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Die Bibliothek wurde nach Singers Tod geschlossen. Die IKG hatte die größten Schwierigkeiten, einen kompetenten Nachfolger für Singer zu finden. Nach zwei gescheiterten Versuchen 1959 und 1966 dauerte es von 1978 bis 1994, bis die Reorganisierung und — mit Hilfe des Jüdischen Museums ermöglichte — Neueröffnung der rund 30.000 Bände umfassenden Bibliothek erfolgten.” Abraham Singers einziger bereits erwähnter Sohn Erwin, geboren 1919, wanderte 1938 in die USA aus, hatte zwei Söhne, Paul und Dr Eric Singer, und starb bereits 1980. Er war ein sehr bekannter Psychotherapeut und Psychoanalytiker, unterrichtete am City College und an der New University und veröffentlichte 1965 das mehrfach aufgelegte Buch „Key Concepts in Psychotherapy“. Abschließend soll hier noch eine Geschichte kurz erwähnt werden, die sowohl für Singers Persönlichkeit als auch für die tragischen Umstände der Zeit bezeichnend ist. 1956/57 betreute Singer mit Hilfe seiner Frau überaus engagiert und warmherzig einen Wiener jüdischen Jungen, Robert K., der kurz vor seiner Bar Mizwa stand und der von seinen Eltern, die in der Dominikanischen Republik lebten, in eine Internatsschule nach Wien geschickt worden war. Der Junge war menschenscheu, aber lieb, nett, wohlerzogen und fleißig. Singer schrieb über seine Bar Mizwa: ‚Keine Spur von Lampenfieber, von Nervosität. [...] Es war alles schön, sehr schön und in Ordnung. [...] Dass er an die Vorgänge im Tempel sein Leben lang gerne denken wird, können Sie sicher sein.“ Singers konnte sein Interesse für Jiddisch nach 1945 in Wien vermutlich nur eingeschränkt ausleben. Er korrespondierte mit der Medem Bibliothek in Paris und er las sicher jiddische Zeitschriften. Ob er außer mir Melecht Rawitsch mit anderen jiddischen Autoren Kontakt hatte ist nicht bekannt. Melech Rawitsch muß in der Zeit um den Jom Kippur 1955 zu Besuch in Wien gewesen sein. Seine Eindrücke verarbeitete er in drei Wiener Briefen; im dritten und letzten erinnert er ausführlich an das Wirken Abraham Singers. Das Erscheinen des Artikels zeigte er Singer in einem Brief aus Montreal vom 4. Februar 1957 an: Lieber Freund Abraham Singer, Sie haben uns wahrscheinlich schon vergessen, aber wir erinnern uns an Sie und erwähnen Sie bei vielen Gelegenheiten. Und nun habe ich Sie auch in einem meiner Artikel erwähnt. Der Artikel wurde hier gedruckt, wird aber noch in vielen jiddischen Zeitungen gedruckt. Übrigens haben wir auch im Buch der Czernowitzer Sprachkonferenz Ihr Bild herausgesucht. Seien Sie gesund und stark und schreiben Sie doch ein Wort Rachel und Melech Rawitsch 1 Hugo Gold: Geschichte der Juden in der Bukowina. Tel Aviv 1958, Band I, 153, 157; Evelyn Adunka: Die vierte Gemeinde. Berlin 2000, 306. 2 A. Singer an die Firma Röderberg-Verlag, 22.1. 1957, Ordner A. Singer, 1. Halbjahr 1957, Archiv der IKG. 3 A. Singer an Moses Silberroth, 16.8. 1939, 22.4. 1949; A. Singer an Herrn Karmann, 22.4. 1949, Nachlaß Moses Silberroth/51, Archiv für Zeitgeschichte, Zürich. 4 A. Singer an M. Silberroth, 21.9. 1946, Nachlaß M. Silberroth/51, Archiv für Zeitgeschichte, Zürich. — Der Prozeß wurde 1947 fortgesetzt; vgl. A. Singer an M. Silberroth, 7.6. 1947, ebd. 5 A. Singer an Judith K., 1.2. 1957, Ordner A. Singer, 1. Halbjahr 1957, Archiv der IKG; Information von Wolf-Erich Eckstein, IKG Wien. 6 A. Singer an Wilhelm Krell, 29.12. 1954, Ordner A. Singer 1954, Archiv der IKG. 7 Neue Welt und Judenstaat, März 1952. 8 Evelyn Adunka: Die vierte Gemeinde, wie Anm. 1, 187; IPN, 30.6. 1957, 27.2. 1958. 9 A. Singer an Shlomo Shunami, 16.10. 1955, Ordner A. Singer 1955, Archiv der IKG. 10 A. Singer an Shlomo Shunami, 28.1. 1957, Ordner A. Singer, 1. Halbjahr 1957, Archiv der IKG. 11 Ebd. 12 Vgl. Evelyn Adunka: Der Raub der Bücher. Plünderung in der NSZeit und Restitution nach 1945. Wien 2002, 72ff., 148ff. 13 Vgl. ebd., 138ff.; News of the YIVO, Nr. 65, 1957. 14 Vel. ebd., 171f.; A. Singer an Shlomo Shunami, 21.11. 1956, Ordner Rabbinat 1956, Archiv der IKG. 15 Zum Beispiel A. Singer an Shlomo Shunami, 16.10. 1955, Ordner A. Singer 1955; 21.11.1956, Ordner Rabbinat 2. Halbjahr 1956, Archiv der IKG. 16 A. Singer an Wilhelm Krell, 5.1. 1949, Box 59, Archiv der IKG. 17 Evelyn Adunka: Die vierte Gemeinde, wie Anm. 1, S. 105. 18 Ebd., 143. 19 Die Tätigkeit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien in den Jahren 1953 bis 1954. Wien 1955, 51. 20 Evelyn Adunka: Die vierte Gemeinde, wie Anm. 1, S. 306. 21 A. Singer an M. Silberroth, 7.6. 1947, 13.5. 1949; an Frau Silberroth, 13.7. 1947, Nachlaß M. Silberroth/51, Archiv für Zeitgeschichte, Zürich. 22 A. Singer an M. Silberroth, 4.5. 1955, Nachlaß M. Silberroth/51, Archiv für Zeitgeschichte, Zürich; IPN 31.5. 1955; vgl. Evelyn Adunka: Der Raub der Bücher. Wien 2002, 202f. 23 A. Singer an Rafael Edelmann, 4.3. 1956, Ordner A. Singer 1955, Archiv der IKG. 24 A. Singer an Wilhelm Krell, 30.4. 1951, Ordner A-B Intern 1951, Archiv der IKG. 25 A. Singer an Shlomo Shunami, 27.6. 1957, Ordner A. Singer, 1. Halbjahr 1957, Archiv der IKG. 26 Die Gemeinde, 27.6. 1958. 27 IPN, 16.6. 1958. 28 Evelyn Adunka: Die vierte Gemeinde, wie Anm. 1, 307-310. 29 Wilhelm Krell an Erwin Singer, 8.8. 1958, Ordner Extern QU-St 1958, Archiv der IKG; New York Times, 8.10. 1980 (mit Dank an Andreas Sperlich). 30 A. Singer an Judith K., 2.7, 14.6. 1957, Ordner A. Singer, 1. Halbjahr 1957; Ordner Rabbinat 1957, Archiv der IKG. 31 Aus dem Jiddischen von Armin A. Eidherr. — Rawitsch’ damalige Adresse war: c/o Ostreger, 102 Duluth St. East, Montreal, Canada. 23