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Erster Kontakt zu den Engels Im Rahmen meines ersten Universitätsstudiums (Germanistik/Geschichte) lernte ich in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts an der Wiener Universität Univ.-Prof. DDr. Friedrich Engel-Janosi (1893 — 1978) kennen, der bald mein Lieblingslehrer der Neueren Geschichte wurde. Als er 1974 seine „Memoiren“... aber ein stolzer Bettler. Erinnerungen aus einer verlorenen Generation herausgab, erfuhr ich Genaueres über den familiären Background meines Lehrers: Ungartum und Judentum. Schon damals nahm ich mir vor, im Rahmen eines weiteren Universitätsstudiums die Geschichte dieser berühmten ungarischen Familie aufzuarbeiten. Während des Judaistikstudiums, das ich 2007 mit einer Dissertation über „Heinrich Graetz und die jüdische Mystik“ abschloss, setzte ich meinen Plan aus den 60er Jahren schließlich in die Tat um und schrieb unter der Leitung von Univ.Prof. Dr. Klaus Samuel Davidowicz eine Magisterdiplomarbeit zum Thema: „Die Engels — die Anfänge einer jüdischen Familie in Ungarn (Az Engelek - a zsido csalad kezdetei Magyarorszäagon)“. Voraussetzungen in Österreich Ich nahm Kontakt mit der Lieblingsschülerin Friedrich EngelJanosis auf, mit Frau Univ.-Prof. Dr. Edith Saurer, „einer meiner geistig reichsten Schüler auf beiden Seiten des Atlantik“ („Memoiren“, S. 296). Sie empfahl mir den Kontakt mit dem Neffen von Friedrich Engel-Jänosi, dem in New York lebenden Dr. Peter Engel de Jänosi, er würde mir weiterhelfen können, was auch der Fall war. Ihm verdanke ich den Zugang zu den „Memoiren“ des Adolf Engel de Janosi (1820 — 1903), die dieser 1888 unter dem Titel Aus meinem Leben in Pécs (Fiinfkirchen) drucken ließ, allerdings mit der Bedingung: Die nachfolgenden Skizzen habe ich bloß als Erinnerung für meine Kinder geschrieben; dieselben dürfen ohne meine Einwilligung keinem Fremden gegeben werden. 116 Jahre später zeigte sich sein in New York lebender Urenkel Peter großzügiger, wenn er in seinen Briefen vom 28.4. und 17.5. 2004 betonte: „... but I think that enough time elapsed to allow me to share a copy with you.“ Er wies dennoch darauf hin: ,,... you are the first person who is not a family member who see a copy.“ Diese Memoiren des eigentlichen Clangründers der Engels sollten sich als eine wahre Fundgrube erweisen. Voraussetzungen in Ungarn Sprach- und Landeskenntnis versetzten mich in die Lage, das gewählte Thema zu bearbeiten. Welche Stellen waren mir dabei behilflich? Die Bibliothek des „Orszägos Rabbik&pzö Intezet“, seit der Wende von 1989 trägt sie den Titel „Zsidö Egyetem“, war während der langen Zeit des Kommunismus die einzige Rabbinerausbildungsstätte Ostmitteleuropas. Das „Stadtgeschichtliche Museum“ in Pécs, die ,,Pécser Jüdische Glaubensgemeinschaft“, das Biigermeisteramt von Bonyhad (hier sind die ersten Engels nachweisbar!), das Komitatsarchiv des Komitates Tolna in Szekszärd, das „Städtisch ortsgeschichtliche Museum“ in Komlö und der Verwalter des jüdischen Friedhofes in Bonyhäd, Herr Jözsef Väl. Namentlichbin ich zu Dank verpflichtet den beiden Archivarinnen Ilona Radnöti (Pécs) und Rozsa Jakab (Koml6), aber auch dem in Pécs lebenden Engels-Forscher Dr. Lajos Hajzer. Péter Engel de Janosi stellte auch den Kontakt zu seiner Cousine Anna Stein her, im Engel-Janosi-Clan liebevoll Anica genannt: Urenkelin von Adolf Engel, Enkelin des Jozsef Engel de Janosi und Tochter des Marcel Stein und der Rozsa Engel de Janosi. 1936 in Ungarn geboren und erst 1956, nach dem gescheiterten Volksaufstand, ihre Heimat fiir immer verlassend. Sie lebt als Malerin und Bildhauerin in Paris. Erst im vergangenen Herbst stellte sie im Rahmen der Ausstellung ,,A profétak hazaternek III“ („Die Propheten kehren heim“) in der Budapester Abigail Galerie aus. Quellenmaterial und Forschungsergebnisse Ausgangspunkt bildeten die beiden erwähnten „Memoiren“, die des Adolf Engel de Jänosi und die seines Enkels Friedrich. Weiters Werke der ungarischen Fachliteratur, die sich direkt oder indirekt mit den Engels, nach der Erhebung in den Adelsstand mit den Engel de Jänosis befassen. Sie reichen von Adolf Cserkuti (1914) bis Andrea Vörös (1996). Der schwierigste Teil der Forschung war der vor Ort, nämlich in Bonyhäd (jüdischer Friedhof), den Dörfern der Engel-Jänosischen Grundherrschaften, so in Felsémindszent (heute Mindszentgodisa), in Janosi (heute Komlömecsekjänosi), in der Bergwerkstadt Kom16 wo die Engel-Janosis einen Steinkohlebergbau betrieben, besonders im Komitatsarchiv in Szekszärd, wo ich die jüdischen Steuerlisten bis in die Zeit Maria Theresias zurückverfolgen musste, um den ersten Engel, nämlich Peter (1772 — 1823) zu verifizieren. Peter Engel Diese Steuerlisten, oft akribisch, oft aber mit einer fürchterlichen Klaue geführt, werden hier unter verschiedenen Bezeichnungen aufbewahrt: „Conscriptio possessiones“, „Conscriptio Judaeorum“ und „Conscriptio Haebreorum“. Der schon erwähnte Adolf Cserkuti (1914), aber auch Gabor Weisz (1929) und vor allem Jozsef Schweitzer (1966) — hochbetagter ehemaliger Oberrabbiner Ungarns, der aber nach dem Zweiten Weltkrieg Rabbiner in Pécs war — haben diesem Péter Engel nachgespiirt. Nur durch die Heirat mit der Witwe Liza Fuchs, die nach ihrem verstorbenen Gatten Salamon Fuchs das Toleranzrecht in Pécs besaB, konnte Péter Engel von Bonyhad nach Pécs tibersiedeln. Keiner der drei Autoren kennt das Geburtsjahr Peter Engels, nämlich 1772. Nur Cserküti nennt sein Todesdatum: ,,... im August des Jahres 1823 schied er in die Ewigkeit als ein armer Mann, zwei Kleinkinder zuriicklassend“. (S. 20) In seinem Haus in der Pécser Zrinyi utca 12 richtete er auf seine Kosten einen Gebetsraum ein, da der Pécser Magistrat die 19