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„Grüß mich Gott!“ Fritz Grünbaum zum 125. Geburtstag Fritz Grünbaum war wahrscheinlich der bedeutendste Kabarettist der Zwischenkriegszeit. Vielfach vergessen ist die enorme Bandbreite seines Schaffens: Er textete über 40 Operetten, über 100 Chansons, zahllose Kabarett-Texte und war auch als Bühnen- und Filmschauspieler überaus erfolgreich und beliebt. Wie so viele andere großen Künstler stammte auch Fritz Grünbaum aus Brünn. Geboren 1880, ging er nach der Matura nach Wien, um Jus zu studieren. Doch zogen ihn die BrettlBühnen magisch an und er stieg ins Etablissement Hölle hinab, um als bekannter Conferencier aus ihr emporzusteigen. Auch in Berlin mochte ihn das Publikum — eine Kunst fiir sich, wenn man bedenkt, wie unterschiedlich der Humor dieser beiden Metropolen ist: „Berlin lacht über den Witz, der auch dem Verstand entspringt. Wien über den Humor, der aus dem Herzen kommt. Und da ich diesen geistigen Witz und den herzlichen Humor mische, gefalle ich in Wien und Berlin“, erklärte Grünbaum selbst. Der Erste Weltkrieg bedeutete eine gewaltige Zäsur im Leben Fritz Grünbaums. Die erste Euphorie, in der er einige patriotische Stücke, Chansons und Texte verfasste, wich rasch der Desillusion. Grünbaum meldete sich freiwillig zum Frontdienst und kehrte als politisch links engagierter Künstler zurück. Nun folgten Jahrzehnte des Erfolgs: Die Bühnen rissen sich um den einzigartigen Conferencier, der das Publikum in seinen Bann zog und es verstand, auf höchstem Niveau zu unterhalten. Durch seine mannigfachen Begabungen prägte er die Unterhaltungskultur nachhaltig. Er übernahm auch die Direktion mehrerer Bühnen, doch zog es ihn bald wieder selbst ins Rampenlicht. Schlager wie „Ich hab’ das Fräul’n Helen’ baden sehn“ oder „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ waren dass sie aus der Feder Grünbaums stammten? - Der finanzielle Erfolg schlug sich auch in einer enormen und mit großem Wissen zusammengestellten Kunstsammlung nieder. Dieser ist es zu „verdanken“, dass Grünbaum Ende der 1980er Jahre wieder in die Schlagzeilen geriet: Die Beschlagnahme von Schieles „Tote Stadt III“ in New York löste die längst nötige Restitutionsdebatte in Österreich aus, die endlich vieles aufbrach und bewegte. 1938 war alles zu Ende. Grünbaum wurde inhaftiert, in die KZ Dachau und Buchenwald deportiert. Niemals hatte er sich ein Blatt vor den Mund genommen und die Nationalsozialisten immer scharf kritisiert. Deren Gedächtnis war lang: Fritz Grünbaums Leben endete nach Misshandlungen und Demiitigungen am 14. Jänner 1941 im Konzentrationslager Dachau. \ Marie-Theres Arnbom 17. Februar bis 8. Mai 2005: Fritz-Griinbaum-Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum (Kuratoren: Marie-Theres Arnbom und Christoph Wagner-Trenkwitz), Rahmenprogramm unter www.theatermuseum.at. Das Buch zur Ausstellung erscheint im Verlag Christian Brandstatter. Veranstaltungen Freitag, 8. April 2005, 19 Uhr 30: Osterreichische Gesellschaft fiir Literatur, 1010 Wien, Herreng. 5: Totenjäger von Leo Katz. Ein großer Roman des Exils. Lesung mit Friedrich Katz (Chicago), Sohn des Schriftstellers und Ottwald John. Mittwoch, 13. April, 18 Uhr 30, Bundesgymnasium 19, 1190 Wien, Gymnasiumstr. 83: Buchpräsentation Dagmar Ostermann: Eine Lebensreise durch Konzentrationslager. Hg. von Martin Krist, Verlag Turia + Kant. 15.