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mer wieder bei einem Bildstock in der Silbergasse vorbei, der heute noch existiert. Dabei „achtete er darauf, daß wir den Hut abnahmen, ... er, der fromme Jude, wollte der Gottheit seine Verehrung bezeugen, wenn sie ihm auch in einer anderen als in der vertrauten Gestalt begegnete.“ (S. 17) Höhepunkt in Adolf Engels religidsem Leben in Pécs war der Bau der auch noch heute imposanten Synagoge, die nach vierjahriger Bauzeit, auch Adolf Engels Firmen wirkten dabei mit, 1869 eingeweiht wurde. An dieser feierlichen Einweihung nahm auch der bertihmte Reformrabbiner Lipöt Löw aus Szeged teil. Neben seinen religiösen Aktivitäten widmete sich Adolf Engel der Reform der kommunalen Verwaltung in Pecs und ließ auf eigene Kosten und Risiko eine Schwimmschule errichten, die nach dem Erzherzog Albrecht benannt wurde, der damals habsburgischer Generalgouverneur in Ungarn war. Als sie 1858 eröffnet wurde, ließ er ein zweisprachiges Programm drucken, eigentlich die Benützungsstatuten dieser Anstalt, die auch dem Militär diente. Als Arbeitgeber der Holzindustrie lag ihm das Schicksal seiner Arbeiter sehr am Herzen, zumal die Erzeugung von Parketten eine äußerst schwere Arbeit war, da noch entsprechende Maschinen fehlten. Er betätigte sich daher als Sozialreformer, indem er eine eigene ,,Arbeiter-Ordnung“ ausarbeitete, die er auch beim P&cser Magistrat einreichte. Er freute sich, dass in seinen Betrieben Arbeiter tätig seien, „die seit 30 Jahren ununterbrochen bei mir in Arbeit sind, sich während dieser Zeit Weingärten erwarben und Häuser und ihre Kinder anständig erziehen.“ (S. 7) Als es die kaiserliche, in Ungarn königliche, Verordnung vom 18. Februar 1860 auch Juden ermöglichte, bäuerliche Wirtschaften zu erwerben, macht Adolf Engel davon Gebrauch und erwirbt im Lauf der Jahre vier Grundherrschaften, und zwar in Fels_mindszent, Simonfa, in Janosi (dieses Gut sollte nach der Erhebung in den Adelsstand auch zum zweiten Familiennamen werden: Engel-Janosii!) und Ocsard-Pazdany. Wie schon im Industriebereich reformiert Adolf Engel das Leben der Landarbeiter auf seinen Giitern und renoviert die Pfarrkirchen seiner Patronate in den Bauerndörfern seiner Grundherrschaften. Den Sohn seines treuen Hausmeisters Namens Takäcs lässt er katholische Theologie studieren und will ihm eine Pfarrersstelle in dem ihm gehörenden Pfarren vermitteln, wenn eine frei wird. Für solch ein Verhalten hat Adolf Engel eine einfache Erklärung, aber auch sie ist tiefreligiös fundiert. So erklärt er dem Pfarrer seiner Patronatspfarre Fels mindszent-Szatina, Hochwürden Sauter, auf dessen Frage, warum er als Jude so viel für die katholische Kirche leiste: Dies sei natürlich, nachdem die katholische Kirche die Tochter der jüdischen ist, die Mutter leistet aber für die Tochter immer mehr, als die Tochter für die Mutter. (S. 17) Die weiteren Stationen im Leben des Adolf Engel können hier nur im Zeitraffer wiedergegeben werden: — Gründung der Firma „Adolf Engel und Söhne‘ (dies sind Jozsef, Sandor, Gyula und Mor!) im Jahre 1876; auf ihrem ursprünglichen Platz in Komlo. — Beteiligung dieser Firma an der Pariser Weltausstellung 1878, wo sie auch ausgezeichnet wird; — Ausweitung des Firmenimperiums nach Wien durch die beiden Söhne Sandor und Mör im Jahre 1884; — Erhebung in den Adelsstand im Jahre 1886: „Edler von Janosii“ durch Kaiser Franz Joseph; — Erwerbung des Steinkohlebergbaues in Komlö im Jahre 1892; — Übersiedlung Adolf Engels nach Wien im Jahre 1893. Die letzten zehn Jahre seines Lebens, 1893-1903, verbringt Adolf Engel in der Döblinger Hofzeile 12 in Wien und kümmert sich nicht um das aus der Renaissancezeit stammende Sprichwort: „Extra Hungariam non est (nulla) vita. Et si est vita, non est ita.“ Sein Enkel Friedrich beschreibt das nahe Ende des Großvaters sehr einfühlsam: Schließlich wurde er stiller, die Schwerhörigkeit nahm zu ... man stellte ihm einen Divan hin, und er schlief dort länger und länger, und eines Tages [10. Jänner 1903] wachte er gar nicht mehr auf. (S. 16f.) Doch schon am Ende seiner Memoiren aus dem Jahre 1887 heißt es: „Ich liebe das Leben, fürchte den Tod nicht und bin stets bereit dem ewigen Richter Rechenschaft zu geben.“ (S. 28) In seinem Testament vom 12. Februar 1895 richtet er, ganz gläubiger Jude, die Bitte an seine Söhne: Ich bitte euch, dass ihr am Vorabend meines Todestages hier in meinem Zimmer zusammenkommt, das Jahrzeitlicht anzündet und das Kadisch-Gebet sprecht. ... Mein Haus soll alle Zeit ein Haus des Gebetes sein und bleiben. Seine größte Sorge aber galt dem Fortbestand des Judentums in seiner weit verzweigten Familie: „ein rituelles Haus zu führen und seine Kinder zu frommen Juden und Staatsbürgern zu erziehen.‘ Seinen Söhnen schrieb er vor: „Nachdem das Judentum genug wohlerzogene Menschen hat, ist es nur erlaubt, mit Juden eine Ehe zu schließen.“ Er warnte ausdrücklich vor einem Abfall vom Judentum — „wenn jemand unter meinen Erben seine väterliche Religion verlässt, wovor Gott bewahren soll.“ 21