OCR
abteilungen, organisierte ich in Bayern jene Einheiten, die den erfolgreichen Kampf gegen die kommunistischen Banditen aufnahmen. In diesem Kampf befand ich mich Seite an Seite mit Dr. Frick, der auch heute noch zu meinen besten Freunden zählt und zwischenzeitlich bekanntlich zum Minister avancierte [...] ° Auf die Frage, ob er den wohl bald in seine Heimat zuriickkehren werde, antworte Otto Braun: In nächster Zukunft. [...] ich kehre nach München zurück, wo mich meine Freunde, General Epp, Minister Frick und Kapitän Röhm mit offenen Armen erwarten.. Es darf heute (nachträglich) bezweifelt werden, ob es seinerzeit unbedingt dienlich gewesen war, sich gerade auf die SA, General Epp und Kapitän Röhm als Freunde zu berufen... Nur wenige von ihnen dürften den 30. Juni 1934 überlebt haben. Doch greifen wir nicht vor und trüben wir nicht die Heimwehsehnsucht unseres in ungarischen Angelegenheiten sich als Experten auch weiterhin aufspielenden und anbiedernden potentiellen Reichsrückkehrkandidaten, der sich am 7. Januar 1934 immer noch in Budapest befand und sich nun befugt sah, auch in Sachen „Probleme der Auslandsdeutschen“ (in Ungarn) Stellung zu nehmen. Mit dem Verweis auf die Tatsache, daß er schließlich selbst einer der hier „am längsten lebenden Auslandsdeutschen sei“, glaubte er „ein gewisses Recht“ ableiten zu dürfen, sich auch „über dieses Thema (zu) verbreiten“. Nicht (mehr) die ganz große Politik, sondern vorerst nur dem Wohlergehen der deutschen Erzieherinnen (und ihrer Gleichschaltung) in Ungarn war diesmal sein äußerst feinfühliges Augenmerk gewidmet. Bestand doch die Gefahr, daß „diese Mädchen den Namen der deutschen Erzieherin in Mißkredit“ bringen. Besonders dann, wenn sie in den Diensten von reichen (ungarischen) Kaufleuten („was meist gleichbedeutend mit Jude ist“) standen. Doch auch der ungarische „kleine Kaufmann“, sprich der „kleine Jude aus dem Getto (sic!)“, würde in Ungarn gerne mit einer deutschsprachigen Angestellten (Erzieherin, Dienstmädchen) aus Deutschland oder Österreich „renommieren“. Otto Braun, der zu dieser Zeit immer noch in den Diensten eines (zwar nicht „kleinen „ aber seinerzeit leider noch recht einflußreichen) jüdischen Arbeitgebers stand und dessen nationalsozialistischer Kulturbegriff kaum Grenzen kannte, leitete deshalb seine Forderung nach einer wieder einzuführenden Meldepflicht (Gleichschaltung) aller in Ungarn tätigen deutschen (und wahrscheinlich schon damals auch österreichischen) ArbeitnehmerInnen bei der Deutschen Gedandtschaft in Budapest von der Prämisse ab, daß „, deutsche Erzieherin(nen)* schließlich in seinem Sinne „Kulturträgerin(nen)“ seien. Würden wir streng chronologisch vorgehen und hier nur auf die uns vorliegenden Archivunterlagen zurückgreifen ‚so müßten wir nun auf jenes Schreiben verweisen, das Otto Braun nicht ganz vier Monate später der Deutschen Gesandtschaft in Budapest adressierte und in dem er sich jetzt wieder einmal um das traurige Schicksal seiner in Not geratenen Gesinnungsgenossen besorgte: den aus Österreich nach Ungarn geflüchteten österreichischen Nationalsozialisten. Zuvor jedoch ist es an der Zeit, dem geneigten Leser etwas mehr über die Vergangenheit dieses ominösen Otto Braun zu berichten. Wir wissen weder wann und wo er geboren, noch wann und wo er gestorben ist. Wir wissen nur, daß er nach Hitlerdeutschland zunächst nicht zurückkehrte und sein Name in der ungarischen Sekundärliteratur im Zusammenhang mit Szälasi, Imr&dy, Veesenmayer, Horthy und anderen Totengräbern jener Aera gelegentlich auftaucht. * Irgendwann dürfte er auch aus Opportunitätsgründen