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vom 6.9. 1942 wurde der jüdische Land- und Waldbesitz enteignet. Im März 1944 wurde Ungarn von Hitler-Deutschland besetzt. Eine den Deutschen genehme Regierung unter Ministerpräsident Döme Sztöjay wurde eingesetzt und die „Lösung der Judenfrage“ in größtem Stil in Angriff genommen. Reichsverweser Horthy, verärgert und verstimmt über die unerwartete Okkupation Ungarns durch die Deutschen, distanzierte sich von der Tätigkeit der Regierung. Diese beauftragte zwei der größten ungarischen Judenfeinde, Läszlo Endre und Läszlo Baky, beide zu Staatssekretären ernannt, mit der Lösung der ungarischen „Judenfrage“. Horthy, erbost darüber, erteilte dem neuen Ministerpräsidenten Sztojay die Vollmacht, antijüdische Maßnahmen in Form von Verordnungen vorzunehmen, die nicht seine Zustimmung benötigten. In seinem Ärger übersah Horthy jedoch, dass er mit der Erteilung der Vollmacht an Sztöjay auch über alle Regierungsmaßnahmen uninformiert blieb. Diese Vollmacht wurde von Seiten der Regierung weidlich ausgenützt. Innerhalb kürzester Zeit wurden mehr als 100 antijüdische Verordnungen erlassen. Einige wichtige seien hier angeführt: Die Kennzeichnungspflicht für Juden (VO 1240/1944 ME vom 31.3. 1944). Ausgenommen vom Tragen des Judenkennzeichens waren: Träger hoher Tapferkeitsmedaillen, mehr als 75-prozentige Kriegsinvalide, Kriegerswitwen, jüdische Mischehepartner, sowie katholische und protestantische Geistliche und Ordensleute. Anmeldung und Beschlagnahme der Motorfahrzeuge von Juden. Verbot der Beschäftigung von Nichtjuden in jüdischen Haushalten. Verbot der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes. Verbot des Erwerbs und Besitzes von Feuerwaffen. Beschränkung der täglichen Einkaufszeit auf zwei Stunden, Kennzeichnung der Lebensmittelkarten, Verringerung der Lebensmittelzuteilung an Juden. Verpflichtung zur Deponierung von Bargeld, Wertgegenständen und -papieren bei einer Bank. Verbot, Cafes und Restaurants aufzusuchen, ebenso auch Kinos, Theater und Sportveranstaltungen. Verordnungen zum Schutz des ungarischen kulturellen Lebens vor jüdischer Literatur wurden erlassen: Bücher jüdischer Autoren mussten aus Öffentlichen Bibliotheken entfernt werden (die Bücherverbrennungen erfolgten im Sommer); jüdische Kunstsammlungen wurden erfasst und beschlagnahmt; Juden durften öffentliche Bäder nicht mehr benutzen; Juden wurden in mehrheitlich von Juden bewohnten Häusern zusammengezogen, deren Eingangstore mit einem Judenstern gekennzeichnet waren. Gleichzeitig wurde die ‚Lösung der Judenfrage’ in Angriff genommen. Sie sollte im ländlichen Gebiet begonnen werden. Schon am 4.4. 1944 (Verordnung 6136/1944 VIl.res.) erhielt die Gendarmerie den Auftrag, die jüdische Bevölkerung zu erfassen. Drei Tage später erging die Weisung, die Juden in Ziegeleien und leeren Fabriksgebäuden zu konzentrieren. Ab 15. Mai begann die Massendeportation nach Auschwitz. Innerhalb von sieben Wochen wurden 434.351 Personen in 147 Zügen in Vernichtungslager verschickt. Proteste ausländischer Staatsoberhäupter weckten Horthy aus seiner freiwilligen Isolierung auf. Er musste Sztöjay die ihm gewährten Vollmachten zum Regieren mittels Verordnungen wieder entziehen, wollte er selbst nicht nach dem Krieg als Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden. Zudem erließ 36 er einen allgemeinen Deportationsstopp. Die beiden für die Deportationen zuständigen Staatssekretäre Endre und Baky wollten