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Errichtung einer Synagoge abgelehnt hatte. Ein Pergamentblatt, es befand sich später in der Bundeslade der Synagoge in der Citrom utca und schließlich nach dem Bau der prachtvollen Synagoge auf dem Kossuth ter im Büro des Adolf Engel, blieb als einzige Erinnerung an Peter Engel in der Pécser Kultusgemeinde aufbewahrt. Pöter Engel war im Getreidehandel tätig und darin außerordentlich erfolgreich, so dass sein Sohn Adolf in seinen Memoiren schreiben konnte: „Mein verewigter Vater, Herr Peter Engel, war früher ein wohlhabender Mann.“ (S. 1) Dies sollte sich radikal ändern, als Peter Engel von einem adeligen Gutsbesitzer Weizen kaufte, der noch auf dem Halm stand, was allein schon ein großes Risiko war, und dafür 1.000 Gulden Anzahlung leistete. Was er als strenggläubiger Jude dabei übersah, war der Umstand, dass der Tag der Übernahme des Weizens auf das jüdische Versöhnungsfest, auf Jom Kippur fiel, Janosi Engel Adolf— Der Schöpfer der Komloer Werke 1820 — 1903. Büste vor dem Museum in Komlo. den er, so sein Sohn Adolf in den Memoiren: „... um keinen Preis anderswo, als andächtig betend im Tempel zugebracht hätte.“ (S. 1) Der genannte Adelige verweigerte am nächsten Tag wegen Nichteinhaltung des Termins nicht nur die Übergabe des Weizens, sondern auch die Rückzahlung der 1.000 Gulden Anzahlung. Als Jude gegen einen Adeligen einen Prozess anzustrengen, war im damaligen Ungarn ein aussichtsloses Unterfangen. Péter Engel war ein ruinierter Mann, sein Haus in der Zrinyi utca 12, wo er den ersten Gebetsraum eingerichtet hatte, wurde versteigert. Er selber starb aus Gram darüber und ließ seine Witwe mit zwei kleinen Söhnen zurück, nämlich Adolf und Simon Engel. Adolf Engel Das einzige Erbstiick, das von Vater Péter auf Sohn Adolf kam, war ein religidses, ein sogenannter Siddur. In ihm sieht Giinter Stemberger „einen Grundstock an religiösen Schriften“, der 20 „schon immer zum wertvollsten Besitz eines jeden jüdischen Hauses gehörte.“ (Jüdische Religion. München 1999, S. 49). Da Pecs noch über keinen jüdischen Friedhof verfügte, musste Peter Engel in seiner Heimatstadt Bonyhäd begraben werden. Über eben diesen Friedhof schrieb mir Péter Engel de Janosi im Brief vom 13. Juli 2004: Many years ago I visited Bonyhdd, and the Jewish cemetery, but the weeds were so high, and the graves so neglected that I could find anything useful. Moreover, I do not read Hebrew, and therefore could not decipher the gravestones. Dieser Zustand des Bonyhader Judenfriedhofs ist, Gott sein Dank, vorbei. Anlasslich meines Besuches am 11. September 2004 zeigte mir der Friedhofsverantwortliche, der schon erwahnte Jozsef Val, ein gebtirtiger Bonyhader, alle Gebäude des Friedhofs und den Friedhof selber, egal ob orthodox oder neolog, in einem sehr guten Zustand. Auf einer Gedenktafel fand ich unter anderen Namen auch den jener Familie, deren Geschichte ich erforschte, in der Person des Jozsef Engel de Janosi, nach dem auch im heutigen Pécs eine Straße im Nordosten der Stadt benannt ist. Die einzelnen Stationen im Leben des Adolf Engel können hier nur kurz angerissen werden. Schon als Elfjähriger muss er die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Auf den Straßen der P£cser Innenstadt verkauft er Bleistifte und Zündhölzer. Besonders stolz ist er darauf, dass er „allein deutsch, ungarisch, französisch und hebräisch“ lernte. (S. 2) Er nützt die Bildungsmöglichkeit der bischöflichen Bibliothek, da sie auch im Winter beheizt ist. Er lernt den P&cser Tischlermeister Keil kennen und wird dadurch mit dem Werkstoff Holz vertraut, bleibt diesem ein Leben lang treu und wird so zum Holzindustriellen. Als gläubiger Jude in einer christlichen Umgebung ‚verköstigte ich mich selbst, da ich die religiösen Speisevorschriften strenge beobachtete.‘ (S. 3) Schon mit 18 eröffnet er ein Geschäft für Gebrauchtmöbel und Altkleider. Ein Lehrer Namens Hauk unterweist ihn in den Grundkenntnissen der Handelswissenschaften. Er heiratet Anna Justus, später im Engel-Jänosi-Clan Nina genannt, die aus Tevel stammt, nördlich von Szekszärd gelegen. Als die junge Familie zu bescheidenem Wohlstand gelangt ist, pflegt sie die alte jüdische Tradition, armen Studenten einen Mittagstisch zu bieten. Der ungarische Freiheitskampf 1848/49 sieht Adolf Engel als Soldaten. Wie die Forschung heute weiß, war der Blutzoll der jüdischen Soldaten höher als der der übrigen Bevölkerung. Als das Reformjudentum, von Deutschland ausgehend, auch Ungarn erfasst — hier wurden die Reformer generell Neologen genannt —, zählt Adolf Engel in Pecs zu ihnen. Der schon erwähnte Jözsef Schweitzer zählt ihn zur „treibenden Kraft der kurzlebigen Pe&cser Glaubensreformbestrebungen“. (Geschichte der Pécser Israelitischen Kultusgemeinde. Budapest 1966, S. 24). Zieht man, um Adolf Engels jüdische Religiosität unter Beweis zu stellen, seine Memoiren heran, so sind sie vom Anfang bis zum Schluss mit Zitaten aus dem Tanach durchzogen, die seine Bibelfestigkeit dokumentieren. Sie beginnen mit einem Zitat aus dem 9. Psalm und schließen mit den Versen 22-23 aus dem Psalm 118: Beim Rückblick auf mein Leben kann ich mit König David ausrufen: „Der Stein, welchen die Bauleute verworfen, ward zum Eckstein, es ist mit Gottes Hilfe geschehen. “ (S. 20) Von dieser tiefen Frömmigkeit Adolf Engels berichtet auch sein Enkel Friedrich in seinen Memoiren. Mit seinem Bruder Rudolf, er fiel im Ersten Weltkrieg, begleitete er Großater Adolf durch die Gassen im Wiener Nobelbezirk Döbling, wo Adolf Engel seinen Alterssitz begründet hatte. Dabei kamen sie im