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arzt und Betriebsrat — der damals auch so etwas wie ein Fürsorgerat sein musste —, ständige Problemkinder geworden waren. Die Person Neumayer Nun zu Rudolf Neumayer: Geboren 1887 in christlichem Arbeitermilieu, studierte er Jura und wurde Mitglied einer „nationalen Burschenschaft“, bevor er seine Berufstätigkeit bei der Gemeinde Wien, im Bezirksamt Landstraße, begann. Als der „Rote Bürgerschreck“ Hugo Breitner nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Finanzstadtrat wurde, kam Neumayer, so wie andere auserlesene tähige Leute auch, in dessen näheren Bereich. In seinem Volksgerichts-Prozess nach dem Kriege beschrieb Neumayer dieses Team um Breitner als einen Kreis von Leuten, die ihrer Sache völlig ergeben waren, keine Arbeitszeitbegrenzung kannten, und in dem man sich um die politische Einstellung der anderen Mitarbeiter nicht kümmerte. Das Gericht hatte hierzu, nach dem Protokoll zu schließen, weder eine Bemerkung noch eine Frage. Der 12. Februar 1934 dürfte an Rudolf Neumayers Stellung im Wiener Rathaus nichts geändert haben. Doch als Bundeskanzler Schuschnigg im Jahre 1936 den Heimwehr-Fürsten Starhemberg und damit auch den Finanzminister Ludwig Draxler aus der Regierung warf, holte er Neumayer in sein Kabinett. Neumayer blieb in der Regierung, nachdem Schuschnigg in Berchtesgaden Hitler das Zugeständnis gemacht hatte, Vertreter der „Nationalen“ in das Kabinett aufzunehmen, und er blieb, als Arthur Seyss-Inquart mit dem Einmarsch der deutschen Truppen für zwei Tage Bundeskanzler wurde, und ließ sich auch mit der Aufgabe betrauen, die österreichische Finanzverwaltung in die deutsche zu integrieren. Zum Dank für diese erfolgreichen Tätigkeiten erhielt Neumayer ein handschriftlich verfasstes Schreiben des „Führers“, welches ihm später als schwere Belastung angerechnet wurde, das Goldene Parteiabzeichen — ohne Mitglied der Nazipartei zu sein — und, für seine weitere Laufbahn, den Posten des Generaldirektors der „Wiener Städtischen“. Als der Krieg in Wien zu Ende war, eilte Rudolf Neumayer ins Wiener Rathaus, um sich wieder zur Verfügung zu stellen. Doch statt seine Dienste anzunehmen, sperrte man ihn ein und machte ihm einen, wenn nicht sogar den ersten Prozess vor dem neu geschaffenen Volksgericht. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, kam aber nach ca. zwei Jahren wieder frei. Als Begründung wurde „Haftunfähigkeit“ angegeben. Nach Auffassung der Kollegen in der „Städtischen“ war es aber eher der Einfluss der „guten Freunde“ aus seiner Vor-Nazivergangenheit, der Rudolf Neumayer befreite. Ich hatte nie den Eindruck, dass man im Kreis meiner näheren Kollegen ab 1949 darüber besonders verärgert oder gar empört gewesen wäre; sie reagierten eher mit abwertendem Lächeln. Selbst so unmittelbar nach Kriegsende galt ja ein „lebenslänglich“ für einen, der niemanden ermordet oder gefoltert hatte, als stark überzogen. Die erste Euphorie, unter deren Einfluß derartige Urteile gefällt wurden, war schon verflogen. Außerdem wirkten sich die diversen Solidaritätsbeziehungen des CV, der Burschenschaften, des Beamtenapparats und wohl auch des politischen Katholizismus, die einen Sünder aus den eigenen Reihen nicht so ohne weiteres fallen ließen, im damaligen Österreich bereits kräftig aus. Ich will das nicht verteufeln, wie das in der gegenwärtigen Geschichtsschreibung aus heutigen Gesichtspunkten vielfach geschieht. Auch in der „linken Reichshälfte‘ gab es ähnliche Beispiele. Sie sind, was heute vielfach Rudolf Neumayer, geb. 18.5. 1887 in Wien, trat nach Matura und Jus-Studium 1912 in den Dienst der Gemeinde Wien ein, im Ersten Weltkrieg Artillerieoffizier, mehrfach ausgezeichnet. Von Finanzstadtrat Hugo Breitner zur Wiener Finanzverwaltung herangezogen, wurde er 1926 Abteilungsleiter. 1934, nach der Absetzung der gewählten sozialdemokratischen Stadtregierung, Wiener Finanzreferent und Leiter des Finanzamtes. Mitglied des vom „Ständestaat“ geschaffenenen „Länderrates “. Von November 1936 an Bundesfinanzminister, zuerst unter Bundeskanzler Kurt (von) Schuschnigg, ab dem 12. März dann in dem von Adolf Hitler erzwungenen „Anschluß “-Kabinett von Arthur Seyss-Inquart; beteiligt am Ministerratsbeschluß über das Bundesverfassungsgesetz zur „Wiedevereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 13. März 1938. Mit der Überleitung der österreichischen Finanzverwaltung in die des Reiches und der Übergabe des Bundesvermögens an die deutschen Stellen befaßt, wurde ihm zum Dank der Ehrentitel eines Staatsministers zuerkannt. Danach 1938 als Generaldirektor der „Wiener Städtischen Versicherung“ eingesetzt. Bemühte sich seit 1941 vergeblich um die Mitgliedschaft in der NSDAP. Ab Ende Oktober 1943 auch Leiter der Hauptstelle für das Wirtschaftstreuhandwesen. Wollte 1945 wieder in den Dienst der Gemeinde Wien treten, wurde jedoch verhaftet und im Februar 1946 vom Volksgericht Wien wegen des „Verbrechens des Hochverrats am österreichischen Volk“ zu „lebenslangem Kerker, verschärft durch Dunkelhaft an jedem 13. März und ein hartes Lager alle Vierteljahre“ verurteilt. 1949 enthaftet, war er bis 1969 im „Verein der Freunde des Wohnungseigentums “ tätig. Gestorben am 25.8. 1977 in Wien.