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Es wird Licht, und es werden die Gestalten zweier Alten mit den Füßen im Wasser sichtbar. Paff! Das Licht geht aus. Sie (voller Bewunderung): — Immer hast du Recht! Er (unsicher): — Und nun? Sie: — Nun hol die Taschenlampe her! Er: — Ich hab sie hier! Sie (aufgeregt): - Dann mach sie endlich an! Ein Lichtspot irrt in dem kleinen Kellerzimmer über durcheinander gestapelte Pakete. Schließlich bleibt er auf der Wasseroberfläche stehen. Aus dem Wasser kommt ein knorriger alter Fuß hervor und streckt die Zehen aus. Sie (kichernd): — Virgil, na so was: ohne Hausschuhe! Wehe, wenn dich Mütterchen gesehen hätte! Er (erheitert): — Du hast also Hausschuhe? Aus dem Wasser kommt ein kleiner, oranger Hausschuh hervor. Sie lachen. Man hört das Schmatzen eines langen Kusses. * Der Asphalt wird mit einem Platsch Wasser begossen. Ein Eimer. Zwei Eimer. Die Stimme einer jungen Raucherin: — Mensch, bist du verrückt? Eine Frau mit weißer Schürze nimmt hastig ihre Brezelkisten und stellt sie näher an den U-Bahneingang des Vereinigungsmarktes. Die Zigeunerin: — Was bist du immer besessen! Sie verschwindet hinter der Blumenbude, von wo sie schimpft: — Hast du sonst keinen anderen Platz gefunden, Teufel? Komm, verschwinde von hier! Ein mageres Zigeunermädchen läuft erschrocken davon. Es stolpert über die U-Bahntreppe und fällt auf den Boden. Von unten erblickt es zwei dicke Beine in kurzen Hosen. Der kleine Junge der Brezelverkäuferin blickt grimmig aufsie herab. Das Zigeunermädchen steht auf, läuft davon und schreit mit schriller Stimme: — Aaaaaaaaaaaaaaa... Der Junge blickt ihr einen Augenblick verblüfft nach. Dann aber läuft er weg, das Mädchen zu verfolgen: — Wau, wau, wau... * Möwengeschrei. Vogelperspektive. Aufeinem öden Baugelände stehen farbige Schirme. Unter den Schirmen — Frauen hinter runden Plastik-Gartentischen. Darauf eine Schreibmaschine. Neben jedem Tisch ein Schirm: Krankenversicherungen Autoversicherungen Karteizettel Fahrausweise Löschungen Andere Urkunden Im Schatten jedes Schirmes eine Flasche Erfrischungsgetränk. Stille. Die meisten Frauen lehnen aufihren Ellenbogen und haben einen starren Blick. Eine junge Frau, mit Schmetterlingen in den Haaren, pinselt sich Nagellack auf und singt melancholisch vor sich hin. Sie unterbricht sich plötzlich und schaut in die Sonne. Etwas erschüttert die Luft. Man hört ein nasales „Küss-dieHand!!!“ durch einen Lautsprecher, und ein Hubschrauber fliegt vorbei. * 42 — Vatiii, bitte schließ die Tüüür! — eine weinerliche Kinderstimme, die man wegen dem Rotoren-Geräusch kaum hört. Das Kind sitzt in einer schwankenden Ecke zusammengekauert. Ein Mann mit Faustkämpfermiene und einem Lautsprecher in der Hand dreht sich zu ihm um und lacht. (Das Lachen hört man aber wegen dem Rotoren-Geräusch nicht). Danach dreht er sich wieder zur offenen Tür und ruft hinaus, durch den Lautsprecher: — Ich werde nie eine Tür schließen! Ich halte alle Türen offen! Niemand soll je sagen, Djicu ist kleinlich! Er dreht sich zum Kind um, voller Eifer und Glück. Spricht weiter durch den Lautsprecher: — Vlad, Junge, lass deine Angst und komm hierher, dein Land zu sehen, wie schön es ist! Er winkt ihm ermutigend zu. Ruft dann dem Piloten: — Nicu! du armes Schwein: Pass auf an deinem Steuer! Wenn du meinem Jungen Angst machst, werf’ ich dich den Hunden vor! Sanftmütig dem Kind entgegen: — Komm’ Junge... langsam... Glaubst du, die Männer von der Fremdenlegion haben keine Angst? Sie machen sich in die Hosen vor Angst! Aber sie wagen alles! Wie dein Vater! Nur so schaffst du etwas im Leben! Komm... langsam... Das Kind erhebt sich unsicher und streckt dem Mann seine kleine Hand entgegen. Er packt sie und zieht es zur Tür. Sie blicken nach unten. * Eine nasale Stimme kündigt an, dass wegen Arbeiten an der UBahnlinie die U-Bahn aus der Gegenrichtung genommen und dann wiederum bei der folgenden Station gewechselt werden muss. Akkordeonlied. Die Türen öffnen sich und Menschen fallen in Trauben heraus. Sie drängen sich durch die U-Bahngänge, die Treppen hinauf, die Treppen wieder hinunter und dann zur entgegengesetzten Linie. Stampfen und Ausrufe. Von Zeit zu Zeit der verstimmte Lufthauch des zusammengequetschten Akkordeons. Auf einmal geht das Licht aus. Stille. Einige Pfiffe. Ein hysterisches Frauenlachen. Scheinwerferlicht. — Ist ok so? eine Männerstimme. — Nein, das andere Licht war besser! Wirkt natürlicher! eine andere Männerstimme. Das Licht wird wieder aufgedreht. Im Bild erscheint eine zierliche Blonde mit einem Mikrophon in der Hand: — On air? Ghm! Ja: wir senden von der Matei-Basarab-Station, wo wegen... Stop! Noch einmal! (dem Kameramann) — Die drängen mich von hinten! — Hallooo, Menscheeen... drängt euch nicht mehr so! eine Männerstimme. Die blonde Reporterin schaut auf einige Blätter hinab und beginnt: — Wir senden von der Matei-Basarab-Station, wo die gewohnte Fahrstrecke nach Dristor2 einige Veränderungen... Männer stehen hinter der Blonden und schauen grimmig in die Kamera. Kinder kichern, und einige von ihnen springen in das Bild und winken. Die Frauen fängt die Kamera nicht mehr ein, dafür aber sprechen sie laut, um sich Gehör zu verschaffen: — So geht es nicht mehr! — Wir haben Kinder!. — Alles wird so teuer! Ab und zu greift grimmig ein Mann ein: — Ssssssssssssst! Ruhe da!