-17. April: Das Kuratorium der Paul Grüninger Stiftung (Schweiz) tagt in Wien. Samstag, 16. April, Paul-Grüninger-Schule, 1210 Wien, Hanreitergasse 2, 11-13 Uhr: Empfang für die Mitglieder des Kuratoriums. Sonntag, 17. April, 11 Uhr, Jüdisches Gemeindezentrum, 1010 Wien, Seitenstetteng. 4: Neues über das Exilland Schweiz — mit Jacques Picard und Stefan Keller. Montag, 18. April, 19 Uhr 30, Österreichische Exilbibliothek/Literaturhaus, 1070 Wien, Zieglerg. 26a: Erich Hackl stellt den Historiker und Schriftsteller Stefan Keller und seine Reportage Die Rückkehr. Josef Springs Geschichte (Zürich: Rotpunktverlag 2003) vor. Freitag, 22. April, 19 Uhr, Unabhängiges Literaturhaus NÖ, 3504 Krems, Steiner Landstraße 3: Eröffnung der Ausstellung „Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer“. Dienstag, 26. April, 18 Uhr 30, IWK, 1090 Wien, Bergg.17: Günter Gößler (Wien): Das jüdische Chajes-Gymnasium. Ein Buchprojekt. Kommentar: Hannah Fischer, ehemalige Schiilerin des Chajes-Gymnasiums. Moderation: Evelyn Adunka. — Das posthum nach Oberrabbiner Zwi Perez Chajes benannte und von Viktor Kellner geleitete jiidische Realgymnasium wurde 1984 wiedererricht. — Eine Veranstaltung von „biografiA“ und FrauenAG in der ÖGE. Donnerstag, 28. April, 19 Uhr 30: Unabhängiges Literaturhaus NÖ, Krems: Der Widerstand im Gedicht. Erich Hackl und Siglinde Bolbecher lesen Theodor Kramer. Wiener Akademie des Exils: Mittwoch, 11. Mai, 19 Uhr 30, Arnold Schönberg Center, 1030 Wien, Zaunerg. 1: Die Rückkehr aus dem Exil. Hauptreferat: Dr. Bigitte Bailer (Wien), Zeugenbericht: Kurt Menasse (Wien). Moderation: Siglinde Bolbecher. — Veranstaltung der Osterreichischen Gesellschaft fiir Exilforschung (OGE). Samstag, 21. Mai, 20 Uhr, Minoritenkirche in Krems-Stein: Theodor Kramer Preis fiir Schreiben im Widerstand und im Exil 2005 — Verleihung an Georg Stefan Troller (Paris). Die Laudatio halt der Schriftsteller Felix Mitterer. Theodor Kramer-Vertonungen singt H. E. Wenzel (Berlin), bekannt durch die CD „Lied am Rand“. Gemeinsame Veranstaltung mit dem Unabhängigen Literaturhaus NÖ und der Grazer Autorenversammlung. Zuvor, um 18 Uhr: Finissage der Ausstellung „Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer“. Montag, 23. Mai, 19 Uhr 30, Literaturhaus Salzburg, 5020 Salzburg, Struberg. 23: Lesung des Theodor Kramer-Preisträgers 2005 Georg Stefan Troller. Herta Blaukopf (1924 — 2005) Mit Erschütterung erfahren wir, daß unsere Mitarbeiterin Herta Blaukopf, geb. Singer, am 19. Jänner in Wien gestorben ist. Sie überlebte die NS-Zeit in Wien als „jüdischer Mischling 1. Grades“, studierte 1945-48 Germanistik in Wien, war Journalistin, Musikwissenschaftlerin, Buchautorin, seit 1959 mit Kurt Blaukopf (1914 - 1999) verheiratet. Auch für ZW verfaßte sie mehrere Beiträge. Klugheit, Heiterkeit und Entschiedenheit zeichneten sie aus. Sie bleibt unter uns. S.B/K.K. Hilde Federn (1910 - 2005) Am 19. Jänner 2005 ist Hilde Federn verstorben. Im Wien der 30er Jahre war Hilde Federn in dem Entwicklungszusammenhang tätig, in dem die Kinderanalyse begründet wurde. 1938 wurde ihr Mann Ernst Federn verhaftet und im KZ interniert — um ihn frei zu bekommen, wollte sie nicht emigrieren. Sie überlebte das NS-Regime als sogenannte Halbjüdin in der lebensrettenden Unterstützung ihres Mannes und ihrer Familie. Nach dem Krieg emigrierte sie in die USA. 1972 nach Wien zurückgekehrt, wirkte sie am Aufbau des Sigmund Freud Museums mit. B.K. Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands. Jg. 21, Nr. 3/4, April 2005. Eigentümer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, Wien. ISSN 1606-4321. Zulassungsnummer 022030485 M.