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des Jahres 1941 gerieten.” Prof. Mosers Aussage bezieht sich auf die Inhaftierten der Internierungslager, die „im August 1941 entleert“ und deren „Insassen in die ungarisch besetzten Gebiete Galiziens um Kolomea und Stanislaw deportiert“ wurden“. Er schätzt die Zahl der in den Lagern Magdolna utca, Rumbach utca, Szabolcs utca und Päva utca (alle insgesamt in Budapest) sowie die Zahl der in den Lagern Ricse, Garany und Csörgö damals Internierten auf insgesamt 1.950 Personen. Von den Deportation verschont blieben lediglich Personen, die an Hand gültiger ausländischer Visa nachweisen konnten, daß sie „in absehbarer Zeit auszuwandern beabsichtigten“.” Da man annehmen darf— und bis zum Beweis des Gegenteils auch muß - daß die ungarischen Fremdenpolizei sich gegenüber jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland, aus der zerschlagenen Tschechoslowakei und aus dem besetzten Polen nicht viel anders verhielt als zu den jüdischen Flüchtlingen aus Österreich, steht zu befürchten, daß der Anteil der derart in die Deportationen von 1941 gelangten Hitlerflüchtlinge - vorsichtig formuliert - ein nicht unbeträchtlicher gewesen sein dürfte. Dies (und leider nicht nur dies) könnte auch erklären, warum die Unterlagen der ungarischen Fremdenpolizei (KEOKH) nach 1945 — unabhängig von allen gerade an den Hebeln der Macht Sitzenden — wie Staatsgeheimnisse gehütet werden. Als Flüchtling gut beraten wird derjenige gewesen sein, der es verstand, bei seiner Flucht nach Ungarn einen großen Bogen um Grenzwächter, Gendarmen, offizielle Stellen und Nazisympathisanten zu schlagen. Einmal im Landesinnern boten sich ihm hier, trotz aller Widrigkeiten, Überlebenschancen, die in dieser Region Europas zu jener Zeit wohl einzigartig gewesen sein dürften. Nutzen konnte sie jedoch nur derjenige, dem es gelang, möglichst in keiner Evidenz zu aufzuscheinen, sich mittels falscher „arischer“ Papiere eine neue Identität aufzubauen und/oder Ungarn noch rechtzeitig vor dem Einmarsch der Nazitruppen am 19. März 1944 wieder zu verlassen. Die Erforschung Ungarns als Zufluchtsort für Hitlerflüchtlinge steht noch in ihren Anfängen. Sprachliche Hürden mögen hier eine Rolle gespielt haben, aber auch der Umstand, daß sich in der Exilforschung über Jahrzehnte hinweg so etwas wie ein unverrückbares Bild des typischen Hitlerflüchtlings und des typischen Exillandes verfestigt hat. Sie wird auch nicht gerade dadurch erleichtert, daß die Unterlagen der Ungarischen Fremdenpolizei (KEOKH) seit 1989 mit einer Sperrfrist von 90 Jahren belegt sind. Schon dürfen wir die Nachkommen unseren Nachkommen beneiden... Rene Geoffrey, geb. 1951, Studium der Germanistik und Geschichte in Paris, freier Publizist auf dem Gebiet der Exilforschung, lebt in Budapest. Er veröffentlichte 2001 das Standardwerk: Ungarn als Zufluchtsort und Wirkungsstätte deutschsprachiger Emigranten (1933-1938/39). Anmerkungen 1 Franz Furtwängler an Martin Plettl, 22.10. 1936. DGB-Archiv, Bestand 294, Kasten 2: Nachlaß Martin Plettl. 2 Mashe Alpan in: Renedek, Istvan Gahor 1 Gyargy Vämns (Ag )' Tepd le a särga csillagot [Reiß ihn runter den gelben Stern]. Budapest 1990, S.47. 3 Otto Zarek: Der Fremden Augen schauen Ungarn, Pester Livod Nr.187, 19.8. 1934 (Morgenausgabe), S.1-3. 32 4 Franz Jung: Schriften. Hg. von Klaus Behnken, Petra und Uwe Nettelbeck. Salzhausen 1981, S. 340f. 5 Rene Geoffroy: Veröffentlichungen deutschsprachiger Emigranten in ungarischen Verlagen (1933-1944). In: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch, Bd.13, S. 237-264 6 Tizenöt ev [Fünfzehn Jahre], Zsidö Elet, Nr. 24, 15.10. 