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Rezensionen Spät, sehr spät hat die Kenntnis von lang verschwiegenen Greueltaten an den „Kindern von Steinhof* eine größere Öffentlichkeit erreichen können. Obwohl es viele Mitwisser gab, hat sich Primarius Dr. Gross, einer der Ärzte der nationalsozialistischen „Euthanasie-Anstalt am Spiegelgrund‘“, noch Jahrzehnte nach seinem mörderischen Tun ungestraft hohen gesellschaftlichen Ansehens erfreut, erhielt etliche Auszeichnungen noch dazu, während doch mit seiner Mitwirkung 772 unschuldige Kinder kaltblütig und äußerst grausam, unter Verwendung von Giften, zu Tode gebracht wurden. Ihre Gehirne als Forschungsmaterial in Formalin zu medizinischen Zwecken schändlich mißbraucht. Hilflos kranke, behinderte, sozial geschädigte, oftmals lediglich „schlimme“ Kinder, die nach den damaligen Vorstellungen der „Erb- und Rassenpflege‘“ den Ansprüchen der Machthaber nicht genügten, ihren „Erziehern“ nicht fügsam genug und überdies unbequem. Die einzelnen „Fälle“ wurden genau dokumentiert, die Aufzeichnungen liegen heute auf dem Tisch. Die Toten schweigen. Aber es gibt Stimmen von Überlebenden, und wir sind dankbar dafür. Alois Kaufmanns Schreiben — so wie das Schreiben vieler anderer Opfer von Gewalt — verdient allerhöchsten Respekt. Erinnern fällt schwer, wo es Traumata, Schmerz und sonst nichts als Traurigkeit gibt: „Tränen/ Perlen der Wahrheit/ in den Schatten geworfen./ Voll der Wut/ Nichts wird gut.“ Alois Kaufmanns Gedichte berühren unmittelbar, die dichte, emotionale Ausdrucksweise wird als authentisch erlebt, durchaus im Stande, auch später geborenen Menschen eine Vorstellung von dem zu vermitteln, was damals war. Als Zeitzeugnis, als Mahnung, als Anstoß zu unverzichtbaren Denkprozessen. Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, erklärt in ihrer Einführung Zusammenhänge und bereitet den Weg zur Person des Autors. 1942 wurde Alois Kaufmann als „Schwererziehbarer“ von seiner Pflegefamilie weg- und 1943 über die Kinderübernahmestelle auf den Spiegelgrund gebracht. Was dem Neunjährigen dort widerfahren ist, hat sein Leben nachhaltig geprägt. Nach seinem Buch „Totenwagen. Kindheit am Spiegelgrund“ und zahlreichen Vorträgen sprechen auch die neuen Gedichte immer wieder von der Zeit und dem Ort seiner Qualen: „So haben wir mit höllischen Schergen gelebt/sie haben am Totentuch gewebt ...“ 1945 wurden die noch lebenden Kinder befreit und ihren Angehörigen übergeben, aber ihr Leiden war damit keineswegs zu Ende. Oft macht Verzweiflung sich breit: „... kein Tageslicht/ verlier die Sicht/ für die Menschen/ aus Fleisch und Blut/ Mir fehlt der Mut/das Leben zu leben/wie es ist“. Dennoch möchte Alois Kaufmann der Verbitterung nicht nachgeben und stimmt am Ende der ethischen Forderung Theodor Herzls zu: ,,... der Haß ist kein Weg und kein Ziel.“ Mechthild Podzeit-Lütjen bietet als Herausgeberin in einer kurzen Nachbetrachtung Wissenswertes über die Entstehung selektiv-rassistischen Gedankenguts und hilft auf diese Weie mit, eine der Wurzeln von Fehlentwicklungen menschlischen Denkens leichter zu orten und so den Weg frei zu halten für vorurteilsfreie, natürliche Empathie und Humanität. Heute, mehr als 60 Jahre danach, leuchten abends in Steinhof 772 Lichtstelen zum Gedenken an die ermordeten „Kinder am Spiegelgrund“. Ihre leiblichen Überreste wurden erst 2002 aufdem Wiener Zentralfriedhof bestattet. Rosemarie Schulak Alois Kaufmann dass ich dich finde. Kind am Spiegelgrund. Gedichte _ Mit einem Vorwort von _ Hannah M. Lessing. 5 Hg. von Mechthild Podzeit-Liitjen. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft gemeinsam mit dem ® Mandelbaum-Verlag 2006. 96 Seiten Euro 12,-/SFr 18,Lhotzhys LITERATURBUFFET www.literaturbuffet.com Mehr als eine Buchhandlung ... Lhotzkys Literaturbuffet ist mehr als eine Buchhandlung. Nicht nur, weil wir neben Büchern auch CDs und DVDs führen (z.B.: Französische Chansons, Klezmermusik, Mestizorock), sondern weil wir mit unseren Veranstaltungen Literatur "live" bieten. JEDEN FREITAG ABEND gibt es bei uns Lesungen, Buchpräsentationen oder Diskussionsveranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen. ... mehr als ein Café eee Während der Woche können Sie bei uns ZWISCHEN 8.00 UHR UND 18.00 UHR FRÜHSTÜCKEN - vom Müsli bis zu Schinken, Käse und weichem Ei. Und das um maximal 4, €. Am Samstag zwischen 9.00 und 17.00 Uhr. Außerdem gibts selbstgebackenen Gugelhupf, Toast Hawai, Würstel, Suppen... Und zum Nachspülen bieten wir mindestens acht Sorten alkoholfreien Biers! 7 Vorbei ... Beyond Recall: Dokumentation jüdischen Musiklebens HICD/IDVD-Box Auf I] CDs und einer DVD wird, begleitet von einem umfassenden Bildband in Deutsch und Englisch, das gesamte Spektrum jüdischer Musik von der Klassik über das Kabarett bis hin zu kantoralen Gesängen - dokumentiert. Auf der DVD findet sich die Rekonstruktion des verloren geglaubten Tonfilms “Hebräische Melodie” mit dem Geiger Andreas Weibgerber. (248,-- EUR). Taborstraße 28 (Eingang Rotensterngasse) 1020 Wien Osterreich Tel./Fax: + 43 (1) 276 47 36 GSM: +43 (0)6991 585 16 68 mail: office@literaturbuffet.com 85