seinen (tatsächlichen) Arbeitgeber gewechselt haben - es sei hier nur nebenbei bemerkt daß dieser, immerhin Mitglied des Oberhauses von Horthys Gnaden, 1944 deportiert und im KZ Mauthausen ermordet wurde. Im Jahre 1940 firmiert Otto Braun bereits als „Direktor“ der „Irans-Danubia“ in Budapest. Diese Information entnehmen wir einem als „vertraulich‘ eingestuften Schreiben, in dem Staatssekretär Weizsäcker an seine Vorgesetzten übrigens auch die Beschwerde von Ministerpräsident Teleky weiterleitete, wonach Braun sich — schon damals — „etwas zu aktiv in [die] ungarische Innenpolitik“ einmische. . Man gestate mir noch einen Einschub. Ende 1944 erschien in der ungarischen Exilzeitschrift Az Ember (New York) unter dem Titel „Brief aus Palästina — Zwei Pester Plakate — Zwei Pester Karrieren“ erschien ein beitrag von Jözsef Halmi. Der Autor verweist in seiner Einführung auf eine Photographie (erstes Plakat) in der ungarischen faschistischen Hetzblatt Harc 1944 mit der Unterschrift „Dr. Leö Buday-Goldberger, jüdischer Industrieller und Oberhausmitglied im [Lager] Kistarcsa“. Als die ungarischen Gesinnungsgenossen Otto Brauns dieses Photo verewigten, dürfte sein ehemaliger Arbeitgeber und Gönner nur noch wenige Monate zu leben gehabt haben... Was nun das zweite (angeblich von der ungarischen Untergrundbewegung handgemalte) Plakat anbelangt, so soll aufihm die Unterschrift zu lesen gewesen sein: „Auch Otto Braun, Chef der Budapester Gestapo wird hängen!“ Otto Braun war (soweit uns bekannt) weder offiziell noch inoffiziell Chef der Budapester Gestapo (was nicht unbedingt besagen will, daß er damals nicht die besten Kontakte zur ihr hätte unterhalten können). Otto Braun gehörte vor seiner Flucht nach Ungarn „lediglich“ zum Kreis der am Gareis-Mord Beteiligten und war zuvor sehr wahrscheinlich auch schon in die Fememorde an dem Dienstmädchen Marie Sandmayer, dem Kellner Hartung und den Fememordversuch an dem Reichswehrsoldaten Dobner involviert. Jene Fälle gehören in die Frühzeit der Weimarer Republik. Heinz Pol, der über sie 1927 in der Weltbühne zu berichtete, gab deshalb seinen Beiträgen auch den Titel „Urfeme“ Was Oberleutnant Schulz“ mit seinen Leuten 1923 darstellt, das war 1920 in München der Oberleutnant Braun mit seinen Studenten. Und ungefähr jene illegale Stellung, die 1923 die Schwarze Reichswehr einnahm, hatte 1920 in Bayern die Einwohnerwehr. [...] Genau wie die Schwarze Reichswehr hatte die Einwohnerwehr Bayerns 1920 und 1921 die Hauptaufgabe, Waffen zu sammeln und zu verbergen. Und genau wie Oberleutnant Schulz hatte Oberleutnant Braun auf etwaige Verräter aufzupassen und sie mundtot zu machen. Wie seine Leute das machten: das eben ist die „Urfeme“. Das war das Muster, das man sich 1 patentieren lieB; und Klapproth und Biisching und Fahlbusch und all die andern landsberger und küstriner Helden sind weiter nichts als die Schüler der jungen Leute von Oberleutnant Braun, die im übrigen — sie waren ja fast alle Studenten und aus besten Kreisen stammend — ihre Sache ganz vortrefflich machten. So vortrefflich, daß es ihnen heute gut geht. Teils haben sie große Stellungen in Ungarn, teils laufen sie lustig auf Münchens Pflaster spazieren [.. I Obertleutnant Otto Braun, der nach eigenen Aussagen einen steifen Arm aus dem Ersten Weltkrieg mitbrachte , dürfte schon rein körperlich nicht zu den direkt ausführenden Mordbuben gehört haben. Er hielt sich lediglich im Hintergrund, stiffte an und stellte —- um einen heutigen Begriff zu benutzen — die um die Attentate herum notwendi ge „Logistik“ zur Verfügung (Waffen, Fuhrpark, Fluchthilfe) . 51