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Académie des Beaux Arts in Istanbul zu unterrichten. Manche der neuen Professoren wurden sogar aus der Haft geholt. Der Genfer Pädagogikprofessor Albert Malche, der später einen Lehrstuhl in Istanbul innehatte, hatte schon Juli 1933 mit dem türkischen Unterrichtsminister eine Liste jener deutschen Wissenschafter ausgearbeitet, die für die Zeit des Exils auftürkischen Universitäten Arbeit finden sollten.) So tolerant man sich in der Aufnahme von Flüchtlinge aus dem von Nazi-Deutschland terrorisierten Europa zeigte, so erbarmungslos ging man gegen Abweichler in den eigenen Reihen und Intellektuelle vor. 1937 organisiert Hikmet ein Hilfskomitee für das Republikanische Spanien. Am 17. Januar 1938 wird Näzım Hikmet wegen Anstiftung zur Revolte neuerlich verhaftet. Er muß sich vor einem Marinegericht auf dem Kriegsschiff Erkin und vor einem Militärgericht in Ankara verantworten. Sein Verteidiger ist Mehmet Ali Sebük. Er wird zu 28 Jahren und vier Monaten Haft verurteilt und mit einem Publikationsverbot belegt. Nicht die Tatsache, daß Hikmet bis 1930 Mitglied der verbotenen Türkischen Kommunistischen Partei TKP war (er wurde ausgeschlossen, weil er die heranbrandende Paralyse jeder Kritik und die subalterne Adhärenz gegenüber Moskau in Frage stellte), sondern eine unheilvolle Begegnung mit einem Marinekadetten, die sich im nachhinein als eine von langer Hand geplante Provokation herausstellte, diente als Beweismaterial. Dieser Ömer Deniz, der ihn in einem Kino voll Bewunderung anspricht, und den er nicht abwimmeln kann, folgt ihm bis zu seiner Wohnung in Nisantagı. Am nächsten Morgen wird im Schrank des Kadetten auf der Akademie ein Gedichtband Näzım Hikmets, nämlich Es schneit im Dunkeln, gefunden. Das genügt, um Näzım im Kreise der Verschwörer zu sehen, die zur Revolte aufrufen. Im Laufe seiner langen Gefängnisjahre in Istanbul, Cankırı bei Ankara und Bursa von 1938 bis 1950 versucht Hikmet durch Vermittlung des Großonkels mütterlicherseits, General Ali Fuat Cebesoy, vergeblich, das Verfahren gegen ihn wieder vor einem Zivilgericht aufzurollen. Ein sehr persönlicher 60 Brief an Mustafa Kemal Atatürk, der am 10. November 1938 stirbt und die letzten zwei Lebensjahre an einer Leberzirrhose leidend in fast mystischer Agonie zubrachte, bleibt unbeantwortet. De facto liegt die Macht bereits in anderen Händen. Man zweifelt zurecht, ob der todkranke Prediger der permanenten Revolution und Freund der Familie Hikmets diesen Brief je erhalten hat. Ihm, seinem tapferen, leidgeprüften Volk hat Näzım Hikmet dann auch das rund 1.300 Verse umfassende Epos vom Befreiungskrieg oder Kurtulus Savası Destanı oder Kuvayı Milliye Destanı in freien Rhythmen und unregelmäßigen Reimen gewidmet, das 1939 bis 1941 entstanden ist. Von diesem Volk, diesen Menschen sagt er, daß sie so zahlreich sind wie die Ameisen in der Erde, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, ängstlich, tapfer, unwissend, weise und wie Kinder, daß sie es sind, die vernichten und erschaffen und es in diesem Epos nur ihre Abenteuer gibt. In der Epoche der weltweiten Umbrüche und Umwälzungen (1938-1950), von der Nazim Hikmet im Mikrokosmos des Gefängnisses nur tiber Zeitungen, Radioapparate eines „Radiomanen“ und Briefe Kenntnis erhält, schafft er sein größtes Werk, das 200.000 Verse umfassen sollte, ein Torso von 60.000 Versen wurde, von denen viele, auf Umwegen aus dem Gefängnis gebracht, verloren gingen, ja sogar aus Unverstand und Angst verbrannt wurden, einige jedoch vielleicht noch in irgendwelchen Dachkammern in Istanbul schlummern, und schließlich mit knapp 16.000 Versen als Menschenlandschaften (Memleketimden Insan Manzaraları) gedruckt worden ist. Im Gefängnis von Bursa übersetzt Näzım Krieg und Frieden von Lev Tolstoi, malt, unterrichtet und erfindet sogar eine neue Webart, mit der man feinste Seidenstoffe herstellen kann. Um das Geheimnis dieses Verfahrens zu lüften, sollen die Tuchhändler von Bursa sogar einen erfolglosen Spion ins Gefängnis geschmuggelt haben. Das Verhältnis zu Piraye kühlt sich durch die aussichtslosen Jahre der Trennung ab, sie besucht ihn kaum mehr. 1948 aber besucht ihn, zuerst in Begleitung seiner Mutter, Münevver, eine in Sophia geborene und aufgewachsene Näzım Hikmet mit Münevver Andag, 1950 Cousine, die verheiratet war und eine Tochter hat. Münevver ist belesen, kunstbeflissen, kennt sich in der türkischen Literatur aus und beherrscht die französische Sprache. Später wird sie in Paris die Werke Näzım Hikmets ins Französische übersetzen und damit für die Welt öffnen. 1949 erkrankt Näzım Hikmet ernsthaft an Angina Pectoris. Weltweite Pressekampagnen, ein Komitee zur Befreiung Näzım Hikmets werden ins Leben gerufen. Unter anderen schreiben Jean-Paul Sartre, Louis Aragon, Pablo Picasso, Pablo Neruda und Bertolt Brecht an den türkischen Staatspräsidenten. Zweimal tritt Nazim Hikmet im April/Mai 1950 in den Hungerstreik. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet die konservativ-reaktionäre Demokrasi Partisi ihn durch eine Amnestie begnadigt. Am 15. Juli 1950 verläßt er nach zwölf Jahren, fünf Monaten und sechzehn Tagen das Gefängnis. Doch die Mäkeleien der rechtspopulistischen Presse, die ihn im Konzert mit der Demokrasi Partisi des Verrats am Vaterland zeihen, und das immer engmaschigere Netz der Intrigen um seine Person veranlassen den Leidgeprüften schließlich, das Exil zu wählen. In meiner Stadt mit sieben Hügeln ließ ich zurück meine Rosenknospe. Weder vor dem Tod sich fürchten, noch an den Tod denken, ist eine Schande. Am 26. März 1951 gebiert ihm Münevver Andag einen Sohn, den sie Mehmet nennen. Als man den „Volksverräter“ Näzım Hikmet auch noch zum Militärdienst einberufen will (er ist davon überzeugt, daß man ihn unter dem Vorwand der Fahnenflucht töten will), verläßt er Istanbul am Morgen des 17. Juni 1951, auf