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können, war absolut unrealistisch; das hieße, die Repressionsmethoden der Nationalsozialisten absolut zu verkennen und sie weit zu unterschätzen. Außerdem hätte es zu einer Verweigerung sicher mehr Mut bedurft, als ihn Neumayer aufgebracht hat. Und schließlich: Zu den „Lauen“ hat er ja selbst gehört, der erst Ende 1943 versucht hat, dieser Partei beizutreten, als er schon wusste, dass er nicht mehr aufgenommen werde. Eine wichtiger Zeugin ist mir in dieser Beziehung Frau Dr. Dostal, die Tochter Storniggs. Sie war zur Zeit des Kriegsendes 21 Jahre alt und hatte durch die Berichte ihres Vaters vieles miterlebt.’ Aus ihren Schilderungen und aus dem, was ich selbst noch von der personellen Situation in der Anstalt wahrgenommen habe, wage ich den Schluss zu ziehen, dass Neumayer Stornigg gedeckt hat, weil er ihn für das Funktionieren des Hauses dringend brauchte. — Es war sicher so, dass der Zwang, das Unternehmen in Gang zu halten, manche Leitung zu einem Hinwegschauen bewog, das eher egoistische Motive hatte. Drei Episoden, die auch die Atmosphäre dieser Zeit beleuchten, deuten sehr darauf hin: Storniggs Frau stammte aus Miskol£. Anstelle eines „Ariernachweises“ besaß sie bloß eine Bestätigung der dortigen Pfarre, dass diese einmal abgebrannt wäre und keine Nachweise besitze. Trotzdem gab es um Frau Stornigg herum entsprechende Gerüchte, die auch zu Neumayer drangen. Er ließ Stornigg zu sich kommen und erklärte ihm, er könne einen Angestellten, der eine jüdische Frau habe, nicht in einer leitenden Stellung belassen. Stornigg erklärte daraufhin, dann bliebe er eben in einer nicht leitenden Stellung. — Heute ist eine solche Äußerung nicht mehr auf gleiche Art verständlich. Damals hieß das — durch die Blume gesagt —: Dann warte ich eben ab, bis dieser Nazispuck vorbei ist. Neumayer ließ die Angelegenheit unter den Tisch fallen. Er stand sicherlich unter dem Druck, die Arbeitsfähigkeit des Betriebes gegen die Zeloten der Partei zu verteidigen. Bei einer Altmetall-Sammlung wurde entdeckt, dass Stornigg Bronzebüsten von Karl Seitz, dem ehemaligen „roten“ Bürgermeister, und — Grete Stornigg-Dostal glaubt sich zu erinnern — von Hugo Breitner und Julius Tandler (also noch dazu Juden) aufbewahrt hatte. Auch Stanno war informiert worden. Neumayer ließ die Sache unter den Tisch fallen; es muss ihm auch gelungen sein, den Wachhund Stanno zu zähmen. Stornigg hatte sich die längste Zeit mit Hilfe einer alten Skiverletzung vom Militärdienst freihalten können; in einer späteren Phase erreichte Neumayer für ihn die dauernde Freistellung. Der Prozess’ gegen Rudolf Neumayer Verteidiger von Rudolf Neumayer war der nach 1945 prominenteste Anwalt der „rechten Reichshälfte“, Dr. Zörnlaib. In der Klagebeantwortung führte er äußerst sachlich die Tatbestände an, so dass meines Erachtens das Urteil sofort so gefällt hätte werden können, wie es dann auch gefällt wurde: Hochverrat durch den Eintritt in die Übergangsregierung Seyss-Inquart und die ohne jeden Zwang erfolgte Kollaboration an bedeutenster Stelle. Das war unbestritten. Warum das Gericht so ausführlich und lang über Neumayers Kontakte und Freundschaften, wie z. B. mit der recht inferioren Figur des Edmund Glaise-Horstenau, oder über eine eventuelle Gegnerschaft zum Außenminister Guido Schmidt verhandelte, ist mir unverständlich. Ich hatte fast den Eindruck, dass die Richter mit ihren Fragen etwas anderes suchten als den eigentlichen Prozessgegenstand. 11