mir die liebste europäische Runde“. Auch die Sisyphusarbeit der Theodor Kramer Gesellschaft verfolgte Lothar mit Sympathie und Anteilnahme. Dank seiner Initiative gelangte die Bibliothek Manés Sperbers aus Paris in die Wiener Engerthstraße. Zuletzt gratulierte er zu Lan