1935, S. 1. 7 Endre Sos: Struccpolitika [Vogel-StrauB-Politik], Zsidé Szemle, Nr. 43, 15.11. 1935, 8. 5. 8 Ede Kenész-Kurlinder: Valasz egy ,,elékeld idegen“ kirohanäsära“ [Antwort auf die Ausfalle eines vornehmen Auslanders“], Szombat, Nr. 1, 2.1. 1936, S. 1-5. 9 Stephen Wise (1874 Budapest — 1949). Rabbiner und Zionistischer Politiker, Präsident des Jüdischen Weltkongreß (World Jewish Congress). 10 Joachim Prinz (1902-1988) Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlin. Zionist. Emigrierte 1937 in die USA, wo er mit Stephen Wise zusammenarbeitete. 11 Das Wochenblatt Egyenloseg veröffentlichte ab Januar 1936 die Artikelserie „Ha vädolnak: V&edekezz!“ [Wenn man dich beschuldigt, verteidige dich!] 12 Az ellenforradalom zsidö vertanui. Egyenloseg Nr. 25, 17.6. 1937, S.6. 13 Képek 1920-bol, Egyenloseg, Nr. 5, 2.2. 1935. S.2. Lätogatäs Pälmai Lajosnäl, az aradi ellenforadalmi kormäny zsidö igazsägügyminiszterenel, Egyenloseg, Nr.3, 18.1. 1936, S.5-6; Zsidök a szegedi ellenforradalomban, Egyenloség, Nr. 19, 12.5. 1938, S. 14. 14 Mussolini tizenete ,,az egész vilag zsiddsagahoz“ [mit MussoliniFoto], Egyenloseg, Nr. 39, 5.10. 1935, S. 1; Ez a zsidösäg élete Mussolini alatt!, Egyenloseg, Nr. 14/15, 2.4. 1936, S. 12-13; „Mussolini ramnez: köszönt &s felem int szeretettel...“ Barnay Ibolya a Duce elött, Egyenloseg, Nr. 45, 5.11. 1936, S. 3-4. 15 Aron Grünhut: Katastrophenzeit des Slowakischen Judentums. Aufstieg und Niedergang der Juden von Pressburg. Tel-Aviv 1972, S.82 [künftig: Grünhut/ Katastrophenzeit]. 16 Grünhut/Katastrophenzeit, S. 122. 17 Livia Rothkirchen: Hungary — an Asylum for the Refugees of Europe, in: Yad Washem Studies, 7/1968 18 Lt. dem 1943 in Budapest ins Leben gerufenen jiidischen ,,Hilfs-und Rettungskomitee“ (Komoly, Kasztner, Brand). 19 Gyula Juhäsz im Vorwort zu: Baratok a bajban. Lengyel menekültek Magyarorszägon 1939-1945 [Freunde in der Not]. Polnische Flüchtlinge in Ungarn 1939-1945], Budapest: Europa Kényvkiado.1985, S. 23 [künftig: Barätok]. 20 Mitteilungen an den Verfasser vom 17.6., 15.10. 1995 und 12.10. 1998. 21 Angeblich Besitzer des Wiener „Telegraph“ und des „Echo“. 22 Nyolcvan külön detektivet küldött a rendörseg az oszträk hatär zsido menekiiltjeinek elharitasara. Virradat Nr. 11, 14.3. 1938, S. 7. 23 Oszträk emigränsok Magyarorszägon [Österreichische Emigranten in Ungarn], Nepszava Nr. 60, 15.3. 1938, S.4. 24 Sowohl die Erzherzogin Adelhaid als auch ihr Bruder waren „nach Westungarn auf das Schloß eines ihrer Anhänger“ geflüchtet. Ihnen wurde „angeblich auf besondere Initiative des Reichsverwesers [Horthy, R.G] dringend nahegelegt“, Ungarn „zugleich wieder zu verlassen“. Schr.eiben Deutsche Gessandtschaft., Budapest an Auswärtiges Amt (künftig: AA) vom 7.5.1938. Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (künftig: PA AA/), Gesandtschaftsakten Budapest P 18 Nr. 104. Über die Flucht der beiden Habsburgsprésslinge berichtet Sandor Benamy in: Ällampolgär voltam Közep-Euröpdban. Budapest 1983, S. 88f. 25 Alma Mahler-Werfel: Mein Leben, Frankfurt a/M. 1960, S. 295f. 26 Zit. nach Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Miinchen, New York, London, Paris 1980, S. 844. 27 iksz.: Amikor a vonat a vilagtérténelemmel versenyt fut [Wenn ein Zug mit der Weltgeschichte um die Wette läuft], Nepszava Nr. 59, 13.3. 1938, 8 5-6 28 Szobon is visszautasitottak hetven gyanus menekülöt [Auch in Szob wurden 70 verdächtige Flüchtlinge zurückgewiesen], Virradat, Nr. 11, 14.3. 1938, S. 7 29 Ibid.