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deutscher Hand befindlichen Juden die geringsten Lebenschancen“, wie die Historiker Wolfram Wette, Joachim Tauber und Vincas Bartusevicius kürzlich festgestellt haben. Unser Versteck wird von keinem gesehn... Plötzlich — beginnt laut ein Knabe zu weinen! Aber es dürfen doch wegen des einen Heute nicht alle den Todesweg gehen! Und nur die Mutter erkennt das Gebot Dieser Minute und tötet den Knaben Blutenden Herzens. Wir alle dann gaben , Stumm ihr die Hand, und sie floh in den Tod. Seine erschütternden Verse musste Hermann Adler in Wilna auswendig lernen, die Gefahr einer Hausdurchsuchung bei Schmid durch Feldgendarmerie und Gestapo schien zu groß. Erst in Warschau dürfte vermutlich die Niederschrift erfolgt sein. Nach dem Sturz Horthys und der Besetzung Ungarns durch Hitler-Deutschland konnte es im Mai 1944 auch der Schutzschild der Schwedischen Botschaft nicht mehr verhindern, dass Hermann und Anita Adler aus Budapest in das KZ BergenBelsen deportiert wurden. Benützte Literatur Hermann Adler: Gesänge aus der Stadt des Todes. Todeslagergedichte aus dem Wilnaer Ghetto 1941/42. Berlin: Hentrich 1994. Feldwebel Schmid — Die Geschichte einer Rettung. Nacherzählt von Anita und Hermann Adler. In Hörbilder, Öl/ORF vom 27. Okt. 1990. Vincas Bartusevicius, Joachim Tauber, Wolfram Wette (Hg.): Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration im Jahre 1941. Mit einem Geleitwort von Ralph Giordano. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2003. Manfred Wieninger, Christiane M. Pabst: Gedenkblatt für Feldwebel Anton Schmid. In: Literatur und Kritik 0.J. (2004), Mai, S. 50-57. Manfred Wieninger, Christiane M. Pabst: Feldwebel Anton Schmid: Retter in Wilna. In: Wolfgang Benz, Mona Körte (Hg.): Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit. Rettung im Holocaust. Bedingungen und Erfahrungen des Überlebens. Berlin: Metropol 2001. (Reihe Solidarität und Hilfe, Bd. IV). S. 187-205. Anmerkungen 1 In: Adler, Hermann: Achtseitiger Lebenslauf, maschinenschriftlich auf Basler Briefpapier des Autors, undatiert, vermutlich aus den Sechziger Jahren, zur Verfügung gestellt von Dr. Vincent Frank-Steiner, S. 1. 2 A.a.O., 2. 3 A.a.O., 3. 4 A.a.O., 5-6 5 A.a.O., 3. 6 In: Adler, Hermann: Gesänge aus der Stadt des Todes. Todeslagergedichte aus dem Wilnaer Ghetto 1941/42. Berlin: Hentrich 1994, S. 19. 7 Eine solche fand im Jänner 1942 auch tatsächlich statt. Der Feldwebel wurde von der Wehrmachtsjustiz wegen Judenbegünstigung zum Tode verurteilt und am 13. April 1942 in Wilna hingerichtet. Der aus Wien-Brigittenau, aus der Klosterneuburger Straße 79, stammende Wehrmachtsfeldwebel Anton Schmid beginnt ab Herbst 1941 dem Holocaust in Wilna (Litauen) Widerstand entgegenzusetzen. Mit Hilfe des hochrangigen Wilnaer Karmeliter-Paters Andrzej Gdowski, der ab 1890 in Linz Theologie studiert hat, verschafft Schmid einzelnen jüdischen Todeskandidaten gefälschte Papiere und bringt sie zum Teil sogar in der von ihm geführten Versprengten-Sammelstelle in der Eisenbahnstraße 15 unter. Als ein Teil der jüdischen Zwangsarbeiter, die in Schmids Dienststelle — an die auch eine Tapezierer- und Polsterer-Werkstätte der Wehrmacht angeschlossen ist— beschäftigt sind, liquidiert werden soll, evakuiert sie der Feldwebel in Nacht- und Nebel-Aktionen in die weißrussische Stadt Lida. Am 10. November 1941 suchen ihn Hermann und Anita Adler als Abgesandte der jüdischen Widerstandsorganisation des Wilnaer Ghettos auf und bitten um Hilfe. Gemeinsam mit dem Ehepaar Adler intensiviert der Feldwebel seine Rettungsfahrten nach Lida und auch nach Bialystok und rettet so hunderten todgeweihten Insassen des Wilnaer Ghettos vorlaufig das Leben. Im Februar 1942 wird er — mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch seinen Untergebenen und Wehrmachtskameraden, den Wiener Gefreiten Johann Habel, geb. 31.8. 1914, und vermutlich auch durch den ebenfalls aus Wien stammenden Gefreiten Karl Kraus, geb. 6.1. 1910 — denunziert und am 25. Februar dieses Monats verhaftet. Auch Pater Gdowski und mit ihm fast sein gesamter Konvent werden festgenommen und ins berüchtigte Lukiski-Gefängnis geworfen. Hermann und Anita Adler gelingt es mit Müh und Not zu entkommen, eine mehr als abenteuerliche Flucht führt sie schließlich bis nach Budapest. Am 13. April 1942 wird Feldwebel Schmid im Hof des Wilnaer Wehrmachtsgefängnisses Stefanska hingerichtet. Bereits seit dem Jahr 2000 erforschen Manfred Wieninger und Christiane M. Pabst das Schicksal Schmids und der Adlers und die damaligen dramatischen Ereignisse in Wilna, dem heutigen Vilnius. Die bisherigen Ergebnisse ihrer Recherchen stellten Manfred Wieninger und Christiane M. Pabst in den folgenden gemeinsamen Publiaktionen dar: Gedenkblatt für Feldwebel Anton Schmid. In: Literatur und Kritik (Salzburg), Mai 2004, 50-57. Feldwebel Anton Schmid. Einer gegen den Holocaust. In: Mikrut, Jan (Hg.). Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs. Bad. 9. Wien: Wiener Dom Verlag 2003, S. 311 — 332 Ein Retter aus Wien. In: Das Jüdische Echo 50 (2002), Nr. 51, 6872. Feldwebel Anton Schmid: Retter in Wilna. In: Benz, Wolfgang, Körte, Mona (Algg.): Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit. Rettung im Holocaust. Bedingungen und Erfahrungen des Überlebens. Berlin: Metropol 2001 [= Reihe Solidarität und Hilfe, Bd. IV], 187-205. Osterreichs Schindler. Uber Anton Schmid und die Menschlichkeit in Zeiten der Unmenschlichkeit. In: Wiener Zeitung, 23./ 24.2. 2001, Beilage EXTRA, 3. Christiane M. Pabst, Mag. Dr, germanistische Sprachwissenschaftlerin, tdtig am Institut fiir Osterreichische Dialekt- und Namenlexika der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften und am Institut für Germanistik der Universität Wien, längere Aufenthalte in Brasilien (UFMG) und Ungarn (Daniel Berzsenyi Föiskola). 49