sich Horthys Anordnung nicht beugen. Sie wollten auch die Juden von Budapest noch deportieren. Zu diesem Zwecke holten sie Anfang Juli Gendarmerie in Stärke zweier Bataillone nach Budapest. Horthy versicherte sich loyaler Truppenteile, ließ sie in die Hauptstadt beordern und war bereit, die Macht von Endre und Baky mit Gewalt zu brechen. Die Gendarmen fürchteten den offenen Kampf mit dem Militär und zogen ab. Horthy hatte damit wieder die Macht im Staate erobert. Endre und Baky wurden suspendiert, die Deportationen gestoppt. Horthy erteilte Befehl, jeden Abtransport von Juden mit Waffengewalt zu verhindern. Eichmann, verantwortlich für die „Endlösung der Judenfrage“, versuchte mehrmals Horthys Deportationsstopp zu durchbrechen. Doch Eichmann scheiterte an Horthys wiedergewonnener Macht. Dem Reichsverweser zu Hilfe kamen: das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, der Durchbruch amerikanischer Truppen bei Avranches in der Bretagne, der Aufstand slowakischer Partisanen und die Sommeroffensive der Russen in Galizien. Die Rote Armee erreichte die ungarische Grenze am Tartarenpass. Innenpolitisch versuchte Horthy eine Militärregierung zu installieren, die sich ihm gegenüber loyal verhielt. Deutscherseits wurde ihm dies mehrmals untersagt. Als sich Eichmann im August zu Himmler begab, um durch dessen Anordnung die Deportation der Budapester Juden zu erzwingen, erfuhr er eine Abfuhr. Die militärische Lage Deutschlands war sehr prekär geworden, mit einem Brechen des Deportationsstopps wollte man Horthy nicht vergrämen. Man benötigte Ungarn zur Stabilisierung der Front im Südosten. Rumänien war nämlich aus dem Krieg ausgetreten. Die Rote Armee drang von Siebenbürgen her nach Ungarn vor. Die Deutschen mussten Horthy Zugeständnisse machen, um ihn an der Seite Deutschlands zu halten. Jetzt konnte Horthy eine Regierungsumbildung vornehmen. Generaloberst Geza Lakatos wurde Regierungschef. In der ungarischen Judenpolitik änderte sich nichts. Lediglich die inhaftierten politischen Gegner und Juden, die von den Deutschen an die Ungarn ausgeliefert worden waren, wurden freigelasssen. Um diese Zeit erkannte man in Ungarn allgemein: der Krieg war verloren. Nun wollte auch Horthy aus dem Krieg ausscheren. Geheime Vereinbarungen mit den Alliierten über einen Waffenstillstand wurden getroffen. Den Deutschen blieb das nicht verborgen. Sie trafen Gegenmaßnahmen, suchten Unterstützung bei der Pfeilkreuzlerpartei, die nationalsozialistisch orientiert und lange Zeit hindurch von den Deutschen ignoriert worden war. Doch jetzt war Not am Mann. Unerwartet, zu früh, proklamierte Horthy am 15. Oktober 1944 den Waffenstillstand. Das Vorhaben misslang. Horthy wurde gestiirzt. Die Pfeilkreuzler tibernahmen die Macht. Ihre Ideologie war eine ungarische Version des Nationalsozialismus. Sie träumten von der Errichtung eines hungaristischen Staates im östlichen Mitteleuropa. Für sie waren die Magyaren eine reine und starke Rasse, ähnlich der nordischen Rasse. In der „Judenfrage“ wie sie in der Ideologie ihres Führers Ferenc Szalasi formuliert wurde, waren sie etwas moderater als die anderen ungarischen Parteien. Nach Szälasi sollten die Juden zum Nutzen des Staates eingesetzt und nach dem Krieg zur Ausreise gebracht werden. Doch seine Parteigänger hielten sich nıcht daran, sie waren blutrünstige Judenhasser, die Juden unbarmherzig ermordeten, wo sie sie trafen. Während des Pfeilkreuzlerregimes wurden Tausende von Juden hingemetzelt.