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Ungarn, die angeblich bis zu Hitler vordrangen und deren Quintessenz immer darin gipfelte, politische Hindernisse aus den Weg zu räumen und jenen politischen Kräften in Ungarn einen Vorsprung zu gewähren, die er für „willfähriger“ im Sinne des Dritten Reiches erachtete. Als im November 1945 im Prozeß gegen die ungarischen Kriegsverbrecher Edmund Veesenmayer leider nur als Zeuge — vernommen und u.a. auch danach befragt wurde, wer seiner Meinung nach in Ungarn nachrichtendienstlich im Interesse der Nazis gewirkt habe, listete er 17 „Kandidaten“ auf, von denen er drei — ausdrücklich — als Mitarbeiter von Otto Braun bezeichnete: Felix Szentirmay Frigyes Wünscher und einen der damaligen besten Tennisspieler Ungarns, an dessen Namen er sich „leider nicht mehr erinnern“ könne, von dem er aber sehr genau wußte, wo er seinerzeit gewohnt hatte. Ob eventuell Rechtsanwalt Agoston Walton parallel zu seinen betonten Sympathien fiir Pfeilkreuzler und sonstige Faschisten auch noch mit einer Ader fiirs Tennisspiel begnadet war, vermögen wir derzeit nicht aktenkundig zu beweisen. Feststehen dürfte jedoch, daß dieser Herr nicht gerade das Ansehen seines damals recht ramponierten, arisierten Berufsstandes zu vermehren. “ Sein Name taucht mit dem von Szentirmay immer dort auf, wo es galt, mit schmutzigen Geschäften gutes Geld zu verdienen und Ungarns Politik noch ein Stück tiefer in den (nationalsozialistischen) Sumpf versinken zu lassen. Und wo die Beiden als Hintermänner und angesehene Gastgeber exklusiver Diners in den Vordergrund traten, war auch Otto Braun als Hintergrundfigur niemals sehr weit. Veesenmayer, der bereits vor seiner Ernennung in Ungarn, das Land mehrmals als „‚Wirtschaftsexperte“ aufgesucht hatte, schließt nicht aus, daß er bereits im März 1943 bei (oder durch) Otto Braun auch die Bekanntschaft von General Jenö Ruszkay gemacht haben könnte” , der 1940 seine Sympathien zu Szalasi entdeckte, zwischenzeitlich von Veesenmayer sogar als einer der potentiellen neuen Ministerpräsidenten in Erwägung gezogen wurde und konsequenterweise letztendlich bei der Waffen-SS landete. Auch in den „Aufzeichnungen“ Szälasis, der von sich nur in der dritten Person zu sprechen pflegte - und sich auch noch vor dem ungarischen Kriegsverbrechertribunal schlicht und einfach als Führer der ungarischen Nation („Nemzetvezetö“) bezeichnete —, taucht der Name Otto Braun mehrmals auf. Hier zum Beispiel (1944) als „südosteuropäischer“ Vertreter der „Omnipol AG“, die bekanntlich damals den „Reichswerken Hermann Göring“ zuzuordnen war. In den Tagebüchern unseres Führer(s) der ungarischen Nation, dessen Aufzeichnungen (Gott sei dank) nicht nur aus eigenen Elaboraten bestanden, sondern auch noch aus einem recht wilden Sammelsurium, ihm zugegangener Meldungen von Parteifreunden und Sympathisanten (übrigens der interessanteste Teil!), wird Otto Braun darüber hinaus noch dreimal erwähnt. So in einem Bericht von Ägoston Walton über ein Abendessen bei Felix Szentirmay, dessen erlesene Gäste Edmund Veesenmayer, Béla Imredy , Jenö ‚Ruszkay, Tibor Kozmovszky ” „und auch noch andere“ waren ". Für die Tatsache, daß Otto Braun damals eine nicht gerade unwesentliche Persönlichkeit im braunen Morast der deutsch-ungarischen Endzeitstimmung war, spricht der selbstsichere Stil seines Auftretens gegenüber den Pfeilkreuzlern. So berichtet einer der Vasallen des (ungarischen) Führers, daß Braun, einem seiner Parteigenossen ein ihm nicht genehmes 58 Flugblatt „unter die Nase“ gehalten habe mit der Bemerkung: „Wissen was das ist? Ein Angriff auf das Dritte Reich!