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ORPHEUS TRUST gebrachten Technik, sowie bis ganz heran an die letzte zeitgemässe Kunst zu entwickeln haben, so dass sie an den Aufgaben der Weiterentwicklung der Kunstmittel mit vielseitig geschulter Kraft mitzuwirken fähig sind. II. Dieses Institut soll seine sämtlichen Schüler dahinbringen, dass sie sowohl das was sie von anderen gelernt haben, als auch das, was sie durch ihr eigenes Talent zu erwerben imstande sind, ihr gesamtes künstlerisches Können somit, nicht nur weiterzugeben imstande sind, sondern weiterzu|[ver]breiten bestrebt sind; dass sie somit Lehrer aus tiefstem Herzensbedürfnis und aus Erkenntnis ihrer menschlichen Pflicht heraus werden. IH. Dieses Institut soll somit eine Centrale werden, in welcher alle bedeutenden und vorwärtsstrebenden Künstler des Landes, und auch andere, zu dem Ziel einer planmässigen Verbreitung der in unserem Zeitalter höchstmöglichen Musikkultur sich vereinigen und gleichzeitig die Grundlage legen zu einer Lehrerschaft, welche sowohl durch ihre Eignung, als auch durch ihre Anzahl imstande sind, im ganzen grossen Reich denselben Segen zu verbreiten, den sie empfangen durfte[]. IV. Diese[s] Institut wird sich nebst seiner vorher gekennzeichneten Tendenz zur Zukunft von allen anderen Musikunterrichtsinstituten noch durch eines unterscheiden: Es soll nach einem durchaus neuartigen System all jenes mechanische, bienenfleissige, aber wenig intelligente Ueben, bis aufs Allerunentbehrlichste eingeschränkt werden. Es werden insbesondere zwei Neueinrichtungen sein, welche dazu helfen sollen, dass aus diesem Vorhaben kein Schade entsteht, sondern ein unerwartbar grosser Gewinn, wie erprobt wurde. Die erste basiert auf dem Grundprinzip aller künstlerischen Tätigkeit: dass nämlich die Phantasie zu schaffen habe; die Vorstellungskraft, das Einbildungsvermögen. Durch zweckmässige Uebungen sollen die Schüler dahingebracht werden, dass sie das Ueben erst beginnen, wenn sie durch Lesen sich eine exakte Vorstellung von dem Darzustellenden gebildet haben, dass sie also nicht durch takt- resp stellen-weises Ueben erst zu einer Vorstellung des Ganzen gelangen, sondern umgekehrt: vom Ganzen ausgehend zu den Details gelangen.” Il Infolge der zweiten Einrichtung, welche darin bestehn soll, dass jeder einigermassen dazu reife Schiiler dem entsprechend unreiferen beim Ueben ebenso helfen soll, wie ihm seinerzeit von Reiferen geholfen wurde, infolge dieser Einrichtung, wird in allen Schülern der Lehreifer geweckt und die Lehrbefähigung gefördert werden. V. Von den Lehrzielen sei im Allgemeinen folgendes gesagt: Es soll die Technik aller Instrumente auf ein ungefähr gleiches Niveau gehoben werden. Das gilt insbesondere von den Bläsern und einer sehr grossen Anzahl von Orchestermusikern, welche sich mit einer relativen Technik und Sicherheit begnügen und in sehr vielen Fällen von den höheren Aufgaben ihres eigenen Instruments nicht genug wissen, geschweige denn, dass sie ein unmittelbares Verhältnis zu Kunstfragen besitzen. Ferner wird es nötig sein, jenes pseudo-wissenschaftliche Verfahren auf seinen rechten Platz zurückzuverweisen, welches 76 ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT vielleicht hundertperzentige Schuld am Verfall der Gesangskunst in der ganzen Welt trägt. Hier wird es wieder Aufgabe des „guten Musikers“ sein, dem Sänger jene musikalischen und technischen Leistungen abzuverlangen, die in früheren Zeiten selbstverständlich waren. Neue Pläne bestehen auch für die bessere Ausbildung der Kapellmeister für ihren leitenden Beruf. Nicht zuletzt wird es ihr künstlerisches Wissen und Gewissen sein, das einer besseren Fundierung bedarf; aber auch technisch, wenn auch nicht manuell, wird sich manches verbessern lassen. Die Orchestermusiker sollen zu grösster Schlagfertigkeit durch zeitlich beginnende Blattleseübungen erzogen werden. Andrerseits aber wird es vielleicht noch wichtiger sein, ihnen sowohl das Standesbewusstsein eines Künstlers beizubringen; als auch das Gewissen eines Solisten und seines speziellen Ehrgeizes: seinen Part mit solistischer Sorgfalt auszuführen. Eine Chorschule für alle Schüler wird bekannte günstige Einflüsse auf die Musikalität der Schüler ausüben: doch soll auch hier eine dem Orchester nahekommende Schlagfertigkeit angestrebt werden und eine dem Sologesang möglichst nahekommende Gesangstechnik. VI. ALLEN SCHUELERN MUSS ES ZUR LEBENSGEWISSHEIT WERDEN, DASS IN KUENSTLERISCHEN FRAGEN KOMPROMISSE AUSGESCHLOSSEN SIND UND DASS UNBEUGSAMKEIT EIN TEIL DES TALENTS IST. VII. Im Interesse der Kontinuität, Gleichmässigkeit und Unbekümmertheit ihrer Arbeit wird ein solches Institut am besten fern von einer Millionenstadt gelegen sein, deren Hast, Unbeständigkeit, modischer Wechsel etc ihm schädlich sein könnten. Am besten würde es (in einem gesunden, gleichmässigen Klima) eine einige Kilometer von einer Kleinstadt entfernte Vorstadt sein, mit allen Möglichkeiten, sich auszubreiten und Jahresringe anzusetzen. Reinhard Kapp, geb. 1947 in Hof/Saale. Studium der Musikwissenschaft, Philosophie und Religionswissenschaft in Heidelberg und Berlin (FU). Promotion mit einer Arbeit über das Spätwerk Robert Schumanns. Teilnahme an den Kursen zur Musik der Wiener Schule von Rudolf Kolisch und Rudolf Stephan im Mödlinger Schönberg-Haus. Diverse Lehraufträge, Gastprofessur in Kassel (Gesamthochschule). Redakteur in der Richard-Wagner-Forschungsstelle München. Seit 1992 Professor für Musikgeschichte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Forschungsschwerpunkte: Musik des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere Zweite Wiener Schule; Geschichte der musikalischen Aufführung. Anmerkungen 1 Vortrag, gehalten im Rahmen eines Gastspiels des Klangforum Wien in St. Petersburg im Frühjahr 1997. Ein analoges Referat in Moskau behandelte „,‚Sinfonien aus Volksliedern’. Schönbergs Stellungnahmen zur Nationalisierung des musikalischen Diskurses in der Sowjetunion und den USA“. Für den Druck wurde der Text geringfügig erweitert und der Redecharakter behutsam der Schriftform angenähert.