“ Als der „Führer der ungarischen Nation“ noch davon träumte eventuell sogar mit Horthys Segen an die Macht gelangen zu können und im Mai 1944 — durch die Vermittlung von Sztöjay, des inzwischen zum Ministerpräsidenten avancierten ehemaligen Militärattaches und späteren Gesandten in Berlin — endlich beim Reichsverweser vorsprechen durfte, berichtete er seinem hochgeborenen Herrn ganz untertänig und beiläufig auch über das Treffen seiner Hauptkonkurrenten bei Szentirmay. Ob Szälasi die selbe feine Sensibilität für landes-verräterische Aktivitäten auch dann entwickelt hätte, wenn er damals nicht aus dem engen Kreis der auserwählten Gäste des Diners ausgeschlossen worden wäre, darf bezweifelt werden. Zwischen Szälasi und Horthy entwickelte sich folgender Dialog: Szälasi: Ich betrachte es als meine Pflicht über jenes Abendessen zu berichten, das Ende Januar oder Anfang Februar 1944 in der Wohnung von Felix Szentirmay stattfand, der bekanntunternehmungen des Reichsdeutschen Geschäftsmanns Otto Braun vertritt und politisch als dessen Vertrauter gilt [...] Horthy: Es dürfte sich hier wohl um jene Person handeln, die in den Erzberger-Mord verwickelt war? Szälasi: Ja, Euer Hochwohlgeboren. Außer ihm waren noch Bela Imredy, Jenö Ruszkay, Jenö Ratz , der Rechtsanwalt Walton, [Veesenmayer] und andere rasen [.. u. Auffallend, daß selbst dem Reichsverweser der Name Otto Braun noch 1944 — wenn auch in einem falschen Zusammenhang - ein sehr geläufiger Begriff war. Anmerkungen 1 Päter Zadravecz titkos naplöja. Budapest [künftig: Bp.] 1967, S. 179 [Übersetzung R.G.]. 2 Antworten, Die Weltbühne, Nr. 11 v. 16.3. 1922, S. 282. 3 Hermann Kriegel (20.1.1876 in Germersheim), Oberstleutnant a.D., beteiligt am Hitler-Putsch. 4 Otto Braun an Staatsminister Frick v. 29.3. 1933 (Abschrift). Politisches Archiv des Auswärtigen Amts [künftig: PA/AA]. R121215 5 Deutscher Gesandter war (bis September 1933) Hans von Schoen. 6 Zitiertnach: A Rathenau-gyilkossägba belekevert nemet gyäros érdekes nötartäsi pere a budapest törvenyszek elött [Der interessante Prozeß des in den Rathenau-Mord verwickelten deutschen Industriellen [!] vor dem Budapester Gerichtsstuhl], Zsti Kurir, Nr.144 v. 28.6. 1933, S. 7. 7 Wie Anm. 6. 8 Wie Anm. 6. 9 Rab Gusztäv: „Csakugyan 6n Erzberger gyilkosa? [Sind Sie Erzbergers Mörder?“]“, Pesti Naplö, Nr. 145 v. 29.6. 1933, S. 10. 10 Wie Anm. 9. Übersetzung und Hervorhebungen durch R.G. 11 Wie Anm. 9 12 Otto Braun: Probleme der Auslandsdeutschen. PA/AA. Dt.Ges., Bp., VII, 7. 13 Wie Anm. 12. 14 Die im Zusammenhang mit Otto Braun uns vorliegenden Unterlagen sind nicht das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchungen zu seiner Person, sondern erfolgten seinerzeit eher nebenläufig im Kontext unserer Nachforschungen zum Komplex „deutschsprachige Emigration in Ungarn“. 15 Siehe weiter unten im zweiten Abschnitt. 16 Weizsäcker an AA v. 31.1. 1940. PA/AA: R 29784. 17 Jözsef Halmi: Palesztina level. Ket pesti plakät — ket pest karri